Liebe Tint,

ich reduziere dich überhaupt nicht auf Religion, ganz im Gegenteil ist mir deine Religion eigentlich völlig egal. Ich sagte bereits an anderer Stelle, dass ich persönlich kein sonderlich religiöser Mensch bin und eigentlich erst durch das Außen (v.a. durch den Kontakt zu gläubigen Muslimen) angefangen habe, die Fragen der Religion zu reflektieren. Diese Reflektion habe ich als Bereicherung empfunden. Ich habe grundsätzlich nichts gegen religiöse Menschen. Nur gegen Extremismen habe ich etwas, aber da sind wir ja einer Meinung.
Dennoch glaube ich - zumindest was die Marokkaner in Deutschland anbelangt (und ich weiß, dass ich mir jetzt wieder Feinde schaffen werde mit dieser Aussage), dass der überwiegende Teil (wohlgemerkt der Marokkaner, für die Türken gilt das sicher so nicht) seine Religion sehr wichtig nimmt. Wo ist also das Problem einen islamischen Religionsunterricht zu errichten (den man freilich, genauso wie den christlichen Religionsunterricht auch abwählen kann). In der Praxis stellt sich natürlich die Frage, wer die Curricula eines solchen Unterrichtes bestimmt (und da haben wir wieder das Problem der "Ansprechpartner"). Im christlichen Reliunterricht sind dies die konfessionellen Kirchen. Aber wer von den Muslimen soll denn nun darüber entscheiden, was in einem Islamunterricht gelehrt wird: Die Sunniten, die Schiiten, die Alawiten, DITIB, der Zentralrat oder wer?
Glaub mir, ich weiß aus erster Hand, dass es gute Leute gibt, die sich seit langer Zeit darüber Gedanken machen. Und es gibt in diversen Schulversuchen auch erhebliche Fortschritte, auch wenn alles politisch elend zäh und langsam voran geht. Aber es wird kommen. Muslime sind einfach ein Bestandteil unserer Gesellschaft. Wer das leugnen will, ist blöd.

Zu dem Aspekt berberophone/arabophone Marokkaner: Ein Teil des Sprachproblems der berberischen Kinder in Deutschland resultierte sicherlich auch daraus, dass sie zum muttersprachlichen Unterricht in die arabischen Klassen gezwängt wurden (weil man sie kategorisch, wie ja auch die von dir zitierte Statistik beweist, zu den Arabern zählte). Eine Abwertung des "muttersprachlichen Unterrichts" zugunsten des Religionsunterrichtes in deutscher Sprache könnte also in dieser Hinsicht vielleicht einen Forstschritt darstellen, denn das gleichzeitige Erlernen von drei Sprachen (Deutsch, Berberisch und Arabisch) scheint für viele dieser Kinder eine Überforderung gewesen zu sein.

Was du sonst schreibst, macht mich einfach nur traurig. Ich wünschte (und manchmal male ich mir vielleicht auch ein Luftschloss) das wäre alles nicht mehr so. Weißt du, ich lebe in einem Stadtteil, der wirklich zur Hälfte aus Migranten besteht. Da kann man die Existenz von Faschos und die alltäglichen Rassismen durchaus mal vergessen.
Die Gewalt an Schulen macht mir einfach nur Angst. Meine Tochter ist ja noch sehr klein, aber sie sieht so marokkanisch aus, wie man nur marokkanisch aussehen kann. Ich wünsche mir, dass sie gleichberechtigt mit beiden Kulturen aufwächst, ohne dass sie sich jemals zerrissen fühlen muss. Bisher haben wir keine negativen Erfahrungen machen müssen. Außer, wenn es um das "Temperament" meiner Tochter geht (sie ist sehr willenstark): von einigen Leuten wird dann gesagt, das sei wohl ihr "arabisches Blut" - was mir ziemlich auf den Geist geht.

Gruß