Hallo und azul zusammen,

vor kurzem wurde in Alhocima eine Sitzung vom IER organisiert. In der Sitzung war die Rede u. a. von der Versöhnung mit Imazighen der Rifregion, der Entschädigung der Opfer des Massakers von 1958-1959 und der Verarbeitung der dunklen Vergangenheit dieser Region.

Kurz danach kam es zu dem brutalen Einsatz (19.05.05) der marokkanischen Polizei.
Die rassistischen Beleidigungen gegen die Rifmasiren, die Bedrohung der Bewohner mit einem zweiten Massaker, wie das Massaker an den Rifbewohnern von 1958-1959 (durch die marokkanische Armee und durch die Einheiten der Istiqlal Partei) und die Misshandlungen der Demonstrationen etc., das Alles hat die Menschen sehr verletzt und zu legitimen Reaktionen geführt.
Auf jeden Fall, was die Menschen erlebt haben, hat mit Versöhnung nichts zu tun.
Jeder in Marokko weiß, dass Protestaktionen in Marokko überall mit Gewalt beendet werden.

In Laâyoun auch, die Demonstranten wurden dort wie gewohnt mit Gewalt zum Schweigen gebracht. Die Forderung der Demonstranten in Laâyoun ist die Errichtung eines unabhängigen Staates, die sogenannte "Arabische Republik Westsahara".
Aber die Forderungen der Tamassint-Bewohner ist nicht die Gründung irgend eines unabhängigen Staates, sondern ein Dach über dem Kopf für sich und ihre Familien.

Man sollte schon in der Lage sein, zu unterscheiden zwischen dem Geschehen in Tamassint und anderen Demonstrationen im übrigen Marokko. In Alhoceima selbst gab es fast jede Woche Demonstrationen von arbeitslosen Akademikern, diese wurden oft von der Polizei krankenhausreif geschlagen. Hierzu gab es keine solidarischen Kundgebungen im Ausland.

Aber was Tamassint angeht: hier handelt es sich zunächst um Opfer einer Naturkatastrophe, denen geholfen werden muss, ohne Wenn und Aber und der marokkanische Staat ist dazu verpflichtet. Schließlich hat Marokko Spenden in Millionenhöhe erhalten, um den Erdbebenopfern zu helfen. Es gab schon 1994 ein Erdbeben in Alhocima und die Region und die Bewohner sind von dem marokkanischen Staat im Stich gelassen und ihrem Schicksal überlassen worden.

Die Opfer (Kinder, Kranke, ältere Frauen und Männer) hausen seit 15 Monaten in Zelten unter primitiven Bedingungen und das immer noch. Ihre Forderungen sind ein würdiges Wohnen und der Wiederaufbau ihrer zerstörten Wohnungen. Daher ist irgend ein Vergleich mit den anderen Demonstrationen unzulässig.

Ich weiß nicht, ob Mohammed auf die Idee gekommen wäre, die Meldungen über das Geschehen in Tamassint als Konflikt zwischen Araber und Masiren zu interpretieren, wenn er oder seine Familie unter den gleichen Bedingungen leben müsste - übrigens die Bewohner von Tamassint sind zu 100% Masiren - von Konflikt zwischen Arabern und Masiren kann gar nicht die Rede sein.

Feindschaften, Haß und Konflikte entstehen durch die politische, kulturelle und wirtschaftliche Diskriminierung, da, wo die Menschen nicht gleichberechtigt sind und nicht zuletzt auch, dank Menschen, die ihre Augen verschließen und gegenüber dem Unrecht schweigen.

Schweigen, die Augen verschließen, nicht berichten und so tun, als ob in Marokko alles in Ordnung wäre, tut Marokko bestimmt nicht gut.

Azul Elissa

Missverständnisse kann man leider nie ganz ausschließen, aus welcher Grund auch immer.
Aber was du geschrieben hast, war klar und deutlich.

Tanmmirt
Gruß