Antwort auf:
Riad und Casablanca: Anschlag auf den Islam - Kommentar


Nicht nur die Kriege und die Anschläge, auch die ungeklärten Antworten auf die Motive dieser terroristischen Greueltaten und deren Verursacher machen die weltweite Verunsicherung aus

Unabhängig von der Nationalität gibt es im Islam ein tiefgreifendes Zugehörigkeitsgefühl zur gemeinsamen Glaubensgemeinschaft, der "Ummah". Dieses Gefühl ist seit den Anschlägen vom 11. September gestört.

Nicht der Angriff auf Afghanistan oder den Irak; nicht die Fremdbestimmung der USA in der islamischen Welt, auch nicht die von Staats wegen blutigen Angriffe Israels auf das palästinensische Volk vermochten den Glauben an die Ummah ins Wanken bringen.

Erst die Terroristen mit ihren Anschlägen in New York, in Washington, in Djerba, auf der Insel Bali, und jüngst in Riad und Casablanca vermögen diese über 1, 2 Milliarden muslimische Menschen auf dieser Erde in eine latente Unsicherheit zu versetzen.

Allem voran verunsichern die ungeklärten Antworten auf die Motive dieser terroristischen Greueltaten und deren Verursacher.

Wenn es die Absicht der Terroristen war, auf tatsächlich vorhandene Ungerechtigkeit und Unterdrückung in ihren Ländern aufmerksam zu machen, dann haben sie dieses Ziel völlig verfehlt. Also fragen sich Muslime, welches Ziel sonst dahinter stecken mag. Einige verfangen sich dann in Trivialisierungen und Verschwörungstheorien und retten sich in eine unsinnige Opferrolle. Aber das reicht nicht, um Zusammenhänge herzustellen.

Just in dem Moment als die Amerikaner den Abzug größerer Truppen inSaudi Arabien ankündigten, passierte der schreckliche Anschlag in Riad. Warum gerade zu diesem Zeitpunkt? Dabei jedes Mal an Al-Kaida zu denken, könnte in die richtige Richtung weisen, wenn man dieses Netz zutreffender Weise nicht als straffe Organisation, sondern als Verbund von verbrecherisch-terroristischen Elementen begreift.

Die Vorgehensweise der Terroristen und ihre Ziele verraten eine übereinstimmende Ideologie: keine Rücksicht auf das eigene Leben und das Leben ihrer Glaubensgeschwister. Schon allein deshalb hat die große Mehrheit der Muslime für die Attentäter nur Verachtung und keine Sympathie übrig. Diese Methodik ist weder originär islamisch, noch mit religiösen Vorstellungen begreifbar, sie ist schlichtweg irrsinnig und ein Ausdruck der absoluten Verzweiflung. Doch solange irgendjemand noch ein Quentchen Sympathie für solche abscheulichen Taten übrig hat, solange einige wenige Verirrte sich einem religiös verbrämten Schund hingeben und dies zu rechtfertigen versuchen, solange wird es auch diese Anschläge noch geben. Dies sollte denn auch die bittere Lehre für die Muslime sein.

Die Auswahl der Ziele, die jüdisch, amerikanisch und/oder westlich-touristisch sind, lenken womöglich vom eigentlichen Thema ab. Denn warum sollte ein belgisches Konsulat getroffen werden, zumal sich doch Belgien eindeutig zur Antikriegskoalition gesellt hat. Nur weil gegenüber ein Restaurant steht, dessen Inhaber ein marokkanischer Jude ist? Ein "dünnes" Motiv, zumal die Juden seit Jahrhunderten durch ihren erfolgreichen Geschäftssinn und ihre Loyalität zur marokkanischen Obrigkeit bekannt und im Land deshalb geachtet sind. Dies war in der muslimischen Herrschaftsgeschichte nie etwas Ungewöhnliches, warum sollte dies heute etwas Besonderes darstellen?

"Wir hoffen, dass Marokko seinen Errungenschaften, die zu Stabilität und Frieden geführt haben, verbunden bleibt", wünscht sich dann nach den Anschlägen auch der Sprecher der stärksten parlamentarischen Oppositionskraft, die islamische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD). Auch die Vertreter der außerparlamentarischen al-Adl al-Ihssane (Gerechtigkeit und Wohltätigkeit) verurteilten die Anschläge. Die beiden großen islamischen Bewegungen verfolgen ihre Ziele mit friedlichen Mitteln und haben längst den Marsch durch die Institutionen angetreten. Verlierer, Opferrolle? - Fehlanzeige!

Kann dieser Ausbruch brutalster Gewalt in Casablanca für einige dennoch den Vorwand liefern, gegen die unliebsamen Herausforderer gleichfalls gewaltsam vorzugehen? Die muslimischen Parteien dürften in der Folge unter Druck geraten.

Die Attentate in Marokko und Riad machen aber auch noch auf eine andere Sache aufmerksam. Sie bekräftigen leider die These, die der Zentralrat der Muslime in Deutschland in einer Presseerklärung vor dem Irakkrieg deutlich machte: "Demokratie kann nicht herbeigebombt werden. Die Gefahr, durch den Irakkrieg eine Diskreditierung des Demokratiegedankens in der islamischen Welt herbeizuführen, ist gestiegen".

Der Irakkrieg hat nicht das Szenario eines baldigen Ende des Terrors eingeleitet. Im Gegenteil: Der Zentralrat warnte vor dem Krieg vor einem Anwachsen der Anschläge. Dies ist nun leider eingetreten und Realität geworden

Wer dann letztendlich immer noch versucht, die Anschläge in die Nähe des Islam zu bringen, der hat nichts verstanden. Denn sind es nicht eben diese Kreaturen, die gerade den Anschlag auf den Islam selbst verübt haben? Sie haben weder der Sache, noch ihrer Ummah, noch sich selber damit in irgend einer Weise einen guten Dienst erwiesen. Aiman A. Mazyek
aus: islam.de