@elvira

danke für dein feedback. ich denke, wenn man sich kritisch - und nicht theologisch oder ideologisch - mit sachverhalten auseinandersetzt, muß es einem möglich sein eine differenzierte auch wenn subjektive und egal wie naïve haltung zu vertreten.

wie es uns mit dem westen generell und mit deutschland speziell geht, kann mit der haltung der deutschen wiederum gegenüber den usa - auch wenn nur bedingt – verglichen werden: es gibt den blinden anti-amerikanismus aber auch die konstruktive und argumentierte kritische position. die zweite ist im vergleich in der regel glaubwürdiger und allgemein akzeptierter.

zum institut francais sollte das goethe institut erwähnt werden, auch wenn die arbeiten beider institutionen sich in ihren schwerpunkten unterscheiden. man mag dazu stehen, wie man will, aber beide machen hin und wieder wertvolle arbeiten, die im grunde marokkaner hätten übernehmen sollen. nur das ganze begrenzt sich bedauerlicherweise auf einige wenige grosstädte und hängt stark von der finanziellen situation ab.

@essarghini,

"Es ist aber schade, wenn du alle Marokkaner, die hier in Deutschland leben nur als fromme (aus dem Rif), die nur die Moschee und das Zuhause kennen, oder doofe (Studenten), die Nichts von dem verstehen, […] Also mit so einem schiefen Blick darf man die Marokkaner wirklich nicht betrachten. Du bist immerhin noch einer von Ihnen oder ?"

das ist unfair, denn so habe ich weder geurteilt noch mich geäußert.

der rif im besonderen und der gesamte norden im allgemeinen ist eine in marokko extrem vernachlässigte und in mancher hinsicht auch diskriminierte region. er gehört geschichtlich und politisch zu den schmerzvollesten kapitel marokkos.

dass die rifis zu den frommesten und wertkonservativsten menschen des landes gehören, ist keine wertung, sondern eine faktische schätzung und sie selbst mögen sich auch so sehen und bezeichnen. während die einen diese beschreibung als altmodisch, rückschrittlich usw. auffasen mögen, sind die rifis auf ihren mut, ihre bodenstänsigkeit, großzügikeit und ihr traditionsbewußtsein sowie weitere eigenschaften stolz. in meinem beitrag sehe ich alledem neutral entgegen, denn mir geht es zunächst um realitätsnahe einschätzungen. was für den einen offenheit und individuelle freiheit ist, kann für den anderen herumhurerei und dekadenz bedeuten.

um es kurz zu fassen, die hier lebenden marokkanischen gastarbeiter sind überwiegend (nicht alle) rifis. aufgrund ihrer herkunft von eher sozial niederen schichten aus fern entlegenen dörfern und kleinstädten einer selbst im land marginalisierten region und aufgrund ihrer lebensbedingungen in europa und deutschland als einfache industrie- und bergbauarbeiter kann davon ausgegangen werden, dass sie eine grundsätzlich fromme und wertkonservative lebenseinstellung pflegen (müssen), die sie ihren nachfahren durch erziehung und familiensozialisation weitergegeben, wobei es zu erwarten sei, dass allmälich und durch den generationswechsel und die damit enstandenen konflikte und dynamismen, diese marokko-bezogene einstellung durch andere noch zu identifizierende abgelöst wird.

was marokkanische studenten angeht, trifft man sie oft in kneipen, dann in moscheen. in deinem anderen beitrag beschreibst dies etwas ausführlicher.

es gibt nicht nur oper und theater, sondern eine menge zugängliche und sogar kostenlose möglichkeiten, sich weiterzubilden, die eigenen horizonte zu erweitern und das zu tun, wozu man auch hier ist: sich zu entwickeln.

wirklich nur selten bin ich marokkanischen studenten in einer stadtbücherei, bei einem interessanten vhs-kurs (etwa sprachen, photographie oder musik), in interessanten kneipen und alternativen begegnungsorten für junge intellektuelle und akademiker im land usw. begegnet. selbst bei den raren veranstaltugnen, die die marokkanische oder maghrebinische welt betreffen (wie etwa die aufführung des filmes ali zaoua im film-festival von heidelberg vor einem oder zwei jahren) habe ich mich bedauerlicherweise mit meiner frau als einziger schwarzhaariger befunden. auch früher an der universität kreuzte ich als marokkaner alleine oder nur mit vereinzelten anderen marokkanern in studentischen gremien und kulturreferaten herum.

jedem ist es selbstverständlich überlassen, das eigene leben so zu gestalten, wie es einem auch richtig erscheint. was mich u.a. veranlasste dieses thread aufzumachen und was mich als marokkaner in deutschland immer noch aufregt, ist der umstand, dass nicht wenige unter ihnen zu belehrenden und für ganze nationen selbsternannten religiösen vertretern werden, einmal der tolle grad der mystik und der erleuchtung von der schänke zur moschee absolviert ist.

bei der gruppe von marokkanern, die es schaffen durch neugier und offenen geist, sich an der deutschen gesellschaft auch an den richtigen stellen zu reiben, ist es zu beobahcten, dass sie sich mit der schau ihrer religiosität zurückhaltend verhalten, sie auf den persönlichen bereich begrenzen, die welt nicht nach dem einfachen muster von halal und haram teilen und überhaupt auch nicht einseitig theologisch wahrnehmen, die moschee nicht extrem in den mittelpunkt des eigenen lebens rücken, die gesprächspartner nicht belehrend ansprechen und vor allem für sich selbst, als individuen und nicht ideodogmatisch im namen einer ganzen gruppe oder nation sprechen. meistens sind sie auch glaubwürdiger und es gelingt ihnen eher - auch wenn unbeabsichtigt - die islamische botschaft zu vermitteln.

der liebe gott hat den menschen mit einem hirn ausgestattet, damit dieser es auch benutzt und nicht dauernd einfache antworten im koran und in der bibel findet. wenn wir jede frage hier nur noch theologisch auslegen wollen, brauchen wir dieses forum gar nicht; denn, alles steht irgendwo schon geschrieben, wenn nicht im koran, dann - mittlerweile - griffbereit online.

wa'ssalam

jm