@essarghini,

also noch einmal, mach dir bitte doch etwas mühe und lass die aussagen deines gesprächspartners in ihrem kontext oder erwähne sie richtig. dies sollte dir als gebildeten menschen durhaus gelingen.

wenn dir argumente fehlen, versuch wenigstens entgleisungen dadurch zu vermeiden, dass du von solchen aufrufen an die hier vertretenen frauen ("Seid ihr wirklich alle Heuschlerinnen ?? ich hoffe wir bekommen einige Antworten !!!") absiehst, die nun wirklich daneben sind und mit der diskussion nichts zu tun haben.

ich bezeichne kopftuchtragende frauen nicht als heuchlerisch, sondern man findet es allegemein heuchlerisch, wenn frauen (nicht alle) auf den boulevards von kairo zwar das islamische kopftuch tragen, sich aber sonst alles andere als islamisch verhalten. für mich handelt es sich um nachvollziehbare und zu erklärende widersprüche und ich habe weder moralisch noch sonst wie ein problem damit. es sind meines erachtens religiöse puritanisten, die solch ein verhalten ablehnen und streng verurteilen würden.

da wir anfangen, aneinander vorbeizureden möchte ich rekapitulierend festhalten, dass die dörfer im rif im nord-osten marokkos, woher die überwältigende mehrheit der hier lebenden marokkaner und marokkanischen jugendlichen kommen, nicht als stellvertretend für marokko erachtet werden dürfen, und dass das gros der marokkanischen gesellschaft, ihre dynamik und ihre entwicklung in dem städtischen marokko in seiner mitte, im nord-westen, der atlantik-küste entlang und im städtischen süden sich abspielen und vorgegeben werden. was nicht bedeutet, das die entlegenen dörfer im süden oder osten gar keinen gesellschaftlichen einfluß haben.

auch sind wir zur einsicht gekommen, dass die marokkanische gesellchaft zwar arabisch-islamisch sei, aber tiefgreifende und bedeutende spezifische merkmale in ihrer gesellschaftlichen organisation, ihrer kultur, ihrer hitorischen und aktuellen - vor allem mazighischen - identität usw. hat, pflegt und in sich lebend trägt, die sie als solche (marokkaisch, maghrebinisch, maurisch, berberisch) ausmachen, und dass ihre reduzierung auf lediglich (irgend) einen teil der islamischen welt, sie u.a. ihrer geistigen, seelischen und kulturellen eigentümer und reichtümer raubt, was in unserer zeit als schwerwiegend und schlimm erachtet werden darf.

ferner sind 50% der marokkaner analphabeten, die ihre religion eher als teil ihrer traditionen fühlen und leben. in manchen gegenden wie in den dörfern des rif im nord-osten des landes kann von einer analphabetismus-rate von über 70% ausgegangen werden. werden die restlichen 30 bis 50% differenziert betrachtet, so dass machthaber, eliten, gebildete und modern lebende menschen, gleichgültige, korrupte und beamten usw. unter den lesenden und schreibenden berücksichtigt werden, müßte man von bestenfalls 10% der marokkaner ausgehen, die ihre religion einigermaßen wirklich verstehen, den koran und ihre dogmen lesen und intereprtieren können, und bewußt religiös leben wollen und dies auch tun. für 90% ist die religion da, weil sie sie geerbt haben und weil das sein muß: “inna wajadna aban'ana hakadha yaf3alloun”.

das sind grundsätzlich deine berechenungen, nicht meine. daher kann ich deinen vorwruf nicht nachvollziehen, das ich hier etwas “klein reden will” und ich halte ihn für einen unüberlegten fehlurteil.

diese behauptung untermauerst du auch dadurch, was du selbst wie folgt zwar von der wirklichkeit wahrnimmst,

”Durch die Verwestlichung haben wir in Marokko fast den gleichen Zustand bekommen wie wir es hier in Europa haben. Das heißt inzwischen brauchen die Marokkaner gar nicht mehr nach Deutschland oder Frankreich auszuwandern, um sich auf eigene Werte zurückzubesinnen. […] Und wer das, was sich inzwischen auf den marokkanischen Straßen abspielt […].”

aber aufgrund der rein theologischen sicht nicht erfassen und nicht akzeptieren kannst. du stellst den karren vor das pferd wie die franzosen sagen, und machst das, was für dich normativ “gut” wäre sum substiut der wriklichkeit, und wenn diese dir nicht passt, stört sie.

das kann mich behaupten lassen, dass die rückbesinnung mancher hier lebenden marokkanischen studenten mit der islamischen einstellung der in marokko lebenden mehrheit (wir reden von 90%) nichts zu tun hat. wenn man ein hauptteil seiner privat zeit in moscheen und mit gleichgesinnten verbringt, ist es selbstvertständlich, dass es einem so vorkommt, wie man sich wünscht.

um zu unserer ausgangsfrage zurückzufinden, allmälich wird (mir jedenfalls) klar, dass die dominanz des theologischen diskurses in diesem forum etwas mit seinen mitgliedern zu tun hat und nicht unbedingt mit der marokkanischen gesellschaft. diese ist zwar tief religiös und traditionnell und sie behrbegt durchaus militante islamisten, aber ihre religiosität kann weitgehend als anders beschrieben werden, vor allem als mäßig, wobei die vermischung mit den traditionen, bräuchen und dem alltag einen beträchtlichen anteil einnimmt und die theologisch fundamentalen auseindandersetzungen - wie sie in diesem froum und in deutschland täglich geschehen - im alltag einen sehr marginalen wert haben.

das forum hier kann in der tat als in erster linie ein migranten- und touristikforum eingestuft werden.

für den rest, wenn du dich für das weltgeschehen interessiert und die kommentare und stellungnahmen zu den letzten wahlen in der türkei verfolgst, würde dir nicht entgehen, dass zum einen alle, europäer wie türken, von einer protestwahl ausgehen, und dass die wahlsieger sich – trotz einer islamistischen vergangenheit – nicht als islamisten bezeichnen wollen, sich zu europa bekennen und für eine integration der türkei in der europöischen gemeinschaft einsetzen wollen. du kannst dir entweder rational ein paar fragen stellen, wieso dies so und nicht anders sei, oder theologisch darüber moralisch urteilen.

in marokko will die pjd sich an der regierung nicht beteiligen. die übrigen islamisten “boykotierten” die wahlen. wieso diese zurückhaltung? ist man zu sehr davon abgeschreckt, was in algerien und afghanistan passiert? oder will man es vermeiden, sich durch ein gewaltiges scheitern öffentlich zu entzaubern und zu entblösen? ich wünschte man könnte die islamisten in marokko für eine gewisse zeit in einem gewissen rahmen regieren lassen, damit man und sie selbst sehen, dass theologie das politische und gesellschfatliche regieren von völkern das andere ist.

ich möchte jetzt nicht auf alle punkte eingehen, aber deine apokalyptische und abenteuerliche begreifung und analyse von “krise” ließ mich staunen. auch dein erständnis vom “westen” ist leider ein sehr reduziertes und einseitiges und bei vielen marokkanischen studenten verbreitet. der westen ist auch ästhetik und bildung, kunst und kleinkunst, wundbare kinofilme und audio-visuelle schaffungen, faszinierende literaturwerke, geniale musikproduktionen und kompositionen, individuelle und geistige freiheit, fortschreitende philosophie und fleißige mühe, die menschliche exintenz zu verstehen, zu begreifen und zu ergründen. usw.

viele marokkanische studenten stürtzen sich bei ihrer ankunft aber auf bier und frauen – etwas was der durchschnittliche mensch in deutschland so nicht macht. sie saufen alkohol statt es zu trinken und begeben sich sonst in abenteuerliche interaktionen mit der gesellschaft. und erst wenn sie scheitern, muß der islam die sozialtherapeutische rettung spielen. statt sich damit kritisch auseinanderzusetzen, warum sie nicht von anfang, ihre identität und ihre religion behalten und gepflegt und von den ziviliserten seiten des westens nicht profitiert haben, besinnen sie sich plötzlich auf das, was sie eigentlich ohnehin sind und sein sollten zurück und fangen an, andere belehren und ihnen den islam und arabisch beibringen zu wollen!

schließlich möchte gerne, dass du mir und uns hier erklärst, was du mit folgendem satz meinst:

>> "Und wir werden dafür sorgen, dass die neue Generation, Inscha Allah, auch keine Brille mehr trägt."

vor allem würde mich interessieren, warum du auf einaml als vertreter einer ganzen gruppe auftritst, während du die ganze zeit in deinem namen zu sprechen schienst, wer "ihr" seid und wie "ihr" trachtet, "dafür zu sorgen", dass die marokkansichen gesellschaft nach "euren" vorstellungen denkt und handelt?

jm