Assalam u alaikum jmxx,

jmxx:
"...die theologische auseindandersetzung einen erheblichen anteil an der diskussion und austausch in diesem forum einnimmt...."

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Findest du nicht, dass das ganz normal ist. Es gibt ein Spruch bei uns in Marokko, der sagt: "Ein Kamel sieht nie was er trägt oder was er bei sich hat, sondern nur das was um ihn ist." (ich hoffe das habe ich richtig übersetzt). So ist das auch mit den Menschen. Sie müssen erst darauf aufmerksam gemacht werden. Solange man darin ist scheint einem alles wetlos und vielleicht sieht man gar nicht mit den richtigen Augen. Aber wenn man auf einem Hügel steigt und ein Blick von Oben auf das ganze wirfst, dann sieht man vielleicht die Sachen etwas besser. Ich habe hier irgendwann Deutsche getroffen, die Deutschland nicht gemocht haben. Sie wollten auswandern. Das hat mich immer gewundert. Wie kann man den Luxus hier lassen und nach Brasilien oder Australien auswandern. Viele haben es auch gemacht und sind heute schon wieder in Deutschland. Sie haben es dort gelernt, das zu schätzen, was sie hier an materielle Dinge und Demokratie haben, in denen sie aufgewachsen sind. Warum sollte das für Marokkaner anders sein. Bloß wir haben keine Demokratie und kein Lebensstandard, das wir schätzen können, aber wir haben Gott sei dank eine Kultur und eine wertvolle Religion.

jmxx
"...so überzeugend kommt es herüber, dass marokko eine reine islamische gesellschaft sei."

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Keiner behauptet, dass Marokko eine reine islamische Gesellschaft sei. Über 50% der Marokkaner sind Analphabeten und leben diese Religion nur aus Tradition, was sie zu einer leichten Beute für andere Strömungen macht, gerade in den Städten. Den Rest kann ich in 4 Gruppen teilen: Die erste Gruppe ist die marokkanische Elite, die die Reichen Marokkos ausmacht und von der auch die meisten Mitglieder der Regierung stammt. Diese Schicht ist zu 90% westlich orinetiert und dieses Erbe besteht schon seit der Kolonialzeit (Die franzosen hatten gute Arbeit geleistet !!). Die zweite ist eine Gruppe von gebildeten Menschen, die immer noch in einem Traum leben, da sie denken, dass alles was aus dem Westen kommt heilig und blind zu befolgen sei (Ich hoffe du gehörst nicht dieser Gruppe !!). Diese Gruppe stellt die Früchte der Arbeit der ersten Gruppe seit der Kolonialzeit dar. Diese ist eine große Stütze für sie, um Ihre Ziele zu erreichen. Die dritte Gruppe besteht aus unentschlosse Menschen, die zwischen der Tradition und Moderne (?) leben. Sie wollen alles haben, aber das ist sehr schwer. Die vierte Gruppe ist eine Gruppe von gebildeten Marokkaner, die sich auf ihre Kultur und Religion zurückbesinnen. Sie wollen Marokko wieder dorthin bringen wo es hingehört. Sie wollen Marokko aus dem Chaos herausholen.
Die Gruppen 1 und 2 versuchen mit allen Mitteln die Mitglieder der Gruppe 3 und den 50% Analphabeten zu sich zu holen und als Gegenspieler ist die Gruppe 4.
Und wenn jemand richtig hinschaut, dann wird er sehen, dass diese Gruppe in der letzten Zeit große Erfolge erzielt hat. Die letzten Wahlen sind auch ein guter Beweis dafür.
Damit möchte ich nur sagen, dass wir alle Recht haben. Es gibt nicht nur ein Marokko, sondern mehrere Marokkos und jeder will nur das Marokko sehen, das ihm passt und für das er steht.

jmxx
". wahlen sind aber kein unwichtiges ereignis für ein land und, dass man im gegensatz zu anderen themen einige tage wartet, ..."

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Ich persönlich war zu dieser Zeit nicht da. Die Wahlen müssen jeden Marokkaner interessieren, ob er in Marokko oder woanders lebt, auch diejenigen, die hier geboren und aufgewachsen sind. Das ist sehr wichtig für die Zukunft Marokkos.

jmxx
um welches vermittelte bild von marokko geht es in deutschland und diesem forum eigentlich? spricht man dem austausch hier eine representativität zu, müßte man von einer tief religösen und frommen marokkanischen gesellschaft ausgehen, in der die männer sich um das erlernen des koran und seiner interpretation wie tibetanische mönche bemühen und frauen an ihrem kopftuch und an korandogmen festkalmmern, und die in sich gravierende ethnische konflikte trägt, wobei eine arabische mehrheit eine mazighische unterdrückt.

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Ich finde das zu übetrieben ausgedrückt und hat auch keinen Platz mehr in Marokko.
Die heutigen marokkanischen Moslems sind selbstbewußte und gebildete Moslems, die keinen Fqih mehr brauchen, der ihnen in der Moschee den Koran beibringt. Sie sind mäßig, sind friedlich und gegen jede Art von Gewalt und sind nur dafür, dass Marokko zu seinen Wurzeln zurückkehren sollte, aber gleichzeitig mit der Moderne und Wissenschaft Hand in Hand gehen. Die eigene Kultur zu pflegen heisst nicht, dass man zum Mittelalter zurückkehren soll, was einige Gegner immer wieder behaupten. Das ist Blödsinn. Ich pflege meine Religion und Tradition, arbeite mit dem Computer und schreibe Software, die in deutschen Firmen eingesetzt wird. Ich bin für Demokratie und Menschenrechte und bin gegen Tyrannei und Heuschelei. Wenn die Moderne aber mit nackten Frauen, heiraten von Schwulen usw zu tun hat, dann bin ich stolz darauf primitiv zu sein.

jmxx
das interesse an dem land und seiner gesellschaft leitet sich jedoch und paradoxerweise von seiner vielbeteuerten vielfal; das land der kontraste und widersprüche ist hier zwischen der islmaischen und amazighischen frage gehaftet.

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Mag sein, dass das für ein Tourist sehr interessant und wertvoll erscheint, aber diese Kontraste und Widersprüche müssen weg, da sie die marokkanische Gesellschaft schaden. Wir müssen einen gemeinsamen Nenner finden und das Kann nur die eigene Kultur und Religion sein. Wir wollen nicht, dass ein Teil der Marokkaner wieder Chinesen werden, wenn die Chimesen es in der nächsten Zukunft schaffen die Welt zu führen. Wir wollen nur Araber-Berber-Moslems sein mit all was dazu gehört, aber auch in der Praxis.

jmxx
die hier lebenden marokkaner kommen zu veilleicht 90% aus dem rif, einer der konservativsten und frömmesten gegenden marokkos überhaupt.

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Nun bist du selber ein Zeuge. Das ist immerhin schon ein Beweis dafür, dass nicht alle Marokkaner westlich orientiert sind, sondern, dass es Menschen gibt, für die die eigene Kultur noch was gilt. Und ich sage dir geh mal nach Süd Marokko und du wirst das gleiche feststellen. In den Städten ist sowas schwer zu erkennen, aber es gibt es auch, auch wenn etwas versteckt und das nimmt ständig zu.

jmxx
..auch ein teil dieser marokkaner kehrt irgendwan nach der ernüchterung zu "den wutzeln" zurück und fängt an, die religion und die eigenen traditionen und werte in den mittelpunkt zu rücken..

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Du sagst es.
Weil sie die Bühne verlassen haben und das Theaterstück (Drama !!) mitangeschaut haben. Vorher waren sie auch nur Schauspieler, die vom Regisseur nach Lust und Laune dirigiert werden.

jmxx
"..dem anderen teil begegnet man weiterhin in kneipen und auf feten wie marhaba in köln usw. allen diesen gruppen marokanischer jugendlicher und studenten ist es gemeinsam, dass sie sich in der regel die deutschen sichtweise und sprachduktus aneignen. fragt man einen marokaner beispielsweise, was er in deutschland gut findet, antwortet er gleich wie ein deutscher "das grundgesetz"!

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Du hast Recht, die Frage ist nur wie lange ? Und der Nachschub aus Marokko sorgt dafür, dass man denkt das sind immer die gleichen. Das stimmt aber in den meisten Fällen nicht.
Demokratie, Menschenrechte, Grundgesetz usw. Es gibt kein Ausländer, der das nicht schätzt, da es so etwas zu hause nicht gibt. Und was sollten sie, deiner Meinung nach, sonst antworten ?
Die Pappageien bei uns hören nicht damit auf, diese Begriffe zu wiederholen, dass es einem schlecht wird, aber die Realität sieht ganz anders aus.

jmxx
teil dieser sichtweise ist ohne zweifel ein gewisser gründlicher und möglichst nicht heuchlerischer umgang mit der eigenen religion. es ist es was u.a. erklärt, dass die ausübung der islamischen religion unter in deutschland lebenden marokkanern viel gründlicher sei als die der marokkaner in ihrer heimat. überhautp ist das stärkere festhalten an die traditionen und religionen der väter bekannt und auch bei anderen gruppen von ausländern wie bei türken schon beobachtet und gemessen.

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Gott sei dank und in Marokko wird es auch nicht anders sein, wenn die Bildung voranschreitet und die Menschen langsam diese Religion begreifen und aus Überzeugung ausüben und nicht nur aus Tradition. Nur aus solchen Gründen haben die Zuständigen in Marokko Jahrelang dafür gesorgt, dass die Marokkaner Analphabeten bleiben. Hier in Deutschland kann, Gott sei dank, jeder an die Bildung teilnehmen.

jmxx
....für die deutschen ist marokko ein orientalisches, islamisches land und teil einer arabisch-islmischen welt. nicht mehr und nicht weinger. was anders würde nur zur verwirrung und verkomplizierung beitragen. hin und wieder stolpert man auch auf die eine oder andere bekanntmachung oder veröffentlichung des orient-instituts in hamburg, was das orientalische bild abrundet und "wissenschaftlich" einbettet.

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Die deutschen sehen richtig. Was sind wir denn deiner Meinung nach ? Die Deutschen verstehen es nun besser als wir, dass eine 1400-Jährige Geschichte und Identität nicht von heute auf Morgen einfach so ignoriert werden kann, egal wie wissenschaftlich man das angeht. Die verwestlichungsbemühungen, die jetzt schon über 100 Jahre gedauert haben und immer noch andauern, haben zwar eine andere Sorte von Früchten gebracht, aber Die Wurzeln des Baumes sind immer noch die gleichen. Wenn einmal die Spritzen und die Dünger ausbleiben, dann wird der Baum wieder die natürlichen Originalfrüchte bringen. Die Türkei ist noch ein besserer Beispiel als Marokko.

Muss jetzt leider aufhören. Der Rest kommt vielleicht noch.

Aber zu jocim noch kurz:
Es gibt nicht nur diese Marokkaner, die du in Kneipen und Diskotheken triffst. In diesem Land gibt es auch eine andere Sorte von Marokkaner, aber die wirst du wahrscheinlich nie kennenlernen, da sie in solchen Orten nicht zu finden sind.

Schönen Abend noch
Essarghini