ach jamil! die vielfalt und der reichtum an facetten marokkos spiegelt sich schon allein an den vielen beiträgen dieses forums. das "archiv" ist inzwischen zu einer marokkanischen enzyklopädie geworden. ich denke, für alle, die hier lesen oder schreiben, gibt es nicht das *eine* marokko.

festzustellen ist, dass die marokkanischen mitbürger in deutschland nicht so sichtbar sind, wie die türkischen. ich denke, das liegt allein an der zahlenmässigen überlegenheit der türken in deutschland. es ist also ein rein quantitatives problem.

interessant sind deine bemerkungen für mich (*für mich*!), weil du von zwei bewegungen von marokko nach deutschland schreibst.

die erste war die der "gastarbeiter" aus dem norden marokkos, vielleicht vergleichbar mit den türkischen gastarbeitern der ersten generation aus anatolien. diese "gesellschaft", wenig informiert, nicht gut ausgebildet, verhält sich traditionell und konform ihrer werte. das ist völlig selbstverständlich! die erste genaeration der türkischen und auch marokkanischen gastarbeiter *musste" konservativ sein.

die zweite bewegung ist die der im heimatland gut ausgebildeten marokkaner, die nach europa kommen, um hier zu studieren. in der regel werden sie nach abschluss ihrer studien in ihr heimatland zurückkehren.

an dieser stelle ist ein vbergleich oder eine parallelität zur türkei nicht mehr möglich. die besser ausgebildeten türken studieren inzwischen in istanbul oder ankara, wo der standard europäisch ist.

die türkei ist eben auch kein "schwellenland", wie es marokko ist. das studium junger marokkaner in europa fällt immer noch in den weiten begriff der "entwicklungshilfe". ein begriff, der sich für die türkei, so wie es sich heute darstellt, verbietet.

die grosse zahl junger marokkaner, die in europa studieren, finden ihre identität nicht mehr unbedingt in familie und religion. sie sind so ausgebildet, dass sie ihre identität "individuell" entwickeln können. der konservativismus ihrer familien greift nicht mehr in dem masse, wie es noch eine generation zuvor der fall war.

ich sehe auch in der jungen marokkanischen generation überhaupt keinen hang zu frömmelei oder fanatismus, was ihren glauben betrifft. sie bewegen sich eher säkular in ihrer gesellschaft. "muslim" zu sein ist für sie eine selbstverständlichkeit, ohne eifer oder glaubensbetonung.

in diesem sinne bewegen sie sich parallel zu ihren westlichen altersgenossen, für die religion keine besondere bedeutung hat.

religion wird erst dann wieder zum konfliktpunkt, wenn es um heirat, kinder, also im weistesten sinne - um famile geht.

jemand, der sich schlichtweg um seine religion wenig kümmert, wird im fall der eheschliessung sehr rasch in konventionelle rollenbilder zurückfallen. er hat sich eben kaum mit der ethik und erwartung seiner religion auseinandergesetzt.

dann hat eben alles so zu sein, wie es immer war. das ist aber eine reine bequemlichkeit!

ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass der islam für die allermeisten studenten aus nordafrika, die in europa studieren, nur ein lippenbekenntnis ist.

Jocim