Ich habe die Beiträge überflogen und nicht Wort für Wort studiert. Hier ist an einigen Stellen die Meinung der Frauen, insbesondere der marokkanischen, die ja Diskussionsgegenstand sind, gefordert. Nun ich möchte hier entgegen der Forderung jmxx" doch auch die religiöse und nicht die nationale Seite in den Vordergrund rücken. Schließlich ist Marokko ein islamisches Land und es geht hier immerhin um die muslimische marokkanische Frau. Außerdem ist für mich persönlich (und ich erhebe nicht den Anspruch repräsentativ zu sein!) die Stellung der Frau im Islam ausschlaggebend für die Frage der sogenannten Emanzipation. Von Feminismus will ich nicht sprechen, da dies für mich ein verhaßter Begriff ist, obwohl mir sowohl Landsleute wie Muslime als auch Deutsche nachsagen wollten, ich sei in vielen meiner Ansichten bezüglich Frauenfragen eine Feministin.
Als überzeugte Muslima mit Zugehörigkeitsgefühlen zu Marokko und Deutschland gleichermaßen wünsche ich mir oft, daß Frauen die Achtung und die Rücksicht erhielten, die der Islam ihnen entgegenbringt. Vielen mag jetzt in den Sinn kommen, daß sie vom Islam als frauenfeindliche und Frauen unterdrückende Religion gehört hätten. Nun ich kenne keine Religion (und ich rede von Religionen, nicht von säkularen Systemen, die nahezu überall auf der Welt herrschen), die der Frau in so hohem Maße Rechte zubilligt.
Insbesondere wünsche ich mir natürlich, daß in Marokko der Frau zunächst einmal alle Rechte zugestanden werden, die ihr der Islam einräumt. Und das ist nicht wenig, zumal es sich hier u.a. um Rechte handelt, die auch in einer säkularen Gesellschaft oder einer Gesellschaft der sog. Ersten Welt nicht selbstverständlich sind. Und es sind u.a. auch Rechte, die in den ärmeren Ländern mit Füßen getreten werden, da besonders dort die Rechte der Frau als Mensch mit Füßen getreten werden.
Die fundamentalsten Rechte der Frau im Islam, die mich als Muslima immer noch faszinieren, weil sie eben nicht so selbstverständlich sind wie wir manchmal gerne hätten, v.a. aber weil es Rechte sind, die eine Religion nun schon seit nahezu 15 Jahrhunderten festgelegt hat, während einige dieser Rechte in heutigen säkularisierten Gesellschaften erst seit höchstens einigen Jahrzehnten als Rechte anerkannt sind, seien hier kurz zusammengefaßt:
Allen voran gilt, daß Frau und Mann im Islam geistig, seelisch, intellektuell vor Gott gleichgestellt sind.
Die Frau hat im Islam das Recht auf
-Bildung und Lehre
-Wahl und Mitbestimmung
-persönliches Eigentum und unabhängige Führung der eigenen Güter in der Ehe
-freie Entscheidung bei der Wahl des Ehepartners
-Weiterführung des eigenen Namens in der Ehe
-Versorgung und Unterhalt durch den Ehemann
-Recht auf Still- und Erziehungsgeld (wenn es in der Praxis auch kaum vorkommt)
-Scheidung
-Alimente im Fall der Scheidung
-Erbe
-Geburtenkontrolle
-Abtreibung (im Falle gesundheitlicher Gefährdung)
-ein erfülltes Sexualleben in der Ehe

Dies sind die wichtigsten Rechte der Frau im Islam und für mich als muslimische Frau die wesentlichsten Rechte, die der Frau ein würdevolles und wertvolles Leben garantieren.
Sicherlich müßte jedes dieser Rechte noch im einzelnen diskutiert werden hinsichtlich seiner Anwendung, seiner Aktualität, seiner Übertragbarkeit auf säkulare Gesellschaften wie z.B. Deutschland. Wichtiger finde ich aber die Anwendung dieser Rechte in der marokkanischen Gesellschaft, wo viele der Probleme der Frauen durch die Anerkennung dieser Rechte nachhaltig gelöst werden könnten. Ich denke da an freie Wahl des Ehepartners; an das Recht auf Bildung; das Recht auf die Ausübung eines Berufes; das Recht auf Scheidung, wenn Männer die Frauen schikanieren, indem sie ihnen die Scheidung verweigern; an den Erbanteil, der der Frau zusteht, um den sie aber oft betrogen wird; an das Verfügungsrecht über Eigentum der Frau, worauf der Mann keinerlei Anspruch hat. Viele der Rechte, die der Islam der Frau zubilligt, scheinen den marokkanischen/muslimischen Männern geradezu gänzlich unbekannt zu sein.
Da ich in Deutschland sozialisiert bin und lebe, müßte ich mir die Frage stellen, ob die Ansichten des Islams über die Frau nicht den Ansichten der säkularisierten deutschen Gesellschaft über die Frau widersprechen. Nun, natürlich tun sie dies in weiten Teilen. Aber wichtiger ist doch die Frage: Sind für mich persönlich alle Ansichten über die „westliche emanzipierte Frau“ von Bedeutung? Darauf ein eindeutiges NEIN ! Ich schätze viele Erfolge der Frauenbewegung und des Rechtsstaats Deutschland hinsichtlich der Stellung der Frau in der Gesellschaft, nehme für mich jedoch jene Rechte in Anspruch, die meiner islamischen Grundüberzeugung nicht widersprechen und mich gleichzeitig in meinem Bestreben nach Beruf, Erfolg, Zufriedenheit, einem lebenswerten Leben etc. vorantreiben. Umgekehrt sehe ich in der Inanspruchnahme meiner islamischen Rechte keinerlei Widerspruch zu der mir in dieser Gesellschaft auferlegten Gesetzestreue.
Vielmehr hilft mir meine religiöse Grundüberzeugung über die Stellung der Frau viele überkommene Traditionen meines Herkunftslandes über Bord zu werfen und erleichtert mich, wenn ich z.B. die Diskussionen über Geburtenkontrolle und Abtreibung in westl. Ländern (insbesondere katholisch dominierten) verfolge.

In diesem Sinne, jederfrau und jedermann die Portion Emanzipation und Gleichstellung, die ihr/ihm beliebt.