http://www.n-tv.de/3009245.html

"Israel und die UN: Ein Makel bleibt

Die Rhetorik aus Jerusalem ist schärfer geworden: Von Doppelzüngigkeit und Betrug ist die Rede sowie von einem Feind Israels, der die Weltöffentlichkeit gegen den jüdischen Staat aufbringen wolle. Gemeint sind aber nicht die Palästinenser um Jassir Arafat, sondern die Vereinten Nationen. Das Tauziehen um die nunmehr gescheiterte UN-Mission für das Flüchtlingslager Dschenin hat die Beziehungen zwischen Israel und der Weltorganisation auf einen Tiefpunkt gebracht.

Israel entwickelt offenbar angesichts dieser Konfrontation mehr und mehr eine Art Lagermentalität. Das Land fühlt sich missverstanden von einer Weltöffentlichkeit, die die harten Realitäten des Überlebenskampfes in einer feindlichen Umgebung nicht nachvollziehen kann. Dabei stört es Israel ganz besonders, dass es den Palästinensern offensichtlich gelungen ist, die Vorgänge in Dschenin propagandistisch zu ihren Gunsten auszunutzen.

So habe in allen Berichten nur das Leid der Bevölkerung im Mittelpunkt gestanden, kritisiert die Regierung in Jerusalem. Die Notwendigkeit, Terroristen auszuschalten, sei dagegen weitgehend ignoriert worden. Und die Vereinten Nationen hätten sich dieser einseitigen Sichtweise voll angeschlossen. Besonderen Ärger erregte der UN-Gesandte Terje Roed-Larsen mit seiner Bemerkung, die Zerstörungen in Dschenin überstiegen in ihrem schrecklichen Ausmaß jegliche Vorstellungskraft und könnten mit keinem militärischen Zweck gerechtfertigt werden.

"Von den Vereinten Nationen ist nichts Gutes zu erwarten, sie sind eine anti-israelische Organisation", meinte Gideon Meir vom israelischen Außenministerium. Der altgediente Diplomat Mark Sofer warf den UN vor, die Prinzipien von Ursache und Wirkung zu ignorieren: "Wir sind nicht eines Morgens aufgewacht und plötzlich auf die Idee gekommen, in das Lager einzumarschieren. Es gab dort eine Hochburg, eine militärische Kommandozentrale palästinensischer Terroristen."

Massaker bislang nicht nachgewiesen

Dass bei der israelischen Militäroffensive auch Zivilpersonen in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist nach israelischer Darstellung einzig und allein die Schuld der militanten Palästinenser, die unter der Zivilbevölkerung Deckung suchten. Die Vorwürfe von Palästinensern, die israelische Armee habe ein Massaker an mehreren hundert Bewohnern verübt, konnten bislang jedenfalls nicht belegt werden.

Nach der Einstellung der Untersuchungsmission der Vereinten Nationen ist es nun noch fraglicher geworden, ob die Vorgänge jemals geklärt werden. Damit werden sich vor allem auf palästinensischer Seite viele Mythen halten - etwa über den heldenhaften Kampf der Lagerbewohner gegen eine brutale Besatzungsmacht, die sie erbarmungslos niedermetzelte. Israel indessen wird den Makel so schnell nicht loswerden, es habe mit seiner Blockade der UN-Kommission die wahren Begebenheiten vertuschen wollen.

(Von AP-Korrespondentin Laura King)"