Aziz,
ich will mal nicht so sein und das Thema versuchen anzuschieben!
Wann schickst Du die Literaturliste?
Wann erscheinst Du im KREATIVHAUS? Oder schickst Du wieder Späher vor?
LACH DOCH MAL!!!
Gruss:
Peter.


'Berliner Ztg:'
Datum: 22.06.1998
Ressort: Feuilleton
Autor: Jörg Schönbohm



Die letzte Utopie der Linken wird auch scheitern
Die multikulturelle Utopie Fortsetzung von Seite 9

-----Mit der Aufgabe der Leitkultur, auf deren Entwicklungen und historischen Erfahrungen unsere heutige Verfassung beruht, würde notwendig eine Relativierung der Wertbestände verbunden sein. Eine "multikulturelle Gesellschaft" würde eine Werte-Beliebigkeit mit ungeahnten Risiken nach sich ziehen. Die deutsche Linke suggeriert, daß eine großzügige Zuwanderung von Ausländern ohne eine massive politische Veränderung unseres Gemeinwesens denkbar wäre. Ein ungezügelter Migrationszustrom führt zur Nichtintegration und der Entwicklung von Parallelgesellschaften: Die verbindenden Wertbestände lösten sich auf und verlagerten sich an den Rand der Gesellschaft. Es ist naiv und politisch fahrlässig, sich eine "multikulturelle Gesellschaft" ohne die Gefahr tiefgreifender Verwerfungen zu denken.

Das Vorhandensein eines Konsenses über die Leitkultur ist eine Voraussetzung für den inneren Frieden in Deutschland; dies besonders vor dem Hintergrund der auf Europa und besonders Deutschland lastenden Migrationswanderungen. Dabei gilt es auch zu bedenken, daß mit der Entstehung der politischen Union in Europa für alle Mitgliedsstaaten verbindlich geltende Regelungen im Bereich des Ausländerrechts geschaffen werden sollten. Ein deutscher Sonderweg wie immer wieder gefordert wäre die falsche Antwort auf die europäische Einigung.

Es gibt eine kritische Größe der Zuwanderung, deren Grenze schwankt, weil sie von sozialen und wirtschaftlichen Umständen abhängt. Dies zeigt sich gerade in Metropolen wie Berlin, in denen ein unkontrollierter Zuzug von Ausländern, zumal wenn Sprachkenntnisse fehlen, zu Ghettobildungen führen. Eine erfolgreiche Integrationspolitik ist daher ohne den Einsatz von verfassungsrechtlich und gesetzlich legitimierten Steuerungselementen nicht denkbar.

Der Weg der Verantwortung kann nur heißen: kulturelle Vielfalt auf der Basis des Grundgesetzes, das heißt Kulturpluralismus statt Multikulturalismus, Wertbestimmtheit statt Wertrelativismus. Kultureller Pluralismus beinhaltet die Chance der offenen Gesellschaft, die Freisetzung aller unterschiedlichen kulturellen Kräfte kreativ auf das Gemeinwohl bezogen zu nutzen. Dies gelingt dann, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen, trotz aller legitimen Differenzen und Konflikte, ein gemeinsam tragendes politisches Ethos ausgebildet haben. Die Internationalität der deutschen Hauptstadt muß auf diesem Fundament ruhen.

Weder die Assimilierung ausländischer Mitbürger noch die Förderung von Parallelgesellschaften innerhalb der deutschen Kultur können das Ziel sein, sondern einzig Integration in unsere politische Kultur. Keine funktionierende Gesellschaft, auch nicht die deutsche, kommt dabei ohne die prägende Kraft seiner Leitkultur aus.