Interessanter Kommentar zum Thema:

"04.09.2004:
Kommentar: Es fehlen die Instrumente
Nur auf Grundlage der eigenen Begrifflichkeit können Muslime sich sinnvoll vom Terrorismus "distanzieren". Von Sulaiman Wilms, Berlin

Der Übergang zwischen August und September - eine Art negativer „Islam-Woche“ - hatte in ihrer Häufung dramatischer und erschütternder Ereignisse - Terror in Russland, Entführungen im Irak und neue Selbstmordattentate in Israel - nicht nur eine bestimmende Wirkung auf die internationale Welt, sondern auch Einfluss auf die Debatte um den Islam in Deutschland. Neben getragenen Kommentaren und den zu erwartenden Stellungnahmen der diversen Experten, kristallierte sich auch, wie zu erwarten war, die ritualisierte Forderung an die hier lebenden Muslime, sie mögen sich doch „distanzieren“ und gegen den Terror Stellung beziehen.

Das Spektrum dieser Forderungen reichte von der verständlichen Hoffnung auf Solidarität mit den Opfern von Terror bis hin zu dem durchschaubaren Versuch, sämtliche Muslime haftbar zu machen und den Islam unisono zu diskreditieren.

Natürlich reicht in diesem Fall der - einfache - Verweis auf die vermeintlichen oder wirklichen „Missetaten“ der eingebildeten Gegenseite keinesfalls aus. Die Forderung nach Distanzierung, nicht nur einmal gestellt, läuft mittlerweile nach einem eingespielten Schema ab: Irgendwo ereignet sich ein dramatischer Akt des Terrors, worauf die muslimischen Verbände voll moralischer Rechtfertigung aufgefordert werden, sich doch zu "distanzieren". Dabei wird sehr gerne vergessen, dass die Forderung an Muslime, sich von grauenhaften Ereignissen inhaltlich zu distanzieren, auch an die ihnen mögliche Öffentlichkeit gebunden ist.

Hier tritt nun die Paradoxie des Verhältnisses zwischen medialer Öffentlichkeit und den hier lebenden Muslimen vollends zu Tage. Wer sinnvolle und eine deutliche Ablehnung des Terrors will, die nicht nur moralischer und rhetorischer Natur ist, sondern sich auf islamisch rechtliche bindende Substanz gründet, also unabhängig von politischer Verortung ist, der muss Muslimen einen herrschaftsfreien Diskurs bieten. Vor allem muss es möglich sein, eine islamische begründete Begrifflichkeit zu benutzen.

Denn nur auf Grundlage eines authentischen Verständnisses islamischer Offenbarung kann eine eigene, den Terror ablehnende Position begründet werden. Aber solange jede eigentlich islamische Position aus dem öffentlichen Raum verbannt, kann auch keine wirkliche „Distanzierung“ gelingen und es bleiben „Lippenbekenntnisse“.

Wenn es Muslimen möglich ist, verdachtsfrei auf qur'anischer Basis zu argumentieren, können diese deutlich machen, dass die erschreckenden Ereignisse im Kern nichts mit der muslimischen Lebensweise zu tun haben und auch die absolute Mehrheit der hier lebenden Muslime nicht repräsentieren."

Quelle: "Islamische Zeitung" vom 04.09.04