Salam Souliman,

ich finde es schade, daß du so denkst. Vielleicht liegt die Abneigung gegen etwas manchmal auch an der Erziehung. Keine Ahnung. Ich wurde eher nicht streng erzogen. Natürlich definiert jeder das Wort streng anders. Meine Eltern haben mich oder meine Geschwister nie zum Beten oder Fasten oder sonstwas gezwungen. Ich hatte das Beten früher immer wieder von mir aus angefangen und unterbrochen bis ich mich genauer mit dem Islam beschäftigt habe und dann erst den Sinn von allem verstand. Meine Eltern waren eher so, daß sie uns vorgelebt haben und uns aber dennoch nie gezwungen haben etwas zu tun. Zum Beispiel hatte unser Vater uns als Kinder immer mit in die Moschee genommen. Dort konnten wir spielen oder beten. Hauptsache wir hatten unseren Spaß und es gefiel uns dort. Natürlich gibt es Dinge, die nicht mehr nur eine religiöse Plicht darstellen, sondern auch schon eine Tradition, wie z.B. kein Schweinefleisch, kein Alkohol und andere Tabu-Dinge, die in der marokkanischen Gesellschaft fest integriert sind. Man hält sich einfach daran, weil es Verbote sind, die schon gar keine mehr sind, sondern einfach normal, da man da rein geboren wurde.

Irgendwann sucht man aber doch nach dem Sinn und Zweck des Lebens und dann kommt die Religion ins Spiel. Du sagtest in einem anderen Thread, daß du keine Ahnung davon hast, was im Koran steht. Weshalb glaubst du aber dann, daß du nicht glaubst, daß das was im Koran steht wahr ist? Oder du dein Leben nach etwas richten möchtest, das du nicht kennst? Wie kann man überhaupt etwas beurteilen, daß man noch nicht kennt? Bitte versteh mich nicht falsch. Das sind Fragen, dich ich mir auch stellte. Ich wußte auch lange Zeit nicht, was im Koran stand und meinte ich müßte beurteilen, was ich nicht kannte. Es war eher so, daß die Vorurteile gegenüber meiner Religion und uns Muslimen von Nicht-Muslimen (selbst ich hatte Vorurteile gegenüber Muslimen, die meiner Meinung nach zu streng waren) mich dazu bewogen haben mich zu informieren und mir die Augen zu öffnen. Vorher war der Islam für mich nur das was ich von meiner Familie kannte und anderen Muslimen. Wenn die Muslime, die man kennt, einem einen negativen Eindruck geben, dann führt man das automatisch auf ihre Einstellung zurück und damit auf den Islam, falls sie religiös sind. Man versteht nicht, was dahinter steckt, wenn manche für die eigenen Begriffe penibel sich an religiöse Vorschriften hält, bis man sich selbst informiert. Aber letztendlich tut man sich und anderen Unrecht, wenn man nicht nach Wissen strebt und trotzdem urteilt, über etwas worüber man kein Wissen besitzt oder nur vom Hören-Sagen bzw. aus Dritter Hand.

Ich dachte es reicht einfach nur ein guter Mensch zu sein, egal ob oder ohne Beten. Irgendwann dachte ich mir, daß kann nicht sein, daß ich undankbar gegenüber Gott bleibe und einfach nur mein Leben genieße ohne Allah dafür zu danken. Vor allem wenn ich nach Marokko ging und viele arme Menschen sah wurde mir bewußt, daß ich undankbar war.

Jedenfalls begann ich irgendwann nicht mehr nur die kleinen Suren im Koran zu lesen, sondern auch den Rest. Und ich war absolut geschockt darüber was darin stand. Es hat mich zum Heulen gebracht. Noch nie hat mich irgendwas zum Heulen gebracht, das ich las, egal wie dramatisch das Buch auch war. Aber dieses Buch brachte mich zum Heulen, weil es so war daß ich die Botschaft von Jemanden las, der mich durchschaut und alles über mich und allem auf diese Welt weiß. Das konnte kein Prophet erfinden. Kein Mensch konnte vor 1400 Jahren wissen, wie z.B. ein Samentropfen sich im Mutterleib zu einem Embryo entwickelte oder was mit den vorangegangenen Völkern geschah oder daß die Erde rund war und vieles was erst in der heutigen Wissenschaft erkannt wurde und immer noch geforscht wird. Das alles hat mich absolut überzeugt, daß es keinen Zweifel gibt, daß die Botschaft im Koran von Gott kommen muß und daß es auch das Evangelium und die Thora gegeben hat (was ich früher nicht glaubte, da ich "gehört" hatte, daß nur der Koran von Gott herabgesandt wurde).

Naja du wolltest ja eigentlich Statements von Leuten hören, die sich gegen die Religion entschieden haben. Aber meiner Meinung nach kann man sich erst entscheiden, wenn man weiß wofür oder wogegen man sich entscheidet.

In diesem Sinne, möge Allah SWT dir die Möglichkeit geben, die richtige Entscheidung zu treffen insha'Allah.