@engelbert:

auf der von dir genannten seite stand auch dieser artikel:

Das war 1976 - und angesichts der haarsträubenden Fakten des Senatsberichts erließ der amtierende Präsident Ford sogleich ein offizielles Verbot solcher Auftragsmorde ( Lizenz zum Töten). Das bedeutete jedoch nicht, dass danach - in Nicaragua, Grenada, El Salvador, Panama, Irak, Afghanistan - alles mit rechten Dingen zuging. Die Liste macht aber deutlich, wie die chronische Paranoia als Grundhaltung eines Staats dazu führt, sich selbst von kleinen Bananenrepubliken verfolgt zu fühlen und diese "Bedrohung" notfalls mit Gewalt und Terror auszuschalten. Wer allüberall eine geheime Verschwörung von "Feinden" wittert - "Linke", "Liberale", "Kommunisten", "Terroristen" -, dem bleibt nichts anderes, als ebenso geheim und konspirativ zurückzuschlagen. Dieser Hang zu Bekämpfung wirklicher oder eingebildeter Verschwörungen führt nun aber nicht zur Eindämmung konspirativen Verhaltens, sondern produziert und fördert es geradezu - und nirgends scheint die paradoxe Spirale von Misstrauen, Paranoia, Konspiration und Terror besser zu beobachten als derzeit in Palästina.
Würde man einen Außerirdischen als objektiven Schiedsrichter dieses Konflikts heranziehen, könnte er schon mit wenigen Blicken auf die Landkarten feststellen, wem hier die Rolle des Angreifers und des Verteidigers zukommt. Auch das angeblich "großzügige Angebot" von Israels Präsident Barak vom Dezember 2000 erwiese sich bei einemBlick auf die Karten als klassische Mogelpackung, um den historischen Kompromiss des Oslo-Vertrags von 1993 , bei dem die PLO schon auf 78% von Palästina verzichtete, weiter zu unterminieren. Der Rückzug auf die Grenzen von 1967, so stellte Ministerpräsident Scharon beim arabischen Gipfel in Beirut noch einmal unmissverständlich fest, bedeute "die Zerstörung des Staates Israel".
Mit dieser Parole von der drohenden Zerstörung hat Israel, wie die Karten zeigen, sich seit seiner Gründung 1947/48 massiv ausgebreitet. Umgeben von Feinden ringsum, die allen Grund zur Paranoia gaben, schien dem jungen Staat nichts anderes zu bleiben, als sich durch Angriffe und Eroberungsfeldzüge zu verteidigen. Und er setzte dabei vor allem auf jene Mittel, mit denen schon die Pioniere und Staatsgründer gegen britische Besatzer und palästinensische "Ureinwohner" erfolgreich waren: Gewalt und Terror. Die berüchtigte "Stern"-Bande und ähnliche Terrorgruppen, aus denen viele später ehrenwerte Präsidenten und Minister hervorgingen, legten den Grundstein für die Expansionspolitik, wie sie Israel bis zum heutigen Tag betreibt. Mit so großem Erfolg und Rückhalt in der Bevölkerung, dass Scharon im Windschatten des "war on terror" nun einen erneuten Eroberungsfeldzug starten konnte - um alsbald jeden Rückzug wieder als drohende "Zerstörung des Staats Israel" hinzustellen.
Mit dieser seit über einem halben Jahrhundert erfolgreichen Taktik wird Scharon genauso wenig brechen können wie sein Gegenüber Arafat - beide haben eine Sozialisation von Paranoia, Konspiration und Terror genossen, beide sind gewohnt, über Leichen zu gehen und so als gewalttätige Verschwörer und propagandistische Verschwörungstheoretiker an die Spitze ihrer jeweiligen Staaten gekommen. Ein Bombenerfolg: Nie war Israel so groß wie heute - und nie fand Palästina eine größere Anerkennung in allen Teilen der Welt als heute (der deutsche PLO-Vertreter Frangi, früher eher eine linke Un-Person, erhält mittlerweile selbst auf CDU-Parteiversammlungen rhythmische Beifallsovationen).
Spätestens die groteske Demütigung und Isolierung Arafats - bei gleichzeitigem Verlangen, doch gefälligst gegen den Terror vorzugehen - zeigt, welches "Spion jagt Spion"- bzw. "Terrorist jagt Terrorist"-Spiel diese beiden alten Männer hier spielen. Wenn die Aussage Kissingers zutrifft - "Wer in Washington nicht paranoid ist, spinnt" - müsste sie auf Palästina bezogen lauten: "Wer in Jerusalem nicht konspirativ und terroristisch agiert, ist lebensmüde." Für Scharon und Arafat, die überlebt haben, bedeutet das: "Wer von zwei chronisch misstrauischen und gewalttätigen Erzterroristen Frieden erwartet, muss schon an Wunder glauben."
Dass David nur mit List und Tücke gegen Goliath bestehen kann, weiß niemand besser als Israel, das mit der viergrößten Armee der Welt aber längst zu einem militärischen Riesen geworden ist. Die "Kill-Ratio" lag schon vor den neuen Besetzungen bei 3:1, d.h. auf jedes von Selbstmordbombern getötetes israelische Opfer kommen mindestens drei palästinensische Tote, bei den Verletzten ist das Verhältnis noch sehr viel ungleicher. Der Staats-Terror Israels produziert also weitaus mehr Opfer als Guerilla-Terror der Palästinenser, wobei es Israel aber bis dato gelungen ist, sich medienmäßig als kleinen, verfolgten David und die Bombenattentäter der Gegenseite als weltbedrohendes Monster zu präsentieren.
Das hat auch einer der hellsten Köpfe der neuen Weltordner, Zbigniev Brzezinski, deutlich erkannt und Anfang April in einer Diskussion mit seinem alten Widerpart Henry Kissinger - verschwörologisch also Rockefeller-Mob vs. Rothschild-Clan - deutliche Worte gefunden.

"Tatsache ist, dass dreimal soviel Palästinenser umgebracht wurden und relativ wenige waren wirklich Militante. Die meisten waren Zivilisten. Einige Hundert waren Kinder. Im Lauf des letzten Jahres hatten wir palästinensischen Terrorismus, aber wir hatten auch vorsätzliche Überreaktionen von Herrn Scharon, die nicht dazu dienten, den Terror zu unterdrücken, sondern die palästinensische Verwaltung zu destabilisieren, um das Oslo-Abkommen auszumerzen, das er stets auf eine Weise denunziert hat, die zu dem Klima beitrug, in dem danneiner der zwei Architekten des Oslo-Vertrags ermordet wurde."

Nach dem zu erwartendem Einspruch von Kissinger, der diese Einschätzung seines "Freundes Zbig" nun gar nicht teilt - er plädiert ohnehin schon seit längerem für ein Ausweitung des US-Kriegs nach Irak und da scheint die Fortsetzung von Scharons Eroberungsfeldzug durchaus passend, weil sie die arabische Welt zur Weißglut bringt - fuhr Brzezinski noch schärfer fort:

"Es ist absoluter Schwachsinn zu behaupten, dass Arafat den Terror stoppen kann, und der Präsident ist - milde gesagt - 'schlecht informiert' wenn er dies unterstützt. Dieser Mann ist isoliert. Und Scharon versucht, die Palästinenser zu unterdrücken, der Terrorismus wird nicht gestoppt. Wie kann man das von Arafat erwarten? Doch Tatsache ist, dass seine Möglichkeit, die Lage kontrollieren zu können, erheblich wachsen würde, wenn eine ernsthafte Bewegung auf einen politischen Prozess hin stattfindet, in Richtung einer politischen Lösung - und dass die USA dabei die Führungsrolle übernehmen."

Hier kann man Brzezinski nur zustimmen - wenn schon neue Weltordnung, dann auch Ordnung; wenn schon Pax Americana und militärische Sicherheitsgarantien, dann auch für Palästina - doch ganz offensichtlich scheint in der Bush-Administration niemand auf ihn zu hören. Außer einem zaghaften "Doo Doo" hat der große Onkel Sam dem wütenden Ariel noch keine ernsthaften Ermahnung zukommen zu lassen - offensichtlich scheint ihm sein mörderisches Wüten ins Konzept zu passen. Die russische Pravda wunderte sich jedenfalls am 4. April darüber, warum Scharon bei seinen Säuberungen zwar gegen Arafat und die "moderaten" Palästinenser-Autoritäten vorgeht, nicht aber gegen die radikale "Hamas", deren Aktivitäten Israel einst unterstützte, um ein Gegengewicht zu Arafats PLO aufzubauen.
Geht es vielleicht nur darum, die arabische Welt so zu provozieren, dass sie den ersten Schuss abgibt - auf dass die "Achse des Bösen" - nach dem sang- und klanglosen Verschwinden von Usama - endlich ihre Fratze zeigt und gegen Saddam losgeschlagen werden kann? Zumindest ist es absolut erstaunlich, wie ein historisches Datum - das Angebot der Anerkennung Israels durch den reaktionärsten aller islamischen Staaten, Saudi Arabien, und die gesamte arabische Liga auf der Araber-Konferenz in Beirut - so völlig ignoriert werden und auf keinerlei Resonanz stoßen konnte.
Auf eine Antwort werden wir, so Robert Fisk, Nahost-Beobachter des britischen "Independent", nicht mehr lange warten müssen: "Diese Woche wird entscheidend sein für die amerikanisch-israelischen Beziehungen. Wir werden herausfinden, wer Amerikas Politik im Mittleren Osten bestimmt. Die USA oder Israel. Es wäre schön zu denken, dass es die ersteren wären. Aber ich bin nicht sicher."

yacin