Liebe Elissa,
ich stelle fest, dass ich dir bisher eine Antwort auf die 'Frauenfrage' und 'Frauenbeteiligung' in der amasirischen Bewegung schuldig geblieben bin.
Aus den Berichten Frau Dr. Kratochwils wurde deutlich, dass es natürlich in der Hauptsache eine Bewegung der Männer ist. Dennoch gibt es in den verschiedenen berberophonen Gebieten und Regionen organisierte Frauengruppen, unter ihnen einige herausragende weibliche Führungspersönlichkeiten, von denen offenbar einige in mutigem Alleingang an die Öffentlichkeit treten.
Der Anpruch dieser Frauen auf Beteiligung an politischen Prozessen hat natürlich eine Veränderung ihrer bisherigen Rolle zur Folge.
In diesem Zusammenhang empfand ich die statements der jungen amasirischen Zuhörer schon fast als Bekenntnisse, die den Bruch mit bisherigen kulturellen Leitbildern gutheißen und befürworten, da sie darin einen Weg sehen, Kultur und Sprache der Berber erhalten zu können.
Mir scheint, dass diejenigen, die den Diskurs mit den politischen Forderungen der Berber ablehnen,befürchten, dass es den Berbern gelänge, den Spruch des Archimedes ,Man gebe mir einen festen Punkt außerhalb der Erde und ich hebe die Welt aus den Angeln', unmittelbar und zum Schaden Marokkos anzuwenden.
Da ich die Verhältnisse in Marokko nicht annähernd so gut kenne, wie sie Frau Dr.Kratochwil mit ihren Recherchen in Erfahrung gebracht hat, möchte ich (auch wenn es ein Gemeinplatz ist) feststellen, dass es in Marokko bereits eine Menge geschichtlicher Veränderungen gibt und geben wird. Es scheint mittlerweile davon so viele zu geben, dass man sich nicht unbedingt allein in dem arabisch-amasirischen Thema festbeißen muss. Dennoch gehört meine Stimme denen, die in ihrer Identität ein Rechtsgut sehen, und dieses auch juristisch verankert wissen wollen.
Zieht man einen Bogen z.B. zur feministischen Bewegung in Europa, dann muss man(n) einräumen, dass alle die Positionen und Rechte wie sie Frauen heute bei uns haben, dem Einsatz und Kämpfen der ersten Frauenrechtlerinnen zu verdanken sind. Diese wurden verlacht, verspottet, angefeindet, bekämpft. Auch die Berberbewegung will politisch gesehen, nur demokratische Grundrechte unter dem Aspekt der Mitbestimmung durchsetzen. Ich sehe darin einen ganz normalen gesellschaftlichen Prozess, mit ganz normalen Zwistigkeiten und Widerständen. Diejenigen, die manchen der masirischen ProtagonistInnen am liebsten einen Maulkorb umhängen würden, frage ich etwas spitz formuliert: Was fürchtet ihr zu verlieren?

Sei lieb gegrüßt!
Srabija