Liebe tangeroise,

unsere Kommunikation hier macht mich fast ein bisschen traurig. Du weißt so wenig über mich, aber machst dir ein Bild, das auf irgendwelchen Erfahrungen beruht, die du scheinbar mit deutschen Frauen gemacht hast. Wir sprechen hier über Marokko und MarokkanerInnen. Gerne können wir an anderer Stelle über Deutschland sprechen und du würdest sehen, wie ich vieles hier kritisch und nachdenklich betrachte und dass ich der Meinung bin, dass man hier viel von Menschen aus Ländern wie zum Beispiel Marokko (aber auch aus anderen Teilen der Welt) lernen könnte, wenn man sich öffnen und seine Arroganz ablegen würde.

Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Menschen Arabisch lernen, im Gegenteil. Wenn Muslime Arabisch lernen, unterstütze ich das, weil ich es wichtig finde, dass sie verstehen, was ihre Religion sagt und nicht einfach irgend etwas nachplappern. Meine Tochter besucht, neben dem Kontakt zu ihrem Vater, einen Arabisch-Kurs und dafür habe ich gesorgt und nicht er.

Wenn die Frauen die Kapazität haben, Arabisch neben Deutsch zu lernen, unterstütze ich das. Wenn sie aber in Deutschland leben, und zwar lange hier leben, und nur rudimentär deutsch sprechen, geschweige denn richtig lesen oder schreiben können, dann muss ich mich fragen, was hat denn jetzt Priorität. Ich zweifle nicht daran, dass du oder Abid oder viele andere Marokkaner, die ich kenne, eine Form von Mehrsprachigkeit besitzen, von der viele - ich selbst eingeschlossen - hier nur träumen können. Aber ihr gehört einer bestimmten Schicht von Marokkanern an und du willst doch nicht leugnen, dass dazu große Teile der marokkanischen Gemeinde hier eben nicht zählen. Du weißt genau, wen ich meine, du arbeitest ja auch mit den Frauen. Mein Gott, es kommen Frauen zu mir und wollen Deutsch lernen, die seit 18 (!!) Jahren in Deutschland leben und nicht auf deutsch sagen können, wie sie heißen! Nicht mal wie sie HEISSEN! Wie haben diese Frauen hier gelebt? Wie sind ihre Kinder aufgewachsen? Und jetzt erzähl mir nichts, diese Frauen sind mit Kleinigkeiten glücklich und so weiter. Natürlich haben sie sich mit ihrem Leben arrangiert, sie hatten ja auch keine andere Wahl. Natürlich haben sie ihre Strategien von persönlicher Freiheit und Einflussnahme entwickelt, das sehe ich auch. Trotzdem sind sie in der deutschen Öffentlichkeit verloren, sie sind nicht mal in der Lage allein zum Arzt zu gehen. Das fällt ihnen erst dann auf, wenn die Kinder groß sind oder der Mann stirbt. Und da denkt ihr an Arabisch lernen?
Grüße