Liebe tangeroise,

ich glaube, ich bin nicht weniger emotional wie du, auch wenn ich keine Semitin bin.
Ich habe ein persönliches Beispiel gebracht und habe es im Nachhinein bereut, weil dieses Forum bekannt dafür ist, dass man für seine persönlichen Eingeständnisse in der Luft zerissen wird. Deshalb möchte ich nicht weiter davon sprechen.
Dein Beitrag enthält mir zuviele "wirs" und "ihrs", denn auch wenn du behauptest, du wolltest nicht pauschalisieren, tust du es leider unentwegt.

"ina al janata tahta akdami al oumahat"
Das Paradies liegt unter den Füßen der Mütter.
Ja das stimmt. Vieles von dem, was du über die marokkanischen Frauen geschrieben hast, habe ich auch so erlebt. Von einer grundsätzlichen Unterdrückung der Frauen in Marokko zu sprechen ist Unsinn, genauso wie es Unsinn ist, von einer grundsätzlichen Emanzipation der Frauen hier zu sprechen. Wie immer ist die Wirklichkeit komplizierter. Dennoch wirst du doch nicht behaupten wollen, dass es keine Probleme geschlechtsspezifischer Art in Marokko gibt, wozu gab es denn den jahrelangen Kampf um die Erneuerung des Familienrechts? Und dabei ging es, wenn ich mich recht erinnere, zum Teil auch um Fragen nach dem Pass und der Zugehörigkeit der Kinder. Wir können über die Situation von Frauen in Marokko und Deutschland gerne in einem eigenen thread diskutieren. Hier soll es ja um Tamazight gehen.

Die Menschen in Marokko haben viele Probleme, vornehmlich wirtschaftlicher und politischer Natur, die von der weltwirtschaftlichen, weltpolitischen Lage nicht abzukoppeln sind.
Ein Problem Marokkos ist sein schlechtes Bildungswesen und seine erstaunlich hohe Analphabetenrate. Wenn man dieses Land mit seiner relativ geringen Bevökerungszahl und seiner großen Anzahl an Städten sieht, wundert man sich darüber.
Der Analphabetismus ist nicht nur ein Problem der ganz alten Generationen, wenn man die Generationenverteilung Marokkos betrachtet, kann das ja gar nicht sein. In meinen Sprachkursen tauchen immer mal wieder ganz junge Marokkanerinnen auf, die kaum lesen und schreiben können, obwohl sie, wie sie sagen, ein paar Jahre die Schule besucht haben. Sie stehen anderen jungen Marokkanerinnen gegenüber, die überhaupt kein Problem mit der Lese- und Schreibfähigkeit haben, oder die, wenn sie eine höhere Bildung genossen haben, eine ungewöhnlich schnelle Lernfähigkeit zeigen. (das wollte ich nur ergänzen, damit du nicht glaubst, ich würde alle Marokkanerinnen für Analphabetinnen halten)
Das auf ein Problem zwischen Arabisch und Tamazight zu reduzieren, wäre sicherlich falsch. Es scheint aber, mir jedenfalls scheint es so, irgendetwas im marokkanischen Bildungssystem zu geben, was nicht gut läuft und das hat etwas mit den Sprachen zu tun.
Die sprachliche Realität in Marokko ist sehr komplex. Die Muttersprachen, die in Marokko gesprochen werden, existieren nicht als Schriftsprachen, weder das tamazight, noch die darija. Schriftsprache ist das alles dominierende Hocharabisch, das aber eigentlich kein Mensch spricht, an dem aber das alles überragende sakrale Zepter klebt. Sprache hat etwas mit Identität zu tun, das hat Mohand in seinem Beitrag versucht zu erklären.
Warum müssen deine Frauen, wenn sie in Deutschland leben, Arabisch lernen, wenn sie nicht mal annähernd Deutsch können? Das ist mir ein Rätsel.
Zu meinem Beispiel mit dem Naserümpfen, das hast du falsch verstanden. Die Frauen waren nicht darüber pikiert, dass ich sie nach Arabisch gefragt habe, sondern - wenn sie arabophon waren - darüber, dass ich sie nach Tamazight gefragt habe. Nase rümpfen war nur ein Sprachbild, es geht um eine Wertung. Ich habe ein sehr großes Einfühlungsvermögen und spüre sehr deutlich, wenn Menschen etwas abwerten.

Schöne Grüße


PS:
Über marokkanische Juden können wir auch gerne mal in einem anderen thread sprechen, wäre auch ein interessantes Thema. Denn da hast du scheinbar auch eine recht verklärende Sicht.