Hallo Shakir,
bis jetzt habe ich mich nur auf WORTE(Zeichen) beschränkt, um meiner Gemütlage Ausdruck zu verschaffen. Ich habe diese Smilies noch nie verwendet.Wenn Du mir nicht erklärst hättest, wie das DING zu Stande kam, hätte gesagt : Das war SATAN !
Danke für die Erklärung !

Da ich ab Morgen keine Zeit habe, schreibe ich für die Interessierten einige wichtige Informationen und meine Interpretationen.
Dieser Text soll bis nächste Woche reichen.

Jocin hat etwas angesprochen, worauf ich jetzt eigehen werde.
Es geht vorallem um die Auswirkungen des Kolonialismus auf die Kulturen in Marokko.

Wenn eine Region darauerhaft Zielscheibe von kolonialen Pläne war und ist, wie die nordafrikanische Region, dann führte das zwangsläufig zur Fragemtierung und Spaltungen der kulturellen und politischen Identität dieser Region.
Alle Kolonisatoren , Von den Karthager bis zu Franzosen, wollten nur ihre Sprache, Kulturen und Religionen gewaltsamm durchsetzen.
Unsere Vorfahren , und das berichten viele Historiker, wurden von Anfang an damit konfrontiert und in eine deffensivposition gedrängt.
Wenn die Küste besetzt worden war, zogen sie sich in das Landesinnere zurück, um ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Die Geschichte hat uns aber auch gelehrt, dass es Berber gab und gibt, die auf ihre berberische Identität verzichteten und verzichten, damit sie der neuen Kultur und Sprache dienen. Der berberische und heilige Augustinus hat auf seine erste Identität verzichtet und sich zum lateinischen Christentum konvertiert; er hat also einen Wechsel vorgenommen von der Identität der Unterdrückten hin zur Identität der Besatzer und Mächtigen. Er hatte sogar den Wiederstand seiner Brüder und Schwester gegen die offizielle Kirche und römischen Politik, der in Form des Donatismus war, verurteilt und als ein Hochverrat gegen die Kirche degradiert. Die unabhängigen und auf dem Land lebenden Berber waren für ihn Verräter und Konservative Menschen.
Am Anfang des Islam gab es fast ähnliche Entwicklungen. Die Berber haben zunächst Jahrelang gegen die Islamisierung gekämpft, dann mehr oder weniger akzeptiert und schließlich sind unsere Vorfahren eigne Wege im Islam gegangen. Die Barghawta/Dynastie als Vertreter eines nationalen berberischen Islam auf der einen Seite, dann die Kharijiten , eine Bewegung innerhalb des Islam, die den orthodoxen Islam und die Vorherrschaft der arabischen Stämme ablehnt und schließlich ein durcheinander zwischen offenem(Al-Mohaden) und konservativem(Al-Morabividen)Islam. In dieser Phase sind einige religiöse Texte ( Koranübersetzung, Hadith ) auf Berberisch verfasst.
Mit der Entstehung der alawitischen arabischen Dynastie 1669 begann für die Berber eine neue politische Phase. Diese neue politische Situation wurde mal abgelehnt, mal geduldet und in einer bestimmten Phase als ilegitim erklärt.
Das hin und her, zwischen berberischer Unabhängigkeit und Kooperation bzw. Duldung des Machzen/Zentralmacht, der marokkanischen Geschichte dauerte von 1669 bis ins 19Jh an.
Den Dualismus , berberischer Partikularismus und Zentralsierungsversuche des arabophonen Machsen, fanden die Franzosen vor sich.
Mit den Franzsoen kommt eine dritte Identität ins Spiel, die französische.
Was ist nun die Identität Marokkos und hat Marokko eine oder mehere Identitäten ?
Die französische Kolonial- und Kulturpolitik hat zu mehr Fragmentierung beigetragen und neue Abhängigkeiten geschaffen.
Die kulturelle Gewalt, die die meisten Marokkaner in ihrem Unterbewußtsein mit sich tragen, hat dazu geführt, dass sie das Fremde mehr schätzen als das eigene. Und das ist ein Fall für Freud.
Während alle Kinder der Welt ihre Muttersprachen beherrschen und damit alphabitisiert werden, finder der Sprachkonflikt zwischen dem Französischen , dem Spanischen und dem Arabischen bei uns zuhause und nicht in Frankreich, Spanien , und Arabien !
Die meisten Marokkaner sprechen mehrere Fremdsprachen , aber beherrschen keine einzige Sprache in Wort und Schrift.
Ein Mehrsprachiger Analphabistismus !!!
Was ist Analphabitismus ? Und wer ist Analphabet in Marokko ?
Analphabet zu sein , bedeutet allgemein nicht schreiben und lesen zu können ! Gut !
Versuchen wir diese definition auf Marokko anzuwenden :
Was sollen die Marokkaner schreiben und lesen ?
Bekanntlich ist es einfacher gegen den Analphabitismus in einer Gesellschaft zu agieren, wenn man mit der Muttersprache anfängt ! Und jede gesunde Alphabitisierung beginnt mit der Muttersprache. Wie ist es in Marokko ?
Ein marokkanischer Kind spricht daheim entweder Marokkanisch oder Berberisch. Wenn er aber zu Schule geht und das Schreiben und lesen lernen soll, dann muß er das Hocharabische, das für die marokkanischen Kinder bis dahin eine Fremdsprache ist, auswendiglernen, um es später schreibenzulernen. Also die Alphabitisierung der Kinder beginnt nicht mit der Muttersprache sondern mit einer Sprache, die sie gar nicht sprechen ! Was bedeutet das für ein Kind ? Entweder Vokabeln auswendiglernen( und dumm bleiben ! ) oder die auf diese " feindliche Schule " ( Kateb Yacine ) verzichten und lieber viel müdlich erzählen !
Die hohe Zahl der Analphaben in Marokko hängt mit der Sprache zusammen !! Die Menschen sind nicht von Geburt dumm , aber sie werden in Schulen verdummt und verlieren, wie es Jocin gesagt hat, ihre Mündigkeit !
Ein marokkanisches Kind kämpft von Anfang an mit Brüchen in kultureller und geschichtlicher Hinsicht !
Alle Menschen haben ein Recht auf eine Vergangenheit , eine Gegenwart und eine Zukunft.
Wer seine Vergangenheit nicht kennt , wird seine Gegenwart nicht verstehen und sich seine Zukunft nicht ausdenken können.
Die Berber haben eine Geschichte, die mindesten 5000 Jahre alt und sie ist nicht schöner oder schlechter als die Geschichten anderer Völker auch, wie die Deutschen, Franzosen , Araber , Juden usw....
Aber die meisten Marokkaner ein großes Problem damit und können keine Schlüße aus ihrer Vergangenheit ziehen , damit sie ihre Gegenwart verstehen und sich ihre Zukunft , in kultureller Hinsicht natürlich , vorstellen.
Die offizielle Geschichte Marokkos will es so , dass man mit dem Islam beginnt und die die berberische vorsislamische Geschichte als Ignoranz betrachtet. Das Ergebnis , ei Geschichtsloses Volk !
Diese Identitätskrise , alles sein und nichts haben, hat dazu geführt, dass es Marokkaner gibt, die ihren Heil mittlerweile nur in der Religion suchen und fanatischer werden. Das gilt überigens auch für die Algerier. Die Religion ist nur ein Teil der Identität, sie ist nicht DIE Identität schlechthin , weil die Identiät sich aus mehreren Aspekte zusammensetzt : Geschichte , Sprache , Mythen , Kultur , Glaube, Geographie usw....!!!
Die literarische Verarbeitung dieser Themen hat der algerische Schriftsteller Kateb Yacine eindrucksvoll bewiesen und seinen Roman " Nedschma " , kann ich zum Schluß allen nur empfehlen.
Schöne Woche wünsche ich allen und bis
Samstag oder Sonntag
Gruß
Mohand


Tidt n umya!