Mohand,
mir scheint, dass du Jamil entweder nicht verstehen willst oder aber kannst. jamil Einwände gegen fordrungen sprachlicher oder ethnischer natur möchte er/sie in einem soziopolitischem Kontext eingebettet sehen. damit deutet er höchstwahrscheinlich an, dass im prinzip heutige forderungen der imazighen in marokko sowie im nachbarland algerien ein teil einer ablenkungspolitik seitens der " Herrschaft" seien, um gezielt betsimmte politische probleme aufzufangen. jamil spricht den kernpunkt der probelmatik an. Er schreibt: weil es sich um kernteil des allgemeinen und nicht um ein auf eine spezifische ethnische gruppe begrenztes problem handelt. die lage von tamazight sprechenden menschen und von tamazight als unsere wurzelkultur widerspiegelt nur, wie es uns allgemein geht und in welchem zustand von gesellschaftlichem wir uns befinden.

tatsächlich wird in letzter zeit der inflationäre diskurs der amazighophonen intellektuellen nicht mehr so sehr wahrgenommen, weil sie sich damit von vielen anderen gesellschaftskomponenten länsgt abgelöst haben. Während z. B. die frage der institutionellen also verfassungsmäßigen kontrollmöglichkieten der politischen macht in marokko an der spitze der tagesordnungen zivilgesellschaftlicher und politischer organisationen steht, flüchten viele der amazighophonen in kulturalistische fantasien. und gerade dies dient mit sicherheit nicht der amazighität, im gegenteil es schadet ihr unheimlich viel.
die betonung der diglossalen natur der sprachverhältnisse im heutigen marokko mag vielleicht für den debutanten in der sprachsoziologie ein verblüfender befund sein. man lernt zwar die rangstellung jeder sprachvariante und deren verbreitungsarea bzw. ihre frequenz im kommunkiationsnetzt im lande, aber dann war es auch.
das problem der amazighen stellt sich tatsächlich als das problem einer mehrheitlichen minderheit. Minderheit desahlb weil im marokkanischen nationalismus der makhzenfamilien seit 1940 und später im postnationalimus beginnend mit dem konsens um die marokkanität der Sahara ist nach wie vor die rede von Amazighen als kulturelle und sprachliche menderheit, auch wenn dies faktisch nicht stimmt.
zweitens minderheit, weil der große makhzen also Frankreich die Amazighität zum Pferd seiner Kolonialpolitik machte und somit den amazighen das recht auf kulturelle gleichheit in der differenz beraubt hat. der marokkanische nationalismus aber auch die legitimitätsgrundlagen der monarchie, die religiösen insbesondere laufen dem anspruch auf kulturelle gleichheit in der differenz zuwieder. so wird der marokkanische staat in der verfassung als arabischer und islamischer staat bestimmt, dessen offizielle sprache arabisch ist.
ein anderer aspekt, der dem anspruch der amazighen auf gleichheit in der differenz entgegensteht, ist die letzte entwicklung in marokko. weil sich das land immer schneller verstädtert und die verstädterungsrate mittelweile über 42% liegt, ergibt sich automatisch, dass immer mehr amazighisch sprechenden menschen ihre mundarten im städtischen milieu verlieren.
Dazu spielen natürlich ansdere faktoren bei diesem sprachverlust genauso eine wichtige rolle, Landflucht, Schulsystem und gravierender noch die migration.

auch die vorkoloniale geschichte marokkos hat wesentlich zur verdrängung der amazighität beitgetragen. die dynastie der alawiten stützte sich als cherifische also arabische dynastie auf arabische Familien, cherifische familien ( die Kettanis) arabische stämme
(die Moqris) und andalusische Familien ( die Barguach ) mit konzentration in fez, rabat, salé und tetouan. diese familien bildeten annäherend die führungselite im vorkolonialen marokko. in der kolonialzeit wandten sich die selben familien der wirtschat zu. sie gingen in die hafenstädte und ließen sich in casablanca ( die ben chekrounes und die tazis) oder nach tanger ( die ben jellounes) somit waren sie auch als erste nutznießer der modernisierung marokkos. die wichtigsten arabophonen leaders des marokkanischen nationationalimus stammen doch aus diesen familien.
die französische bildungspolitik begünstigte eben diese arabischstämmige führungselite aus dem vorkolonialen marokko. sie bauten les écoles des notables " schulen für Kinder des marokkanischen Adels".

auch im unabhängigen marokko haben wir es mit dem selben szenarion. schriftkundigen oder besser frankreich nah stehenden übernahmen die moderne verwaltung und bestimmten seitdem die politischen geschicke des landes.

die amazighen haben sich indes regional spezialisiert. die rifis im ethnic business, die soussi im lebensmittelhandel und die zianis im mittelatlas in der armee. sie stellen die wirbelsäule der marokkanischen armée und stammen aus dem im jargon der militärs in marokko bezeichneten " Berberdreieck " östlich von fez bis an die grenze zu fluss moulouya und südlich von meknes bis hinein im mittelatlas.

diese regionale spezialisierung zeigt , dass es einflußreiche amazighen gibt, die aber voll im system integriert sind. sie mögen vielleicht mit den forderungen der amazighischen intellektuellen symathisieren, aber ihre verflechtungen in der wirtschaft und in der armee lassen es nicht zu, sich ganz der amazighität zuzuwenden.

dies alles heißt aber nicht, dass der anspruch der amazighien auf institutionelle gleichheit in der differenz nicht legitim ist, aber er darf nicht nur kulturalistisch bertrachtet werden. ansonsten hätten wir irgendwann einen amazighischen Arend, der uns dann belehren würde, was eine "amazigische nation" sei.
so legitim wie der anspruch der amazigehn ist, er wird immer davon anhängen, wie weit marokko sich zu einem rechtsstaat entwickelt. das ist der einzige rahmen, in dem gleichheit in der differenz konkretesiert und nicht in einem abstrakten begriff wie Nation oder Nationalstaat, der bekanntlich aus dem gemeinschaftlichen geist der blutverwandschaft herrührt.

umni