KSAR
KSUR
KASBAS

DIE LEHMARCHITEKTUR DER BERBER

Ein Land der Lehmschlösser lautet der Titel eines Buches von Jim Ingrim (1952). Das ist eine gute Beschreibung jenes Teils von Marokko, den die Berberstämme beherrschen. Die Festungen aus Lehm sind am Rand der Oasen der Sahara und in den Tälern des Atlasgebirges verstreut. Sie erinnern in ehrfurchtgebietender Weise an die Feudalzeit, die hier bis etwa 195o dauerte. Das Material und die Formen dieser architektonischen Wunder kehren im modernen marokanischen Design immer wieder.
Die Berber waren die ursprünglichen Bewohner Marokkos, lange bevor die Römer in "Mauretania" ihren Vorposten Volubilis errichteten. Sie schätzen die Unabhängigkeit über alles und unterwerfen sich nur ihren strengen Räten, den "Jemmaa". Selbst heute noch sprechen nur wenige Berber arabisch. Ihre Abneigung gegen Fremdherrschaft führt dazu, daß Marokko immer wie zwei separate Staaten regiert werden mußte. Schon zu Beginn war das Land in den "Bled EL Maksen und den "Bled Es Siba" geteilt. Zum Maksen gehörten die Kaiserstädte, Küstenhäfen und die Ebenen dazwischen. Der Rest, der Bled Es Siba, war schon immer der unregierbare Teil: die Domäne der Berber. Die Berber haben stehts über den Atlas und die südliche Sahara geherrscht, also auch über die Handelsstraße der berühmten "Caravanserai". Bis zur Errichtung des französischen Protektoriats Anfang dieses Jahrhunderts konnten sie für die sichere Reise durch Oasen und über die wenigen begehbaren Bergpässe, die das Afrika südlich der Sahara mit Marakesch verbinden, einen beträchtlichen Zoll verlangen. Die "Lehmburgen" der Berber waren strategisch in der Nähe der Oasen verteilt, um Reisenden eine sichere Unterkunft zu verschaffen - allerdings nicht kostenlos. Die Händler hatten keine andere Wahl, denn es führten nur wenige Straßen nach Marrakesch, und alle waren in der Hand der Berber. Kein kluger Kaufman riskierte seine wertvolle Ware, indem er in der Wüste übernachtete.
Das typische befestigte Dorf aus Kalk verstärkten Lehmziegeln heißt "Ksar", im Plural "Ksur". Eine "Kasba" ist im Grunde das gleiche, sie ist jedoch der Wohnsitz einer einzigen Familie ( eine "Privatburg", kein ganzes Dorf). Diese starken Festungen wurden nicht nur gebaut, um die "Caravanserai" vor Banditen, sondern auch um Berber vor Berbern zu schützen. In alten Büchern gibt es zahlreiche Geschichten über die ständigen Kämpfe zwischen rivalisierenden Stämmen. Walter Harris beschreibt in "Marocco That Was", wie die Glaoua, einer der grimmigsten Berberstämme, die Kasba eines Rivalen belagerten, den Anführer der Feinde fingen, ihm den Kopf abschnitten und mit dem Kopf auf der Lanze um die Mauer der Kasba ritten, damit alle ihn sehen konnten. "Wenn ihr die Tore öffnet", versprachen sie, "bleibt euch dieses Schicksal erspart". Als man sie jedoch einließ, köpften die Glaoua alle Bewohner mit der Begründung, sie hätten zu lange mit der Antwort gezögert.
Diese alten Bauwerke, die in Südmarokko vorherrschen, sind eine anschauliche Errinnerung an die Macht, die die Berber besaßen. Walter Harris erwähnt eine beliebte Methode, um eine Lehmfestung zu erobern: Man leitete einen Fluß um und wartete, bis die Fundamente der Burg zusammenbrachen. Diese Bauten mußten also oft neu errichtet werden, und jedesmal benutzte man das gleiche Material und die gleichen Formen und Dekorationen. Die Folge war ein Baustil, der so einheitlich und zugleich so einzigartig war, daß es keine Überraschung ist, ihn im modernen marokkanischen Baustil wiederzufinden.

Auszug aus Marokko modern

leihinik
Josef