Antwort auf:
Nicht ohne meine Klage
"Die Leiden der muslimischen Frau" ist das derzeit beliebteste Buchthema: Wie Autorinnen Skandale schaffen - ohne aber dem komplexen Thema gerecht zu werden
Die Deutschen wollen die muslimischen Frauen befreien - das könnte man jedenfalls glauben, wenn man einen Blick auf die Sachbuch-Bestsellerlisten wirft. Da rangierte in der vorletzten Woche auf Platz 1 das Buch "Ich klage an" der niederländischen "Rechtsliberalen" Ayaan Hirsi Ali (nun Platz 2) - ein "Plädoyer für die Befreiung der muslimischen Frauen". Die Plazierung ist kein Einzelfall, denn das Thema sorgt schon seit einiger Zeit für Furore und gute Verkaufszahlen. Kürzlich legte der deutsche Innenminister den Lesern des "Spiegel" das Buch "Die fremde Braut" von Necla Kelek ans Herz; ebenfalls eine flammende Anklage gegen arrangierte Ehen und den Islam als patriarchale Religion. Zudem gibt es eine Unzahl von eher boulevardesken Romanen, die sich mit dem Schicksal "muslimischer Frauen" befassen. In Titeln wie "Sterben sollst du für dein Glück" (Droemer/Knaur), "Der Schleier des Schweigens" (Heyne), "Gefangen im Land der Väter" (Ullstein), "Gefangen hinter dem Schleier" (Heyne), "Zerreiße den Schleier der Ohnmacht" (S. Fischer) oder "Blut für Allah" (Ullstein) werden Frauen aus Algerien, Afghanistan und dem Iran eingesperrt, mißhandelt und mit dem Tod bedroht. Ein ähnliches Schicksal ereilt auch im Westen geborene Mädchen pakistanischer Herkunft: Sie werden stets von ihren bösen Vätern zum Koranstudium nach Pakistan verschleppt. In diesem Herbst sind die Deutsch-Türkinnen dran: "Erstickt an euren Lügen" beispielsweise ist eine Autorin namens "Inci Y." (Piper), und in "Mich hat keiner gefragt" erzählt "Ayse" die Geschichte ihrer Zwangsheirat (Blanvalet).


Diese neue Literaturwelle verspricht Authentizität - fast alle Bücher haben den Charakter von Erlebnisberichten. Insofern ist das Strickmuster ähnlich wie in Betty Mahmoodys Millionenseller "Nicht ohne meine Tochter" - nur daß die Protagonistinnen jetzt eben "muslimische Frauen" sind. Die Romane versprechen buchstäblich den Blick hinter den Schleier und befriedigen gleichzeitig die einheimischen Vorurteile gegen die verschlossene, barbarische Kultur des Islam. In die gleiche Kerbe schlagen die Anklageschriften von Hirsi Ali und Kelek, auch wenn sich die Autorinnen mit dem moralischen Furor der Menschenrechtsaktivistin ausstatten.


Die Mischung aus Unterhaltung und Skandalisierung ist dabei perfekt medienkompatibel. Nun steht die mediale Aufregung in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Ausmaß der Phänomene: "Muslimische Mädchen" im Westen werden nicht den ganzen Tag unterdrückt oder zwangsverheiratet. Manche von ihnen aber schon. Insofern weisen die Bücher durchaus ganz legitim auf Probleme hin. Ob die Bedienung von Klischees und die mediale Aufregung allerdings den Betroffenen helfen, kann man doch ernsthaft bezweifeln.


Tatsächlich wird die muslimische Frau in den Medien alle paar Jahre aufs neue befreit. Vor etwa 20 Jahren bereits im Film: Am Ende von Hark Bohms Melodram "Yasemin" ritt die gleichnamige junge Türkin mit ihrem Märchenprinzen auf dem Motorrad in die Freiheit, weg von den Zwängen ihrer Familie. In den heutigen Unterhaltungsromanen sind die Finale ähnlich. Am Ende gibt es eine Flucht, die in die jeweilige westliche Gesellschaft führt. Die muslimische Frau wird "integriert". Genau das fordern ja die Anwältinnen der muslimischen Frauen wie Necla Kelek oder Ayaan Hirsi Ali. Für letztere ist Integration ein "Zivilisationsprozeß", der den Muslimen hilft, der Rückständigkeit ihrer Religion zu entkommen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts leisteten westliche Kolonialisten in arabischen Ländern mit ähnlichen Argumenten Hilfestellung bei der Zivilisierung: die Spanier in Marokko, die Franzosen in Algerien - große Kampagnen zur Befreiung der muslimischen Frau aus mittelalterlicher Knechtung durch den Islam. Freilich galten weder die Spanier noch die Franzosen als glaubwürdig - sie waren eben Kolonisatoren und suchten nach Rechtfertigungen.


Gibt es angesichts der Geschichte einen Grund, die heutigen Befreier der islamischen Frau im Namen der "Integration" für glaubwürdiger zu halten? Einerseits nein: Oft sind es gerade Konservative, die vehement die Rolle der Frau im Islam kritisieren - hierbei handelt es sich bloß um ein Mittel zur Denunziation von Einwanderern türkischer oder arabischer Herkunft. Andererseits aber ja: Denn abgesehen von den ganz billigen Unterhaltungsromanen sind es heute muslimische Frauen selbst, die Klage führen. Verwunderlich ist dabei allerdings die Undifferenziertheit.


Bei Ayaan Hirsi Ali mag der Mangel an Zwischentönen verständlich sein. Sie hatte das Drehbuch für Theo van Goghs Film "Submission" geschrieben, das den Regisseur das Leben kostete. Bei Necla Kelek jedoch liegt der Fall anders. Sie hat vor nicht einmal drei Jahren eine Untersuchung herausgebracht zum Thema "Islam im Alltag", in der sie das exakte Gegenteil von dem behauptet, was sie heute vertritt. "Das Bekenntnis zum Muslim-Sein", schrieb sie, "darf im Regelfall nicht als traditionelle Selbstverortung mißverstanden werden." In der Art, wie Jugendliche aus Hamburg-Wilhelmsburg mit dem Islam umgingen, sah sie klare Anzeichen einer Modernisierung. In ihrem aktuellen Buch ist von diesen Schlußfolgerungen keine Rede mehr. Dennoch zitiert sie Interviewstellen aus ihrer früheren Arbeit, wobei die Deutung nun in die entgegengesetzte Richtung läuft: Plötzlich sind die Jugendlichen alle nur unaufgeklärt und unterworfen.


Der Sinneswandel liegt sicher daran, daß sich mit Büchern wie "Die fremde Braut" beim Publikum besser punkten läßt als mit differenzierter Wissenschaft. Zudem ist es höchst bequem, "den Islam" für alles verantwortlich zu machen. Der Leser kann sich bequem zurücklehnen, weil er ja im Grunde gar nichts tun kann - es sei denn, er wünscht sich einen neuen Kreuzzug. Die Aufregung allein nützt den Betroffenen aber nicht. Es ist Unsinn, arrangierte Heiraten etwa zu skandalisieren: Sie sind eine Möglichkeit zur Einwanderung in ein Land, das sich weiterhin gegen Einwanderung sperrt. Um die "Importbräute" zu unterstützen, braucht es kreative Maßnahmen. In Marokko beraten junge Französinnen marokkanische Frauen, die nach Frankreich einheiraten - finanziert vom französischen Staat. Das wäre doch ein Job für Necla Kelek oder Ayaan Hirsi Ali. Mark Terkessidis
ich kann mir sehr gut vorstellen wie deutsche hausfrauen, arbeitstätige, studentinnen, geschiedene, verheiratete, einsame ihr Geld von dieser Medienmascherie zerschredden lassen,
ein buch nach dem anderen kaufen, um die gelangweilten zeiten im Bus, abends auf der couch auszufüllen, das angebot "Islam-Frau" in die höhe schrauben und einige im "westen" angekommene, die auf dem "zivilisatorischen Gipfel" gelernt haben wie man geld, ansehen für sich erreichen kann, wenn man auf der richtigen welle mit schwimmt, liefern was das zeug hält, wissen sich zu verkaufen,
damit deutsche hausfrauen, die zu "islam experten" sih verstehen, sich weterhin sagen können:
"ohh diese armen frauen,
wie gut es mir doch geht" \:\)


wieviele Bücher habt ihr in euren regalen stehen,
elvira, ellisa,......?