Hallo Anna, Simo, Rolf etc.
ich habe zwei der Petit Bonnes in einem marokkanischen Haushalt in Fes selbst erlebt und erst am zweiten Tag dort kapiert, was los ist. Erst dachte ich es wären Kinder der Familie.
Dort habe ich festgestellt, dass die Kinder gut gekleidet und ernährt waren und durchaus eine gewisse Zuwendung bekamen, jedoch bei weitem nicht so verwöhnt wurden wie die eigenen Kinder,keine Geschenke bekamen, sondern halt immer wieder mal was arbeiten mussten. Die Arbeit hielt sich in Grenzen, weil es ein moderner Haushalt mit Spülmaschine und allen Vorteilen eines westlichen Haushalts war. Die Mädchen mussten das Frühstück machen und das Geschirr wieder wegbringen, beim Kochen ein wenig helfen, aber für das Putzen und Kochen gab es Erwachsene.
Ich stehe diesem Thema sehr zwiespältig gegenüber, weil ich es auch für ein Verbrechen halte, kleine Kinder von zuhause rauszureißen und in fremde Familien zu geben. Jedoch war das bei uns (Bayern, Tirol. Südtirol) bis ca. 1930-1940 in den Bergdörfern genauso üblich, die Kinder wegzugeben. Erst mit dem Tourismus und dem Wohlstand der damit in die Dörfer kam, änderte sich die Situation. In Marokko kostet in den Augen der Väter ein Mädchen nur Geld, d.h. wenn ich kein Geld habe, muss das Mädchen das Geld, das es kostet verdienen. Zuhause müsste das Kind sicher genauso schuften, womöglich mehr und mit weniger Komfort, aber es bekäme zumindest von der Mutter die Zuwendung die es braucht. Im Weltspiegel-Report war zu sehen, dass den Vätern und auch den Famlien, die kleine Mädchen beschäftigen das Unrechtsbewußtsein abgeht. Denn die Meinung herrscht vor, dass es den Kindern in den reichen Familien doch gut geht. Das mag für manche zutreffen, aber viele auch nicht. Das ist genauso zwiespältig wie der Handel mit Kleinkindern zur Adoption, z.b bei rumänischen Kindern. Einerseits erwartet die Kinder meist ein besseres Los als in ihren Heimatländern, andererseits handelt es sich um Kinderhandel und mit der Not der Familien wird ein Geschäft gemacht. Das ist bei den petit bonnes nicht anderes.
Rolf hat schon recht, wenn er dafür eintritt das Nord-Süd-Gefälle abzubauen. Der Kampf gegen das Ungleichgewicht ist nötig, sonst werden die Unterschiede immer größer.
Vergessen dürfen wir auch nicht, dass es in 70% derLänder der Welt und auch in Marokko selbstverständlich ist, dass Kinder mitarbeiten. Sei es in der Familie oder im Handwerksbetrieb, im Haushalt oder auf dem Feld. Unsere westliche Idylle, dass Kindheit aus spielen und Schule (also lernen) besteht, gibt es woanders nicht. In der dritten Welt heißt Lernen für die Armen nicht Schule, sondern Lernen durch Mithilfe in der Bewältigung des Alltags , sprich den Lebensunterhalt der Eltern mitzusichern. Die harmloseste Form dabei ist dann die Mithilfe in der Landwirtschaft oder im Handwerks- oder Handelsbetrieb der Eltern oder im Haushalt. Die schlimmste Form ist die Kinder zum Betteln zu schicken oder gar ganz wegzugeben oder die neueste und widerwärtigste Form ist die Kinderprostitution. Diese läuft verdeckt und unter der Hand über Vermittler, die die Kinder zu ihrer häufig westlichen Kundschaft bringen und daran verdienen. Auch die Behörden verdienen mit, in dem sie einfach die Augen zu machen und mitkassieren. Ich habe so etwas aus glaubhaften Kreisen als gang und gäbe gehört und da einzuschreiten wäre noch viel dringlicher als bei den "petit bonnes". Auch Buben werden schon mit 8 Jahren in einen Handwerksbetrieb zur Lehre gegeben, das ist Tradition wenn jemand ein Handwerk lernen will und niemand stört sich daran. Kinderarbeit gehört in Marokko anch wie vor zum Alltag.