SO Momo wie versprochren hier ist Teil 2.
Viel Spaß beim lesen wünsche ich euch alle!

Arabischer Astrologe

-------------Folge 2-------------------

Versöhnlich gestimmt, sprach zu ihm Aben Habuz: »Wie weise du doch bist, Sohn des Großen Abu Ayub! Wohl hast du mich vor dieser gefangenen Schönheit gewarnt und Gefahren vorhergesagt, die von ihr ausgehen würden; verkünde mir nun du, der du jedes kommende Übel schon im Schoß der Zeit vorhersehen kannst, was ich tun soll, um in Frieden leben zu können.«

»Entferne die Ursache allen Übels und schicke diese ungläubige Frau fort. «

»Lieber laß ich von meinem Königreich«, rief Aben Habuz. »Du schwebst in der Gefahr, beides zu verlieren«, erwiderte der
Astrologe.
»Zürne mir nicht, weisester aller Philosophen. Erwäge die doppelte Not, das zweifache Unglück in der Brust eines Menschen,der zugleich König und Liebender ist. Zeige mir Mittel und Wege, mich vor drohendem Unheil zu schützen. Ich verlange nicht nach Ruhm, es gelüstet mich nicht nach Macht! Ich sehne mich nur nach Ruhe, nach einem stillen Zufluchtsort, wohin ich
mich von der Welt und allen ihren Sorgen, ihrem Prunk und ihren Unruhen zurückziehen kann, um dort den Rest meiner Tage
in Frieden und Liebe zu verbringen. «

Mit gerunzelter Stirn und unter den dichten Augenbrauen blinzelnd, blickte ihn der Astrologe an und sprach: »Und was gibst du
mir, wenn ich dir einen solchen Zufluchtsort verschaffe, ehrwürdigster aller Könige?«

»Du selbst sollst deinen Lohn bestimmen, und was es auch sein mag, bei meiner Seele, es soll dir gehören, wenn es sich im Bereich meiner Macht befindet. «

»Hast du schon etwas von dem Garten von Jrem gehört, o König, jenem Wunder des glücklichen Arabiens?«

»Ich habe davon gehört; schließlich spricht auch der Prophet im Koran davon, in jenem Kapitel, das mit >Die Dämmerung des
Tages< überschrieben ist. Zudem: Viele Mekkapilger, erzählten wunderbare Dinge von diesem Garten Gottes. Allerdings hielt
ich bisher all dies für Fabeln, wie solche von Reisenden erzählt werden, die entlegene Länder besucht haben.«

»Du handelst nicht klug, mein König, wenn du den Berichten der Pilger mißtraust«, erwiderte ernst der Astrologe, »sie
enthalten kostbares Wissen, das von den Enden unserer Erde herbeigeholt ist. «

Und sich ruhig den langen Bart streichend fuhr er fort: »Was nun den Palast und den Garten von Jrem im speziellen anbelangt,
so ist das, was man von ihm berichtet, die volle Wahrheit. Ich habe mit diesen meinen Augen Palast und Gärten gesehen.
Höre auf den Bericht meines Abenteuers, denn er hat Bezug auf den Gegenstand meines Begehrens!«

Ibrahim überlegte eine Weile, schöpfte dann tief Atem und begann mit leiser Stimme seine Erzählung:

»In meinen jungen Jahren, als ich nichts als ein umherziehender Beduine war, hütete ich die Kamele meines Vaters, dessen
Seele Allah gnädig sein möge. Als wir einmal durch die Wüste von Aden zogen, entfernte sich eines der besten Tiere von der
Herde, verirrte sich und ging verloren. Vergebens suchte ich mehrere Tage nach ihm; müde und abgehetzt legte ich mich
eines Mittags neben einen spärlich rieselnden Brunnen unter eine schattige Palme und schlief bald ein. Als ich erwachte, fand
ich mich an den Toren einer Stadt. Ich trat ein und erblickte prächtige Straßen, Plätze, Märkte und Hallen; aber alles war still
und kein Mensch war zu sehen; es schien sich um eine verzauberte Stadt ohne Einwohner zu handeln.

Lange Zeit schlenderte ich durch die Gassen und kam endlich zu einem prachtvollen Palast mit einem großen Garten, der mit Springbrunnen und Fischteichen, Lauben und Rosenhecken geschmückt war; Obstbäume standen darin mit den köstlichsten Früchten, aber auch hier war niemand zu sehen und kein Laut zu hören. Geängstigt und erschrocken eilte ich fort, und als ich
die Stadt durch das Tor verlassen hatte, wandte ich mich nochmals um, denn zu schön für eines Sterblichen Auge war alles
gewesen. Noch einen einzigen Blick wollte ich auf Stadt und Gärten werfen, aber nichts mehr war davon zu sehen. Nur die stumme Sandwüste breitete sich vor meinen Augen aus.

In der Nähe traf ich kurze Zeit danach einen alten Derwisch, der mit den Geheimnissen des Landes wohlvertraut war, und
erzählte ihm, was ich gesehen hatte.

>Da<, sagte er mir, >war der weltberühmte Garten von Jrem, eines der vielen Wunder der Wüste. Nur von Zeit zu Zeit zeigt er
sich einem Wanderer, wie er sich dir gezeigt hat, und erfreut ihn mit dem Anblick von Türmen, Palästen, Mauern und Gartenanlagen mit Obstbäumen und farbenprächtigen Blumen, um dann plötzlich wieder zu verschwinden, derart, daß nichts zurückbleibt als die einsame und öde Wüste. Und wenn du die Geschichte dieses kleinen Pardieses wissen willst, dann höre:

In alten Zeiten, als dieses Land noch von den Additen bewohnt war, gründete der König Scheddad, der Sohn Ads, eines Urenkels von Noah, hier in dieser Gegend eine große Stadt. Als sie vollendet dastand und er die Schönheit und Größe seines
Werkes sah, schwoll sein Herz vor Stolz und Anmaßung. Sogleich beschloß er, einen königlichen Palast zu bauen und diesen
mit Gärten und Anlagen zu umgeben, solcher Art, daß sie alles in den Schatten stellen würden, was uns der Koran vom
himmlischen Paradies erzählt. Doch Hochmut kommt vor dem Fall, lehrt uns das Sprichwort, und den stolzen König traf des
Himmels Fluch.

Er und seine Untertanen vergingen und verschwanden von der Erde, und seine Stadt, seinen prächtigen Palast und die herrlichen Gärten bannt ein ewiger Zauber, der sie vor jedem Menschenauge verbirgt. Nur manchmal steigen sie aus dem Nichts auf, und dann sieht ein Sterblicher des vermessenen Königs Werk, damit so dessen Sünde in steter Erinnerung
bleibe.<

Diese Geschichte des alten Derwischs und die Wunderwerke, die ich selbst gesehen habe, blieben in meinem Gedächtnis haften, und in späteren Jahren, als ich bereits in Ägypten gewesen und im Besitz des Buchs des Wissens des weisen Salomon war, beschloß ich, wieder in die Wüste bei Aden zu gehen, um den Garten von Jrem nochmals zu suchen.

Ich brach auf und fand ihn bald meinem sehenden Blick erschlossen.

Ich zog ein in den Palast des Scheddad und brachte mehrere Tage in diesem kleinen Paradies zu. Die Genien, die des Königs
Heim bewachten, gehorchten meiner magischen Kunst und offenbarten mir die Bannsprüche, deren Zauberkraft den Garten
ins Dasein rief und ihn dann wieder unsichtbar machte.

Eine solche Königsburg und gleiche Gärten kann ich für dich, friedfertigster aller Könige, hier auf den Berg oberhalb deiner
Hauptstadt leicht hinbauen. Kenne ich nicht alle die geheimen Zaubersprüche? Und bin ich nicht der einzige Besitzer des
Buchs des Wissens, das schon den weisen Salomon berühmt machte?«

»Oh, großer Sohn des weisen Abu Ayub», rief Aben Habuz mit vor Begierde zitternder Stimme, »du bist fürwahr ein großer
Mann, der weite Reisen unternommen und viel gesehen und gelernt hat! Verschaffe mir ein solches Paradies und fordere jeden Lohn! Dein soll er sein, und verlangtest du auch die Hälfte meines Königreichs.«

»Ach was!« erwiderte der andere, »du weißt, ich bin ein alter Mann und ein Philosoph, der dürftig lebt und leicht
zufriedengestellt werden kann. Gib mir als Lohn das erste Lasttier mit seiner Bürde, das durch das magische Portal des
Palastes schreitet.«

Der König bewilligte mit Freuden einen von soviel Zurückhaltung zeugenden Wunsch, und der Astrologe begann sogleich sein Werk.

Unmittelbar über seiner Klause ließ er auf dem Gipfel des Hügels einen großen und weiten Torweg bauen, der mitten durch
einen festen Turm führte.

An der Außenseite war ein Portikus mit hohem Bogen, und drinnen ein Innenhof, den starke Türflügel abschlossen. In den Schlußstein des Portals meißelte der Astrologe eigenhändig einen großen Schlüssel; den zentralen Keilstein des äußeren Bogens der Halle - er war höher als der des Tores - versah er mit einer riesigen Hand.

Diese beiden Zeichen verkörperten mächtige Zaubermittel, über die er viele Sprüche und Formeln in einer unbekannten Sprache murmelte.

Als dieser Eingang vollendet war, schloß er sich zwei Tage lang in seiner astrologischen Studienhalle ein und beschäftigte sich
ununterbrochen mit geheimen Beschwörungen. Am dritten Tag endlich stieg er den Hügel hinauf und verweilte von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang auf dessen Gipfel. Erst in später Nachtstunde kam er herunter und ließ sich sogleich dem König Aben Habuz melden.

»Endlich, mein König«, sagte er, »ist meine Arbeit vollendet. Auf dem Gipfel des Hügels erhebt sich einer der wunderbarsten Paläste, die je eines Menschen Geist erdacht oder das Herz eines Sterblichen erfreut hat. Du findest prächtige Säle, herrliche
Hallen und Gänge, köstliche Gärten, kühle Brunnen und wohlriechende Bäder. Kurzum: Der ganze Berg ist in ein himmlisches
Paradies verwandelt. Gleich dem Garten von Jrem schützt ihn ein mächtiger Zauber, der das Lustschloß vor den Augen und
den Nachforschungen der gemeinen Sterblichen verbirgt und nur die dort alles Schöne genießen läßt, denen der Zauber kein
Geheimnis ist.«

»Genug!« rief Aben Habuz erfreut, »morgen früh mit Tagesanbruch wollen wir hinaufsteigen und dein Meisterwerk besichtigen.«

Wenig schlief der glückliche König in dieser Nacht. Kaum vergoldeten die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne die verschneiten Gipfel der Sierra Nevada, als er schon zu Pferd stieg und, nur von einem kleinen Gefolge begleitet, den steilen
und schmalen Weg zum Gipfel des Berges hinaufritt.

Neben ihm trabte auf einem weißen Zelter die gotische Prinzessin, angetan mit einem herrlichen, von Juwelen blinkenden
Seidenkleid; die silberne Leier trug sie an einer mit Perlen besetzten Goldkette, leicht über die Schulter gehängt.

Gestützt auf seinen Hieroglyphenstab schritt langsam zu Fuß der Astrologe dahin, denn er bestieg nie ein Pferd.

Aben Habuz blickte sich um. Er suchte auf der Höhe des Berges den Palast, die Türme, die schattigen Terrassen und duftigen
Gärten. Doch nichts war von all dem zu sehen.

»Darin liegt eben das große Geheimnis«, sagte der weise Ibrahim, »und darin liegt auch die Sicherheit des Ortes, denn niemand kann das Schloß und die Anlagen sehen, der nicht den zaubergeschützten Torweg durchschritten oder )die Bergkuppe erobert hat.«

Als sie sich dem Eingang näherten, blieb der Magier stehen und zeigte dem König die in Stein gehauene mystische Hand und
den Schlüssel und sagte zu seinen Begleitern, lauf Portal und Bogen hinaufweisend: »Das ist der Zauberbann, der den Eingang ins granadinische Paradies schützt.

Jene steinerne Hand muß zum Schlüssel im Keilstein heruntergreifen und ihn fassen, dann erst zerbricht der Zauber. Weder
menschliche Gewalt noch Zauberkunst können, ohne daß dies geschieht, dem Herrn dieses Berges Schaden zufügen.«

Während der alte Aben Habuz mit offenem Munde und stummer Verwunderung die mystischen Zeichen anstarrte, schritt das
Pferd der Prinzessin langsam weiter und trug sie in das Portal hinein, durch den Portikus hindurch bis in die Mitte des Außenwerkes.

»Sieh dort«, rief in eben diesem Augenblick der weißbärtige Astrologe, »da geht der mir verheißene Lohn. Das erste Tier, das
durch den magischen Eingang schreitet, gehört mit seiner gesamten Last mir! «

Aben Habuz lächelte bei diesen Worten Ibrahims; er hielt .,alles für einen scherzhaften Einfall des alten Mannes.

Aber als er sah, daß das kein Spaß war, rief er zitternd vor Wut und Zorn: »Sohn des Abu Ayub! Betrüge mich nicht, lege dich
nicht mit mir an! Du kennst genau den Sinn meines Versprechens. Gemeint war das erste Lasttier, das mit seiner Bürde
durch das Portal schreitet. Das und nichts anderes wollte ich sagen. Nimm den stärksten Maulesel -'aus meinen Ställen, belade ihn mit den kostbarsten Schätzen meines Reiches, und sie sind dein; aber erdreiste dich nicht, mir jene Frau
abzufordern, die die Wonne und das Glück meines Herzens ist. «

»Was soll ich mit all dem Reichtum aus deiner Schatzkammer«, rief verächtlich der Magier aus Arabien, "habe ich nicht das
Buch Salomons des Weisen, mit dessen Hilfe ich über alle verborgenen Schätze der Erde gebiete? Dein königliches Wort ist
verpfändet, und die schöne Christin gehört dem Wortlaut des Vertrages nach nun mir. Sie ist mein Eigentum von diesem Augenblicke an.«

Die Prinzessin blickte stolz von ihrem Zelter herab, und ein leichtes Lächeln des Hohnes kräuselte ihre rosigen Lippen bei diesem Streit der beiden alten Männer um den Besitz der durch sie verkörperten Jugend und Schönheit.

Der König konnte sich indessen nicht länger beherrschen; der Zorn übermannte ihn, und alle Vorsicht vergessend rief er laut:
»Du Hundesohn der Wüste! Du magst Meister vieler Künste sein, aber dein Meister bin ich und werde es immer sein! Treibe
nicht mit deinem Herrn und König Scherz. Das könnte dich teuer zu stehen kommen! «

»Mein Meister! « wiederholte wild lachend der Astrologe, »was Ihr nicht sagt, mein König! «

Aus Ibrahims Blicken zuckten Blitze, als er fortfuhr: »Der Besitzer eines elenden Maulwurfshügels will den beherrschen, der
über das Wissen Salomons gebieten kann? Regiere du dein kleines Reich und schwelge, du geiler Greis, in deinem Narrenparadies. Ich hohnlache über dich und deinesgleichen in meiner philosophischen Einsamkeit. Leb wohl, Aben Habuz!«

Bei diesen Worten faßte er die Zügel des edlen Pferdes, stieß seinen Zauberstab in die Erde und versank samt der gotischen
Prinzessin durch den Boden in der Mitte der Torganges. Die Erde schloß sich über ihnen gleich wieder, und keine Spur deutete hin auf den furchtbaren Vorgang.

Aben Habuz war sprachlos vor Erstaunen, als er da hilflos mitansehen mußte, wie die Erde Roß und Reiterin und Zauberer
verschlangen. Aber er war bald wieder Herr seiner Sinne, rief Tausende von Arbeitern herbei und ließ sie pausenlos mit
Hacken und Schaufeln an der Stelle graben, wo der Astrologe kurz zuvor verschwunden war.

Sie gruben und gruben, doch vergebens; der felsige Grund des Berges widerstand ihren Werkzeugen, und wenn sie nach harter Arbeit wirklich eine kleine Grube gegraben hätten, dann rieselten der Sand und die Erde zurück und füllten die eher unscheinbare Vertiefung wieder aus. Aben Habuz suchte unterdessen den Eingang zum unterirdischen Palast des Astrologen. Gleichfalls vergebens, denn wo ehemals der Zugang war, da fand er nur eine glatte Felswand ohne Spalt und Loch.

Mit dem Verschwinden des Ibrahim Ibn Abu Ayub erlahmten auch die geheimen Kräfte und Eigenschaften des Talismans auf dem Turm der Königspfalz.

Fest und still stand von nun an der bronzene Reiter, Gesicht und Speer dem Tor zugekehrt, wo der Astrologe mit der schönen
Gotengräfin verschwunden war, als ob dort der wahre Feind des Königs sich aufhalte.

Von Zeit zu Zeit vernahm man aus dem Innern des Hügels Musik und Gesang, und ein Bauer brachte sogar einmal dem König
die Nachricht, daß er in der vergangenen Nacht im Fels einen Spalt gefunden habe, durch den er hineinkriechen und in eine
unterirdische Halle von seltener Schönheit und Pracht habe hinabblicken können.

Der weißbärtige Astrologe Ibrahim habe dagesessen, schlummernd und träumend auf bequemen Daunenpolstern, umwoben
von den magischen Silbertönen, die die schönste Gotin ihrer Leier entlockte.

Aben Habuz machte sich sofort auf die Suche nach dem Spalt im Felsen, doch der hatte sich wieder geschlossen.

Abermals wollte er seinen Nebenbuhler und die geraubte Prinzessin ausgraben und den Weg zum magischen Palaste finden; aber alle Versuche blieben vergebens. Zu mächtig war der Zauber von Hand und Schlüssel in den Kei staunen des festen Portals; weder Menschenmacht noch Menschenkraft konnten ihn unwirksam machen und den Bann brechen.

Die Kuppe des Berges blieb nackt und leer; der verheißene Palast mit den Wundergärten unsichtbar. Die Leute nahmen aber
an, daß alles nur ein Märchen des Astrologen gewesen sei, und so nannten die einen den Platz, wo dieses Paradies hätte
stehen sollen, »Des Königs Torheit«, während ihn andere »Des Narren Paradies« nannten.

Um den Kummer des friedlichsten aller Könige und unglücklichsten aller Liebhaber noch zu vermehren, regten sich auch seine
feindlichen Nachbarn wieder. Bald hatten sie erkannt, daß sich der ihn schützende magische Zauber verflüchtigt hatte und er
gleich allen anderen Sterblichen A', um Macht und Besitz kämpfen mußte.

Als Aben Habuz noch vom Zauberreiter beschützt und bewacht war, als er auf dem Schachbrett des Turmzimmers mit der kleinen Lanze Heere vernichtete, hatte er stolz seine Angreifer gereizt und verhöhnt.

Nun fielen diese in sein Land ein, trugen reiche Beute davon und verbitterten so den Rest des Lebens des ehrwürdigsten und
tugendhaftesten Königs, den es je gab.

Endlich starb Aben Habuz und wurde begraben.

Jahrhunderte sind seitdem verflossen. Kunstbegeisterte Fürsten erbauten auf dem so ereignisreichen und berühmten Hügel
die Alhambra, wo der Traum vom Garten Jrem Wirklichkeit wurde und wir heute noch ein zu Stein gewordenes Märchen aus
Tausendundeiner Nacht bewundern können.

Noch steht der verzauberte Eingang unversehrt da; der Zahn der Zeit konnte ihm nichts anhaben. Es ist die Puerta de la
Justicia, das Tor der Gerechtigkeit, der Hauptzugang zur alten Maurenpfalz.

Noch immer schützen ihn die von Ibrahim gemeißelte Hand und der Schlüssel, und unterm Turm soll der Überlieferung nach in
seiner unterirdischen Halle der alte Astrologe hausen und auf einem Diwan dahindämmern, vom Klang der Leier der
Gotenprinzessin in den Traum gewiegt.

Die alten Veteranen, die am Tor der Gerechtigkeit Wache halten, vernehmen von Zeit zu Zeit in lauen Sommernächten die
bannenden Töne der silbernen Leier und schlafen dann, alles vergessend, ruhig ein. ja, der Zauber ist so stark, daß man auch
tagsüber die Posten dieses Außenwerkes auf den steinernen Bänken träumend oder unter den nahen Bäumen schlafend,antrifft. Es dürfte sich um das einschläferndste Quartier der ganzen Christenheit handeln.

All das, sagt die alte Legende, wird noch Jahrhunderte dauern. Die gefangene Prinzessin wird fortfahren, den Astrologen in
bannenden Schlummer zu halten, bis endlich am jüngsten Tag die Posaunen zum letzten Gericht rufen, oder bis die mystische Hand nach dem magischen Schlüssel greift und so den auf dem Berg liegenden Zauber wirkungslos macht und aufhebt.


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Augen zu und durch
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