Marokko vor 48 Jahren - längst vergangene Zeiten

1970, Düsseldorf, Büro, ziemliches Chaos, hier geologische Karten, Profilhandskizzen, dort Kisten voller Erz/Gesteinsproben, alles auf Bearbeitung und Analysen harrend. Klingeling, das Telefon - oh, die Nummer der Chefsekretärin - Herr Doktor, der Chef muss sie unbedingt sprechen, können sie raufkommen? Auweia denkt man sofort, was hast du ausgefressen, dass man jetzt zum obersten Chef muss? Aber nein, freundlichster Empfang, Glückauf! lieber Doktor....Glückauf! Herr Bergassessor, Kaffee odet Tee? Wir haben ein großes Problem: der einzige Lieferant von hochreinem Feuerfest-Magnesit erpresst uns seit längerem. Also, wir brauchen Zugriff auf eigene Lagerstätten und Gruben. Habe gerade mit unserem Mann vor Ort in Casablanca gesprochen und er sagt "all das gibts in Marokko". Da sie der Einzige hier sind der fließend Französisch spricht, fliegen sie da morgen hin, das erforderliche Visum besorgt vor Ort unser Mann.
Nächster Tag, Landung um 16h in Casa. Der Flughafen befand sich noch in Anfa, alles sehr überschaubar. Direkt hinter der Polizeikontrolle stand ein Mann mit meinem Namensschild und wies mich auf den Diplomatenzugang. Dort, in einem Zimmer, ein äusserst freundlicher Polizeibeamter in Zivil, der mir sofort ein Dauervisum in den Pass stempelte. Lateinamerikanisch gut geschult, habe ich unseren Mann namens Mohamed nicht gefragt, wie er das zustande gebracht hat. Ab ins Hotel, abends bei Mohamed zum Essen eingeladen, sehr nette, gastfreundliche Familie. Ach übrigens, morgen früh holt sie der Geologe Said M. ab, sie kennen sich ja aus Deutschland. Wie? Said M., der an der Bergbauuni in Geologie promoviert hat? Genau der!
Punkt 7h30 stand am nächsten Morgen Said vor dem Hotel. Herzliche Begrüßung und los gings. Casablanca, eine saubere Stadt von ca 600.000 Einwohnern war schnell durchfahren, auf der RN1 durch alle Dörfer in Richtung Rabat (von wg. Autobahn oder Rabat-Umgehungsstraße), mitten durch die Stadt, links die alte Kasbah, rechts das "Franzosenviertel", vor der Brücke über den Bou Regreg noch schnell ein Vaterunser gebetet, dann über Sale, Tifnit, Khemisset nach Meknes. Dort wurde erstmal ein Tee getrunken.
Danach in Richtung Azrou, über Boufekrane, El Hajeb. Jetzt wird es wie im Harz, das kennst du ja, sagte Said. Tatsächlich, kurvenreiche, enge Straße, rauf, runter, erste Wälder. Auf der Ito-Anhöhe angelangt, angehalten, ein herrlicher Ausblick auf das tief unten liegende Adarouchental und die Zayaneberge. Kurzer Spaziergang in die Landschaft und dann Said: du hast mich auf dem Sonnenberg einmal an eine ziemlich unbekannte Stelle geführt, wo wir schöne schwarze Turmaline gefunden haben. Jetzt bedanke ich mich dafür. Siehst du hier etwas Rundes am Boden, aufheben und mit dem Hammer drauf. Manchmal verbarg sich dort schönster Amethyst. Exemplare zieren noch heute meinen Mineralienschrank. Ankunft in Azrou, Hotel Panoramique (gibt es noch heute, etwas altmodisch, aber immer noch gut). Die Französin an der Rezeption: ah, sie sind Elsässer, man hört es an der Aussprache. Nein Madame, etwas östlicher davon. Oh, Deutscher, herzlich willkommen, sie sind der Erste hier. Abends gut mit köstlichem Rotwein gegessen. Nach dem Frühstück, Frage an Said: wo fahren wir jetzt hin? Was fahren? Komm mit raus! Vor dem Hoteleingang standen 3 Mulis, 3 Esel und 3 junge Burschen, sehr gut Französisch sprechend, Absolventen des berühmten "Lycee berbere d´Azrou" (heute Lycee Tarik und nicht mehr so bedeutend). Sie studierten in Meknes, verdienten sich ihr Taschengeld durch Mineralienverkauf an der Stadtausfahrt (aber kein Beschiss), kamen alle aus dem Dorf Ait Ali ou Yacoub. Und los ging es, ab in die Berge, zu Fuß, auf dem Muli, je nach Bedarf. Nach kurzer Zeit war man im Zedernwald verschwunden. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Dabei immer eine lebhafte Unterhaltung, fachlich, und abseits davon. So lernte ich die ersten Worte der dort üblichen Landessprache, asserdoun ist das Muli, aghiul der Esel. Vorbei an schwarzen Nomadenzelten, kleine Kinder davor, einen Ausländer sehend und: aura argas arrumi = komm rein Ausländer. Tat man das, wurde sofort bester Tee angeboten, alle sehr gastfreundlich und liebenswert.
So lernt man langsam ein Land von der Basis kennen.