Die Toten an Europas Grenzen (Plakatserie)

Im Rahmen des von TKI-open 2012 geförderten Projekts FRONTEX-WATCH von FREIRAD 105.9 wurden zwischen Februar und November diesen Jahres, nicht nur Hintergrundinformationen über die Festung Europa, sondern auch die Dokumentation eines Widerstands, der sich transkontinental gegen das Unrecht an den europäischen Außengrenzen und innerhalb von Europa organisiert, gesendet. Ein regelmäßiger Bestandteil der Sendung war die Veröffentlichung der Todesmeldungen, die seit 1993 von der niederländischen NGO united against racism aus zahlreichen Quellen zusammengetragen wurden. Von 1993 bis Juni dieses Jahres wurden 16.264 Tote gezählt. Ungewiss bleibt, wie viele Menschen tatsächlich durch die europäischen Migrations- und Grenzpolitik gestorben sind.
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Die Aneinanderreihung von Todesmeldungen, die lediglich über den Zeitpunkt des Verschwindens bzw. des Auffindens der Leichname, den Ort und die Art des Todes, sowie dem Herkunftsland Auskunft geben, orientiert sich in der Form an den Vermisstenlisten der Weltkriege. Im Unterschied zu den Listen von vermissten Soldaten enthalten die Todesmeldungen von den Grenzen Europas nur selten Namen.

Diese Totenlisten zeigen nicht nur das unermessliche Leid an den europäischen Grenzen, die im Außen, aber auch im Innen – Flüchtlingsheime, Abschiebezentren, Gefängniszellen – verlaufen. Anhand der Todesmeldungen lassen sich Fluchtrouten, konzentrierte Grenzeinsätze oder mediale Aufmerksamkeiten in ausgewählten Grenzregionen verfolgen.

Die Todesmeldungen wurden in [einer] Plakatserie mit zwei Sätzen überschrieben: „Seit 1993 sind tausende Menschen in Folge der europäischen Grenzpolitiken gestorben. Wir trauern um sie.“ Diese Sätze sind unser Kommentar zum Geschehen an den europäischen Grenzen. Wir benennen, dass es Verantwortliche für die ungezählten Toten gibt. Es liegt nicht in der Verantwortung der Toten, dass sie gestorben sind, sondern ihr Sterben wurde durch ein kompliziertes Ineinanderwirken unterschiedlicher Machtinteressen und Systeme, der militärischen Überwachung der Außengrenzen, einer Verlagerung der europäischen Grenzen in den Süden und Osten und einem bürokratischen Verwaltungsapparat zur Verwahrung von Flüchtlingen und Migrant_innen im Inneren Europas herbei geführt. Das (bewaffnete militärische) Vorgehen gegen unerwünschte Migration fordert Tote. Mit der Veröffentlichung der Todeslisten sprechen wir gegen das Vergessen und Verschwinden. Wir möchten dazu beitragen, Fragmente von Leben zusammenzutragen und bekunden, dass jeder Tote, jede Tote einen Verlust darstellt, nicht nur für ihre Familien, sondern für unsere Gesellschaft.

Mit den Ausstellungsorten, verteilt über das ganze Bundesland, bildet sich ein sichtbares Netz aus Gegner_innen der europäischen Abschottungspolitik. Es wird sichtbar, dass die Politik der Festung Europa keinen ungeteilten Zuspruch findet, sondern sich zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen gegen dieses Unrecht aussprechen.


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Filmtipp zum Thema:

Innsbruck: Filmpräsentation “Schneeglöckchen” im Leokino in Anwesenheit der Regisseurin Jenny Gand
Unter dem Motto “Solange Menschen aus Tirol abgeschoben werden, ist uns nicht nach Weihnachten zumute!” präsentiert heute Abend die Initiative Bleiberecht die Preview des bisher noch nicht öffentlich gezeigten neuen Kurzfilms “SCHNEEGLÖCKCHEN” im Leokino. Die Regisseurin Jenny Gand wird dabei anwesend sein und eine Einführung in den Film geben mit anschließender Diskussion zum Thema Flucht und Asyl.
Jedes Jahr nach der Schneeschmelze werden in den Wäldern der Slowakei und Ukraine, an der Außengrenze der EU, die Leichen erfrorener Flüchtlinge gefunden. Sie werden „Schneeglöckchen” genannt. Eine kleine Gruppe von Flüchtlingen versucht mit Hilfe von „Schleppern“ die grüne Grenze zwischen der Ukraine und der Slowakei zu überwinden.
Darunter ist der 33-jährige Yassir aus Somalia und Seda, eine Armenierin, die mit ihrer 12-jährigen Tochter Armine versucht, nach Österreich zu flüchten. Dort hofft sie ihren Mann und Armines Vater Hanri wieder zu treffen. Aber die Flucht wird durch den Verlust von Armines Glücksbringer, einer Schneekugel, gefährdet …

SCHNEEGLÖCKCHEN ist ein Film über Hoffnung und Träume, aber auch über die Härte des Lebens im modernen Europa. Als verhältnismäßig kleines Projekt widmet sich „Schneeglöckchen” einem großen sozialen Anliegen: Der Film will für das Thema Flucht und die damit verbundenen Verletzungen, Verlust- und Angsterfahrungen sensibilisieren und den oft transportierten, anonymen Zahlen von Flüchtlingen ein Gesicht geben. „Schneeglöckchen“ entstand in Kooperation unter anderen Organisationen der Flüchtlingsarbeit mit dem Flüchtlingsprojekt Ute Bock und Asyl in Not.


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