Hallo,

Vorneweg:

whatshername61 am 02/08/2012

Original geschrieben von: whatshername61 am 02/08/2012
Re: Ramadan - so schlimm wars gar nicht

...Da mein Umfeld, wie ich, vorwiegend atheistisch ist und diese Diskussionen immer nur theoretisch geführt werden, habe ich das Fasten ausprobiert. In meiner härtesten Arbeitswoche und in der wärmsten Woche dieses Sommers in Deutschland. Es ist weder schwer noch leidest du, wenn es im Kopf durch ist.
Meine Schlussfolgerung: Bei einer guten Gesundheit und einem normalen Arbeitstag, ist das Fasten nicht so anstrengend und schädlich, wie von "Nichtkennern" behauptet.
Und soweit ich es verstanden habe, gilt das Fasten für Kranke oder Alte nicht...


KöcheInnen sind davon ausgenommen? CRAZYSMILY Oder ist das bloß wieder `ne Forums-Ente?


Mir gefällt die Toleranz, mit denen die Muslime, die ich persönlich kenne, anderen Religionen (auch Atheisten) entgegenkommen. Wie ist das bei uns zu Weihnachten? Wer hat schon mal einen muslimischen Kollegen, Freund oder Nachbarn dazu eingeladen?


Ramadan - Mittendrin

Da ich es letztes Jahr nur ein paar Tage ausprobieren konnte, habe ich mir gedacht, dieses Jahr ziehe ich es die volle Zeit durch. Mir geht es weder um religiöse noch um spirituelle Effekte, aber dieses Gerede von man MUSS aber trinken und wenn man Hunger hat MUSS man essen. Ich bin davon überzeugt, dass die wenigsten, die diese Worte in den Mund nehmen, wirklich wissen, was Hunger ist. Der Mensch kann 3 Tage ohne Wasser und 6 Wochen ohne Nahrung überleben (Durchschnittswerte! Es gab nach Erdbeben und anderen Katastrophen Menschen, die nach 10 Tagen lebend gerettet wurden.). Während des Ramadans wird gegessen und getrunken, nur zu anderen Zeiten! Obwohl…, viele Marokkaner essen sowieso oft spät. Da gab es doch auch schon Belehrungen in diesem Forum… Ich persönlich bin der Meinung, dass das Essen bei uns einen zu hohen Stellenwert hat. Die Menschen werden zu fett. Wer sich folgende Statistik mal anschaut, erkennt, dass Übergewicht ein Problem in der westlichen Welt ist.

http://www.welt.de/gesundheit/article108401364/800-000-Kinder-in-Deutschland-sind-fettleibig.html

Das Schnitzel, die Bock- oder Bratwurst, die Sülze oder die Bulette wird sich der Deutsche nicht mehr vom Speiseplan nehmen lassen. (Die Aufzucht und Schlachtung von Schweinen wird heute sehr genau beobachtet und kontrolliert, so dass das Fleisch dieser Tiere qualitativ in Ordnung ist. Obwohl jeden Tag ein Schnitzel wahrscheinlich genauso gesundheitsschädigend ist, wie die tägliche Schachtel Zigaretten.) Dafür könnte man hier einen AntiFett- oder FrissNichtSoVielParagraphen einführen. Denn Fettleibigkeit führt zu gesundheitlichen Problemen.

http://www.eufic.org/article/de/expid/basics-fettleibigkeit-ubergewicht/



Ich bin also, wie alle Fastenden seit dem 9.7. mit dabei. Zurzeit arbeite ich in einem Saisonrestaurant. Lecker Futter den ganzen Tag vor der Nase! Dass bei uns von morgens bis abends warme und kalte Küche gekocht und zubereitet und frisches Obst, Kuchen, Waffeln, Eis und Getränke angeboten wird, stört mich nicht. (PS.: Für Personal ist Essen und Trinken gratis.) Vom ersten Tag an, war es für mich kein Problem. Kurz vor Ende des Tages knurrte in der ersten Woche ein bisschen der Magen. Aber wenn man unterwegs ist oder auf Freunde zum Abendessen wartet, knurrt er manchmal auch und man rennt nicht gleich los und stopft sich voll, sondern wartet.
Auch das (nicht) Trinken war überhaupt kein Problem. Die Temperaturen sind diesen Sommer schon sehr warm (28/38° + ca. 10/15° Küchentemperatur zeitweise dazu, nachts etwas kühler), aber bei 50° Dauertemperatur in der Wüste stelle ich es mir etwas schwerer vor, aber dafür haben die dort den Vorteil, dass alle mitmachen. Ich bin allein und in einer gut laufenden, ständig duftende Gaststätte. Ich denke, das gleicht sich aus.

Ich weiß, dass es für euch um mehr geht als nur das Fasten. Aber das ist ein anderes Thema.


Meine Bilanz:

Was war das Schwierigste in dieser Zeit?
Die Kunst Essen zuzubereiten, ohne zu probieren. Das ist eine neue Erfahrung.

Weiterhin

Bestätigung der Schlussfolgerung vom letzten Jahr: Es ist weder schwer, noch leidest du, wenn es im Kopf durch ist… Bei einer guten Gesundheit und einem normalen Arbeitstag ist das Fasten nicht so anstrengend, wie von Nichtkennern behauptet.

Das Erstaunlichste!

Meine Umwelt hat nichts mitbekommen, obwohl wir 10 bis 14 Stunden zusammen arbeiten. Sie werden wahrscheinlich erst durch Medien und offen getragene religiöse Symbole aufmerksam. (Das ist eine persönliche Annahme. Wäre auch mal einen Test wert.)

Zum Schluss:

- Mir schadet das Fasten nicht. Ich fühle mich wohl. Die letzten paar Tage schaffe ich auch noch.
- Die „Selbstdisziplin“ ist nicht einmal halb so anstrengend, wie es manche denken. Es stört mich wirklich nicht, dass um mich herum gegessen und getrunken wird.
- Ein paar Gramm weniger habe ich auf den Rippen. Die lasse ich mir für meinen Urlaub. Da gibt´s dann sicher wieder viel selbst Gekochtes bei Freunden.
- Den Charakter hat´s ein wenig gestärkt. Vielleicht mache ich es irgendwann noch einmal. Eine Einladung nach Marokko für 2014 liegt schon vor.
- Anderen Völlerei vorzuwerfen und selbst nach Weihnachten die Kilos zählen, die den Schwimmgürtel vergrößern, finde ich geheuchelt.
- Wie bereits von einigen Beiträgen am Anfang des Threads bewiesen wurde, ist das Fasten nicht ungesund und der Ramadan verstärkt den Zusammenhalt der Menschen, die es gemeinsam tun. So wie bei uns Weihnachten eine Vielzahl Menschen seelig grinsend durch die Straßen laufen und allen ein „Frohes Fest“ wünschen, Familie und Freunde gemeinsam Zeit miteinander verbringen, ist dies das Fest der Moslime.

Was mir am meisten fehlte...

Die morgendliche Tasse Kaffee!

Was ich nicht verstehe:


Warum müssen jedes Jahr in einem Ramadan-Thread in diesem Forum die Moslime während ihres wichtigsten Festes belehrt und kritisiert werden, statt diese Zeit zu nutzen und zu gegenseitigem Verständnis beitragen?

Mir persönlich ist es egal, ob jemand fastet. Jeder hat das Recht, dieses selbst für sich zu entscheiden und wir sollten uns nicht einmischen. Auch einige europäische Traditionen kommen anderem manchmal merkwürdig vor.

Es wäre viel interessanter, neugierig ein paar Erfahrungen MITEINANDER zu machen.
Die Sache mit dem Gesetz ist diskussionswürdig, aber sachlich. Denn eine gesellschaftliche Entwicklung findet nicht von heute auf morgen statt. Sie ist ein Prozess, den jedes Land für sich selbst lösen muss. Eine Einmischung von uns ist wieder mal so überflüssig, wie eine Flasche mit seinem Lieblingsgift um den Hals zu tragen.


DAS WICHTIGSTE FÜR MICH

Fünf meiner moslemischen FreundeInnen waren eingeweiht und haben mir mit Rat und ein abwechslungsreichen Gesprächen zur Seite gestanden (4 von ihnen haben gefastet). Ihnen bin ich dankbar und ich bin froh, dass es Menschen wie sie gibt. Ich denke, das ist ein Gefühl, dass der Ramadan uns vermittelt.

LG
Katrin

noch was

Shakir,

Original geschrieben von: Shakir
Ich habe nicht das Gefühl, dass Muslime besonders hohe Ansprüche haben, was die Behandlung durch Nichtmuslime anbelangt. Sie wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden - ja, ignoriert werden.


Das klingt für mich traurig oder resigniert. Sich in Ruhe lassen, ist eine Abgrenzung. Auch wenn ich verstehe warum, so grenzt man sich auch von denen ab, die gern Multikulti um sich haben. Und dann entsteht plötzlich das, was man als Subkultur versteht. Ich persönlich finde es schade, dass aus einer tollen Chance so ein kaltes Neben- bis Gegeneinander wird.

Ich hatte mal eine Freundin zu Besuch und sagte ihr: „Ich sage nicht, dass du Moslima bist. Sie erwiderte: „Du kannst ruhig.“ Daraufhin sagte ich nur: „Ich stelle meine anderen Freunde auch nicht vor: Schau mal das ist C. Sie ist Christin. Du bist meine Freundin und gut. Alles andere wird sich ergeben.“

Weißt du, ich finde es schlimm, dass Menschen nicht nach ihren Taten und ihrem Charakter, sondern nach Religionen, Klamotten, Musikstilen, ihrem Job, Zugehörigkeit zu Sportvereinen usw. beurteilt werden. Das ist oberflächlich.



Lothar,


Antwort auf:
Der Islam gehört zu Deutschland" ist bestimmt nicht nur die Meinung einer unbedeutenden Minderheit.


Die Aussage stimmt. Es ist eine Sache der Wahrnehmung. Seit in Deutschland Türken, Marokkaner…. leben, gehören diese Menschen und ihre Familien (inzwischen schon hier Geborene und deren Kinder) zu Deutschland und logischer Weise auch ihre Lebensweise. Auch wenn es so nicht wahrgenommen wird, so ist das ein Fakt. Es geht also nicht um Meinungen, sondern um Realitäten.

Ich lese gerade ein Buch zum 2. Mal. „Der lügende Hund“ von Kaddour El Karrouch, weil es mich so gefesselt hatte.

Auszug:
Früher hatte ich eine Lebensversicherung abgeschlossen und wollte damit in Deutschland eine Wohnung kaufen. Aber in der Zeit des Golfkrieges, der Solinger Ereignisse, der Rechtsradikalen und einiger heranwachsender Parteien sagte man mir, ich sei hier unerwünscht. Da musste ich alles auflösen und an die Flugscheine denken. ich wünschte mir, dass ich damals eine Hütte in Marokko gekauft hätte.
Es kommt nicht darauf an, wie lange ich hier bleiben will, sondern wie lange du mich hier haben willst.


Ist es nicht schlimm, dass Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben, deren Kinder und Enkel hier geboren wurden, immer noch als Fremde gelten? DAS ist für mich staatlich tolerierter Rassismus. Es ist unerheblich, ob die Deutschen das Gefühl haben, dass der Islam zu Deutschland gehört oder nicht. Es ist ein nicht zu leugnender Fakt.

Eine kleine Story so nebenbei, frei lebende Tiere aus anderen Regionen der 3. Generation gelten als einheimische Tierart. Bei uns sind mal Kängurus aus einheimisch. smile
Wir haben Tiere wohl doch lieber als Menschen. frown

Der Islam gehört nicht erst seit dem Einzug der Türken und Araber nach 1960/70 zu unserer Kultur. Sie haben unsere Kultur mitgeprägt. Sie haben über Wissenschaften Einfluss auf unsere Kultur genommen, z.B. in der Optik, der Astronomie, der Medizin, der Pharmazie haben sie unsere westliche Zivilisation mitgeprägt. Der Kompass ist eine ihrer Erfindungen. Es gab und gibt schon immer mulimisch-geprägte Staaten in Europa.

Wenn ich jetzt in die Hände klatschen würde und danach würden alle Einflüsse von Muslimen auf unsere Kultur verschwinden: Amerika wäre nicht entdeckt worden (wäre vllt. nicht das Schlimmste laugh ). Die Mondlandung hätte nicht stattgefunden. Unser hoch gelobtes Gesundheitswesen hätte auf einigen Gebieten keine Heilmöglichkeiten…
Also ich klatsche lieber nicht, sondern lasse sie unter uns, mit uns leben.

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Ich toleriere „euch“ Muslime nicht. Ich ignoriere „euch“ nicht.

Muslime müssen in Europa weder integriert, noch toleriert, migriert, angepasst oder sonst was werden. Sie waren schon immer da.

Ich finde diese Art der Diskussion falsch, weil sie Muslime als Fremdkörper assoziieren. Sie sind keine anderen Menschen als alle auf dieser Welt. „Ihr“ seid nicht besser oder schlechter als jeder andere. Es gibt auch kein „ihr“. Und ich fange auch nicht an, mich fremd zu schämen, weil es Medien und Menschen gibt, die uns einreden, dass wir verschieden sind. Für mich gibt es nur ein WIR mit verschiedenen Interessen, Meinungen, Lebensweisen, Charakteren. Das macht das Leben bunt und wunderbar.

"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen."
Johann Wolfgang von Goethe

LG
Katrin

Jetzt hab ich endlich meine 20 000 Worte für heute voll.
Wann bekomme ich endlich wieder meinen Morgenkaffee??????????????????


When the rich wage war
is the poor who die.
LP