Kompliment für deinen Beitrag Shakir -du hast eine Gabe zum Spiegeln, wie ich dir schon mal sagte, und zwar darüber, dass du dich Selbst thematisierst, und/oder aber in satirischer Weise schreibst...
In deinem Beitrag kommt ganz viel Unsichtbares zum Ausdruck, nämlich sich das Privileg zu nehmen, andere zum Rede und Antwort stehen zu verpflichten.
Als MuslimIn bist du andauernd markiert als "anderer", der in seiner "Andersartigkeit" auch angesprochen wird. Als "MuslmIn" wird man andauernd - seit einigen Jahren durch öffentliche Debatten verstärkt- als solcher angesprochen, nämlich als "Muslime". Und zwar in Politik, Medien als auch Alltag. Ein/e "ur-deutsche/r" Österreicher/in oder Deutsche kann dabei als "fremd" wahrgenommen und angesprochen werden, wie genauso einheitlich Araber, Türken, Marokkaner ganz automatisch als "Muslime" angesprochen werden - und zwar ganz unabhängig davon, inwiefern sie sich mit ihrem (tatsächlichen oder vermutlichen) Glauben identifizieren. Bei dem als "Muslime" angesprochenen kann es sich dabei von einem Barkeeper, der mit allem Religiösen nichts zu tun hat, bis hin zu einem Imam und die ganze Bandbreite dazwischen und darüber hinaus handeln.
Automatisch wird man als "Muslime" angesprochen, ganz ungeachtet der Tatsache, ob man das will oder nicht. Es werden alte Themen und Klischees diskutiert und "die" Muslime haben Rede und Antwort zu stehen...

Dein Protest Shakir im Sinne "ich hab keinen Bock auf eure Fragen, sucht euch doch einen islamischen Gelehrten" ist stark und laut! "Die" Muslime, die es als solche einheitliche Gruppe ja gar nicht gibt, werden andauernd in eine Verteidigunglage gebracht. Sie haben ihren Glauben zu begründen, zu erklären und zu rechtfertigen. Andere Religionen bleiben indessen unangesprochen - ein alttestamentarisches Judentum traut man sich nicht auf seine relgiösen Gebote und Praktiken anzusprechen oder diese zu kritisieren. Jude-Sein wird hingegen unsichtbar gemacht indem es nicht thematisiert wird... Ein Christentum wiederum hingegen bleibt in der Hinsicht unsichtbar, weil es als solches gar nicht erst in Frage gestellt wird. Es gibt sehr wohl einige, die sich von allem Religiösen distanzieren und für säkulare Verhältnisse sind. Da heisst es dann vielleicht man findet die Kirche Schaiße, feiert halt aus Kommerzdruck Weihnachten mit, aber mit Religionen an und für sich hat man nix am Hut. Aber die chistliche Religion an und für sich wird nicht thematisiert und kritisiert. Und auch als selbstverständlich geltende und damit nicht mehr wahrgenommene christliche Institutionen und Bräuche, in denen man selbst eingebunden ist, werden nicht kritisiert, wie bsp. christliche Feiertage oder Bräuche. Niemand diskutiert zB das laute Glockenklingeln von Kirchen (das ursprüngliche Symbol zur Einnerung an die gefährlichen "Türken") oder die symbolische Bedeutung, die die Taufe transportiert (Bewahrung vor dem Höllenfeuer)..

Und genau wie Shakir, sollten es meiner Meinung nach MuslimInnen machen. Nicht andauernd Rede und Antwort stehen, sondern einfach sagen, dass man nicht die geeignete Komptenzperson ist, um theologische Auseinandersetzungen und Grundsatzdebatten zu führen. Die breite Gesellschaft diskutiert theologische Fragen ohne jede entsprechende Kompetenz zu besitzen. Wenn beispielsweise ein jüdischer, ein christlicher oder ein islamischer Gelehrter solche Grundsatzdebatten führen, dann geschieht dies unter ganz anderen Bedingungen. Weder die kritisierende und die hinterfragenden Laien noch die meisten als "Muslime" Angesprochenen besitzen die Kompetenz, um Grundsaztdebatten über religiöse Praktiken zu führen. Das sind meiner Meinung nach Aufgaben von Islamwissenschaftlern und anderen Theologen, sie führen diese Debatten auf ganz anderem Niveau. Zwar mögen auch sie sich streiten, und das auch innerhalb den selben Reihen, zB Islamwissenschaflter sind sich untereinander auch nicht einig. Aber sie besitzen eben die notwendige Kompetenz um überhaupt solche Diskussion führen zu können.

Die Zeit ist reif, dass "die" Muslime aufstehen und sagen, dass sie lang genug sich rechtfertigten mussten! Und dass die "Mehrheitsgesellschaft" endlich mal akzeptieren sollte, dass "der" Islam und "die "Muslime" real existierende Bestandteile der Gesellschaft sind und man keine Rechtfertigung schuldig ist und man auch einfordert als selbstverständlicher Bestandteil anerkannt zu werden "Und wenn ihr wenigstens nicht so viel seid, um mich anzuerkennen, so toleriert mich und wenn ihr auch das nicht könnt, dann ignoriert mich doch einfach, aber lasst mich einfach mit den Verhören und Erwartungen von Erklärungen in Ruhe und sucht euch doch einen anderen Auskunftgeber!" Statements in dieser Art von MuslimInnen sind stark und selbstbestimmt und sagen viel über eine Gesellschaft aus.

Es geht dabei nicht einmal unbedingt immer darum, dass alle, die über den Islam reden wollen, eine böse Absicht verfolgen.
Shakir, dein Beitrag ist einer der Sorte, der diese Spiegelwirkung besitzt und wirft Fragen auf: welchen Sinn haben die andauernd neu geführten Debatten, wie zB die jährlichen über Ramadan? Und was lässt Menschen davon ausgehen, das Privileg zu haben, selbst unthematisiert zu bleiben und "die Anderen" selbstverständlich für Erklärungen anzurufen?
Die beste Reaktion ist manchmal Stellung zu beziehen, indem man keine Fragen beantwortet sondern stattdessen Gegenfragen aufwirft!

Und ja, ich glaube auch, dass oft insgeheim und subtil Bewunderung und unbewusster Neid eine Rolle spielen...