Hmm, als Schweizer Staatsbürger stimme ich durchschnittlich jedes achte Wochenende über Sachvorlagen kommunaler, kantonaler oder bundesbezogener Themen ab, in Form von neuen Volksinitiativen oder Referenden zu parlamentarisch beschlossenen Entscheidungen. Das direktdemokratische System verhindert, dass BürgerInnen nur alle vier Jahre bei Wahlen die ihnen zusagende politische Richtung wählen können und keine Möglichkeit haben, den Gewählten auf die Finger zu hauen mit sachbezogenen Abstimmungen. Dieses föderalistische System hat klar auch Nachteile - zwei Beispiele: Mit viel rechtsnationalistischem Populismus wurde von den Stimmbürgern eine Volksinitiative zum Verbot von Minaretten gutgeheissen und das Frauenstimmrecht wurde erst 1971 nach jahrzehntelangem Kampf endlich angenommen. Trotzdem: Ich empfinde diese aktive Teilnahme an politischen Entscheidungen durchs Jahr durch alles andere als "medial gesteuerte Auslese einer Regierung, die für die wirklichen Drahtzieher die Kohlen aus dem Feuer holt".

Im Zusammenhang mit den sexuellen Uebergriffen auf demTahrir-Platz in Kairo habe ich ein sehr interessantes (Tagesanzeiger) Interview mit der muslimischen Wissenschaftlerin Shereen El Feki gelesen, dessen Titel mich sprachlos machte: "Rund 80 Prozent der jungen Aegypterinnen sind beschnitten" - das ist, mit Verlaub, pures Mittelalter. Auch weitere Feststellungen von Frau El Feki zur Rolle der Familie sind sehr interessant, weil im evolutionären (nicht revolutionaren) Wandel begriffen.

Die Frage stellt sich mir automatisch: Würden die im Interview angesprochenen Fragen auf Marokko adaptiert, was für Antworten und Unterschiede zu Aegypten wären festzustellen? Was weiss die Community dazu?

Grüsse,
John

Last edited by Swiss_John; 08/07/13 05:13 PM.