@Jasmin,
leider bin ich forentechnisch zu blöd, als dass es mit dem Zitieren klappen würde. Darum jetzt manuell.

du schriebst, “mir scheint, als ob du Marokkaner/Muslime hier als homogene Einheit betrachtest und sie auf "Muslimisch-Sein" reduzierst.“
...richtig. Notgedrungen betrachte ich Marokkaner/Muslime sein als homogene Einheit, denn wie sonst ließen sich Vergleiche anstellen wenn man nicht genau das auch für die Deutschen täte? Der lapidaren Feststellung, Marokkaner und Deutsche sind aufgrund zahlreicher Einflüsse in ihren Denk- Sicht- und Empfindungsweisen höchst unterschiedlicher Natur, wird auch in diesem Forum kaum jemand widersprechen, oder?! Schau einmal auf diese Zahlen: Marokkaner = Muslime = ca. 99% der Bevölkerung = homogene Gruppe, trifft so auf Marokko zu. Deutsche = Christen = ca. 50% der Bevölkerung, trifft so auf Deutschland zu. Daraus ergeben sich zwangsläufig gewaltige Unterschiede.

du schriebst, “Nur weil bestimmte Anlässe religiös geregelt sind, heißt das noch lange nicht, dass man das Leben nicht subjektiv/individuell erlebt und verarbeitet.“
...ja schon, aber tendenziell wird der Ausprägung des Individuums in Europa ungleich mehr Aufmerksamkeit geschenkt.

du schriebst, “Wäre interessant, wenn du deine Annahme, die Ausübung der islamischen Religion stehe in direktem Zusammenhang mit Ökonomie, etwas näher ausführen und begründen könntest.“
...hatte ich ja bereits angedeutet: Setzt man die Zahl der Muslimen in Relation zum wirtschaftlichen output, so liegt deren Beitrag um ein Vielfaches niedriger als der von anderen ethnischen/religiösen Gruppen. Dieses Zahlenwerk fällt noch einmal um so negativer auf, macht man sich die Mühe es nach erworbenen Bildungsabschlüssen aufzudröseln, dann da ist die arabische Welt international gar nicht so schlecht aufgestellt.

du schriebst, “Wenn dem so wäre, dass der Islam eine ’ökonomische Bremse’ darstellt, wie lässt es sich dann erklären, dass es etliche nicht-islamische Länder gibt, die wirtschaftlich schlechter gestellt sind als Marokko?“
...am unteren Ende der HDI Skala befinden sich ausschließlich nicht-islamische Länder. Die Gründe: Misswirtschaft, Bürgerkrieg und Korruption. Apropos Korruption, Marokko taucht immerhin an 68. Stelle von insgesamt 192 Ländern auf.

du schriebst, “Bzw. wie lässt sich argumentieren, dass der Islam als Erklärung für wirtschaftliche Entwicklungen in islamischen Ländern fungieren soll, während für nicht-islamische Länder andere Gründe dafür ausgemacht werden?“
...wirtschaftliche Entwicklungen drücken das Gesamtbild einer Nation aus, sind aber im Besonderen das Verdienst (?) bestimmter--meist staatlich gelenkter--Mechanismen. Je fähiger diese elitäre Gruppe aus Wirtschaftsführern und Politiker ist, desto mehr nimmt eine Nation am Aufschwung teil. Kapitalismus pur. Letzterer funktioniert (?) wenn eine Reihe an Faktoren zwingend erfüllt sind, z.B. das Bereitstellen eines intakten Bildungssystems seitens des Staates, sowie der Erwerb von soft skills seitens einer Bevölkerung, also so etwas wie Disziplin, Belastbarkeit, Empathie, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Mitdenken, Kritikfähigkeit, kritisches Denken, Aufmerksamkeit, Arbeitsmoral...

Für mich ist die arabische Mentalität synonym mit dem Wort ’Stolz’ umschrieben. Inwieweit dieses Charakterzeichen religiösen Ursprungs ist, soll nicht weiter interessieren. Inwieweit es ökonomisch auf die Bremse tritt, erkläre ich so: Arbeit im Sinne von Erfüllung finden, oder einer Berufung nachgehen, oder zielstrebig eine Karriere verfolgen, oder sich mit den Belangen des Arbeitgebers / der Firma zu identifizieren, nein, diese Tugenden lassen sich schneller woanders als in der arabischen Welt finden.

Kapitalismus ist genau so prägend wie andere Gesellschaftssysteme, sei es Sozialismus, Feudalismus, Klüngelwirtschaft, Anarchie oder eben das Diktat einer Religion. Im Ggs. zum Islam setzt das Christentum der Gesellschaft von heute aber keinen prägenden Stempel mehr auf.

Ich begrüße es, dass der Islam mit dem kapitalistischen Streben eher auf Kriegsfuß steht, als dessen Verbündeter zu sein. Auch ehrt es mich in all den sechs Jahren in denen ich hier lebe außer von der Polizei noch nie gefragt worden zu sein, was ich beruflich bin und wie ich meine Brötchen verdiene.

Aber aus den knapp zehn Jahren Ingenieurtätigkeit im Nahen Osten kann ich auch sagen, dass der Grad der Arbeitsbelastung gepaart mit dem Übernehmen von Verantwortung definitiv nicht funktioniert hätte, wenn ich bei Sonnenaufgang als erstes in die Moschee hätte gehen müssen, dann noch knapp sechs Wochen Ramadan befolgen und aller Wahrscheinlichkeit nach auch familiär stärker gefordert zu sein.

Warum könnte ich auch heute noch sofort in Tunesien, Ägypten, Saudi Arabien ... ein Arbeitsvisa trotz z.T. hoher Arbeitslosigkeit erhalten? Für mich ist die Antwort bzw. dieser Umstand klar religiös bedingt.

robert


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