Echt schlimm ist das!!! mad
Die Ressentiments/Hass gegen Muslime werden Europa weit immer verbreiteter und stärker. Eine Bekannte von mir, eine österr. Muslima, wollte in den Bus mit dem Kinderwagen einsteigen und bat eine andere Frau, die ebenfalls mit dem Kinderwagen dort stand, etwas Platz für sie zu machen. Da fing die zu schimpfen an: "Schaiss Moslems", "Ihr Ausländer mit euren Fratzen, geht doch zurück von wo ihr herkommt" etc. Anstatt, dass jemand der anderen Fahrgäste dagegen protestiert hätte, hat sich regelrecht ein Mob dort entwickelt, der die muslimische Frau beschimpfte, der Rest hat gar nichts unternommen - schweigendes Einverständnis!!?
Es ist echt schokierend, wie öffentliche Anfeindungen gegen Muslime von der Gesellschaft akzeptiert werden. Da hat ein Volk jahrzehntelang den Nationalsozialismus thematisiert und verarbeitet, um dann auf gleiche Weise Hasstiraden nun auf Muslime zu entladen! Zumindest sind zwischen Islamhass/Muslimhass und Judenhass Parallelen zu erkennen, wenn man den öffentlichen Diskurs über Muslime beobachtet:

„In einer großen Zeitung erscheint ein langer Artikel über die Stellung der Juden in Deutschland heute. Darin heißt es: ‚Während ein nicht unbedeutender Teil der Juden sich in die deutsche Gesellschaft integriert, ist das bei vielen anderen nicht festzustellen. Viele Juden meinen, sie kämen auch ohne Deutschkenntnisse aus.
Schulische Aktivitäten, wenn sie denn einmal auf einen Samstag fallen, werden boykottiert. Frauen sind im Judentum auch heute noch Bürger zweiter Klasse.‘
Besonders besorgt drückt sich der Autor darüber aus, dass einige ultra-zionistische, nicht offen operierende Organisationen Mitglieder in Deutschland anwerben
und für ihre Zwecke, ein theokratisches Groß-Israel, Geld sammeln. Gerade auch die russisch-jüdischen Einwanderer hätten sich in großstädtischen Ghettos isoliert,
abgeschottet von der deutschen Umwelt und ohne Interesse an unserer Kultur und Lebensweise. Ein Artikel dieser Sorte, erschiene er denn in einer deutschen Zeitung,würde eine Welle der Entrüstung hervorrufen. Der Chefredakteur müsste
sich umgehend für den ‚bedauerlichen Ausrutscher‘ entschuldigen, dem verantwortlichen Redakteur würde vermutlich fristlos gekündigt. Wenn wir in diesem
Bericht jedoch das Wort ‚Juden‘ durch die Wörter ‚Muslime‘ oder ‚Türken‘ ersetzen und den Inhalt etwas umschreiben, dann liegt die Sache ganz anders. Solche Berichte lesen wir fast täglich, sie sind, trotz ihrer Halbinformiertheit, das Selbstverständlichste der Welt.“
Mit diesen Worten beginnt Michal Bodemann, der als Professor für Soziologie an der Universität Toronto unter anderem zum Thema Juden in Deutschland forscht, einen Beitrag für die Süddeutsche Zeitung am 20./21. November
2004. Der Artikel sorgte für Aufsehen. Allerdings weniger wegen der islamfeindlichen Agitationen, auf die er hinweisen will, als mehr wegen des Vergleichs von Muslimen und Juden in diesem Kontext. Eine solche Gegenüberstellung trage dazu bei, monierten Kritiker, das Leid der jüdischen Bevölkerung in Deutschland zu relativieren.
Ähnliche Aufregung bewirkte Ende 2008 die Tagung „Feindbild Muslim –Feindbild Jude“ des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. Die Einrichtung unter ihrem Leiter, Prof. Dr. Wolfgang Benz,
wollte mit dieser Tagung die Parallelen zwischen Antisemitismus beziehungsweise Antijudaismus und Islamfeindlichkeit thematisieren. Die Wissenschaftler
haben nach eigenen Angaben in der Auseinandersetzung mit der Religion des Islam Stereotype und Konstrukte beobachtet, die seit langem als Instrumentarium bekannt sind, um gegen Juden Stimmung zu machen. Dazu gehörten Verschwörungsfantasien
ebenso wie die Behauptung vermeintlicher Grundsätze und
Gebote der Religion, schreibt Benz im Vorwort zum 17. Jahrbuch für Antisemitismusforschung.
Seit Jahrhunderten werde in kulturellen oder religiösen Traditionen von Juden nach Argumenten gegen selbige gesucht, das gleiche geschehe nun im Hinblick auf den Islam, führte er in einem Interview mit dem Deutschlandradio
Kultur am 5. Dezember 2008 aus. So wie man Juden Aussagen aus
dem Talmud vorhalte, halte man Muslimen Aussagen aus dem Koran vor. Vergleichbar sei außerdem, dass beide Religionen beschuldigt würden, bösartig und inhuman zu sein und unmoralische Verhaltensweisen gegenüber Andersgläubigen
zu verlangen. Juden habe man stets vorgeworfen, dass sie sich als auserwähltes Volk betrachteten, deren Religion es ihnen gebiete, gegen Nichtjuden feindselig zu sein und ihnen erlaube, sie zu betrügen. Solche Vorwürfe fänden
sich ebenso in den Islam-Debatten wieder, heißt es beim Zentrum für Antisemitismusforschung.
Wer sich heute in Deutschland auf die Spuren der „Islamkritik“ im Internet, in den Medien oder in ausgewählten Büchern begibt, der mag sich in der Tat wundern,
welche Äußerungen gegenüber einer Gruppe von Menschen trotz der Erfahrungen der vergangenen Jahrhunderte immer noch möglich sind und aus der Mitte der Gesellschaft Zustimmung erfahren. (...)
Islamfeindlichkeit in Deutschland ist kein Konstrukt, sie lässt sich tagtäglich belegen. Die übelste Hetze gegen diese Religion und ihre Anhänger hat ihren Platz im Internet eingenommen. Im Zeitalter von Web 2.0, das jedem Menschen
mit Zugang zum Internet die Möglichkeit bietet, seine Meinung online zu veröffentlichen, Bilder und Videos hochzuladen oder sich mit Gleichgesinnten
zu unterhalten, stößt man auf derbe Schmähungen, die sich an der Grenze zur Volksverhetzung und bisweilen auch jenseits davon bewegen. In Weblogs liest man: „Islam ist eine freiwillige Geisteskrankheit“. „Ich will nicht, daß wenn ich
Blut spende mein Blut irgendwann einem Musel das Leben rettet und genauso wenig will ich dass in meinen Adern Muselblut fliesst.“ „Wie verbläst man eigentlich
einen […] Türken waidgerecht? Da gibt es nichts zu verblasen, Jagdhornbläser verblasen jagdbares, erlegtes Wild, kein Ungeziefer!“ Solche tagtäglich
getroffenen Äußerungen stammen nicht aus versteckten rechtsextremistischen Foren, sondern aus einem der mittlerweile erfolgreichsten Weblogs Deuschlands, über das Henryk Broder einmal geschrieben hat, man könne darüber
sehr geteilter Meinung sein: Politically Incorrect. Zu den Postings in solchen Internetplattformen treten Polemiken, einseitige Debattenbücher, persönliche Erfahrungsberichte und sonstige Stellungnahmen von prominenten oder
durch ihre „Islamkritik“ prominent gewordenen Protagonisten wie eben Henryk Broder, Ralph Giordano, Necla Kelek, Hans-Peter Raddatz, Alice Schwarzer, Leon de Winter oder Ayaan Hirsi Ali, Oriana Fallaci, Theo van Gogh, Ibn Warraq, Geert Wilders, Bat Ye’or und andere, die Muslime bisweilen als „Ziegenficker“ zu beschimpfen pflegten (Theo van Gogh; de Volkskrant, 3.11.04) oder den Koran, „ähnlich wie ‚Mein Kampf‘“, als „ein faschistisches Buch“ verbieten lassen wollen (Geert Wilders; Wiener Zeitung, 21.2.08).
Weiteren Nährboden findet das negative Islambild in einzelnen Medienberichten. Nachdrücklich in Erinnerung geblieben sind die Titelgeschichten des Nachrichtenmagazins Der Spiegel „Papst contra Mohammed“ (38/2006), „Mekka Deutschland. Die stille Islamisierung“ (13/2007) und „Der Koran. Das mächtigste Buch der Welt“ (52/2007), deren Aufmachung erstaunlich identisch jeweils vor einem bedrohlich schwarzen Hintergrund gestaltet worden war. Nicht weniger voreingenommen fragte im gleichen Zeitraum die Illustrierte Stern: „Wie gefährlich ist der Islam?“(38/2007). Bereits 2004 hatte das Nachrichtenmagazin Focus den Muslimen ihren Platz in der deutschen Gesellschaft zugewiesen. Dem Titel von Ausgabe 48 zufolge sind sie nämlich nach wie vor – selbst wenn sie hier geboren wurden:
„Unheimliche G ä s t e. Die Gegenwelt der Muslime in Deutschland. Ist die Integration
gescheitert?“
(...) Islamfeindlichkeit ist breit aufgestellt und reicht in alle Gesellschaftsschichten.(...) Diese Abneigung gegenüber dem Islam ist keine Neuerscheinung, die mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 oder mit dem Mord an Theo van Gogh am 2. November 2004 neu entstanden ist. Islamfeindlichkeit ist ein historischer "Makel", der sich seit Jahrhunderten tief in die europäische Seele eingebrannt und bis in unsere Tage sein hässliches Gesicht nie wirklich verloren hat.
(...) Der Umgang mit Muslimen (hat) in einigen Teilen der deutschen Bevölkerung derzeit wieder stark rassisierende und menschenfeindliche Züge angenommen Die aktuellen Debatten um den Islam und die Muslime in Deutschland, um
deren Integrationsfähigkeit in die bundesdeutsch Gesellschaft und das politische System werden an vielen Stellen von Ideologien und Vorurteilen getragen (..)"


Quelle: Thorsten Gerald Schneiders 2009: Islamfeindlichkeit - Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen