In Rabat haben wir in einem Appartement gewohnt, dessen Vermieterin meinte "binti" also ihre Tochter bzw. ihr Mädchen komme vorbei, um die Küche zu putzen. Ich dachte zunächst, es sei íhre Tochter, es war aber ihr 17-jähriges Hausmädchen.

Sie war sehr zurückhaltend und auf nachfragen erzählte sie, dass sie schon länger in der Familie sei, ihre Familie 300 km entfernt lebe. Sie machte einen "in sich ruhenden Eindruck". Nicht unglücklich oder so. Sie ist nie zur allgemeinen Schule gegangen, nur zur Koranschule. Sie spricht auch nicht Französisch, außer bonjour, merci und femme de menage. Die Kinder der Vermieterin gehen hingegen zur Schule.

Sie muss nicht auf der Straße leben, nicht betteln, trägt gute Kleidung und hat einen Job, klar. Da gibt es viele, denen es schlechter geht. Trotzdem finde ich, dass man es diesem Kind ermöglichen sollte zu lernen, um den Horizont zu erweitern und ihr vielleicht ein Fortkommen zu ermöglichen. Indem man jemanden in seinen Haushalt aufnimmt, übernimmt ihm gegenüber doch auch Pflichten.

Natürlich gab es bis vor 100 Jahren auch solche Mädchen bei uns. Oder wie z.B. polnische Saisonarbeiter, Au-pair-Mädchen oder rumänische private Pflegekräfte etc. hier in Familien behandelt werden, finde ich auch nicht angebracht. Aber jemandem Bildung vorzuenthalten finde ich nicht gut, weil es diesen Abhängigkeitsstatus perpetuiert.

Dass es hier keine Mädchen oder Mägde mehr im klassischen Sinne gibt, liegt nicht an irgendeiner moralischen Überlegenheit, sondern daran, dass es genügend andere attraktivere Jobs gibt, dem noch existierenden sozialen Netz und sich die Leute durch ein höheres Bildungsniveau auch stärker ihrer Rechte bewusst sind.
Das Ausnutzen von Notlagen anderer hingegen ist in D. leider auch vorhanden (Stichpunkt Menschenhandel), aber gesellschaftlich weitgehend nicht akzeptiert.

Ich bin aber nicht zur Vermieterin gegangen und habe vehement gefordert, dass sie das Mädel zur Schule schickt. Ich kenne die genauen Umstände nicht. Vielleicht geht es ja auch nur gerade so auf, dass Sie sich eben den Schulbesuch der "Petite Bonne" nicht leisten können.

Ich fände es aber begrüßenswert, wenn es gesetzliche Regelungen zu Mindestalter, Arbeitszeiten, Urlaub, Schulbesuch und "Umgangsformen" gäbe. Natürlich sollten da nicht irgendwelche Polizisten die Einhaltung dieser Regeln überprüfen, aber dadurch würde ein gewisser Standard normiert und vielleicht wäre es dann irgendwann eben nicht mehr schick oder zeitgemäß sein Hausmädchen oder den Laufburschen etc nicht zur Schule zu schicken.

Gleiches gilt auch für Arbeitgeber in andern Ländern. Dadurch, dass ich von der Arbeitskraft eines andern profitiere, übernehme ich auch Fürsorge-Pflichten für ihn. Die Verantwortung hierfür kann man auch nicht nur auf den Konsumenten abschieben. Natürlich ist es besser im Bioladen einzukaufen und Fairtradeprodukte.