Liebe Katrin,

zuerst einmal ist es schön, daß Du lang und zusammenhängend schreibst: das sagt mehr als tausend Bilder und ist wahrscheinlich sogar mehr Deine Stärke als lustikkk zu sein.

Original geschrieben von: katrin
wir frauen sind sehr emotionale wesen und wollen immer, dass die menschen in unserer umgebung sich wohl fühlen. das bringt uns oft dazu sehr lange und intensiv um dinge zu kämpfen, die (vielleicht) gar nicht vorhanden sind.


Das bringt das Kinderaufziehen mit sich: kein Kind ist ein reines Produkt seiner Erziehungsberechtigten, man muß jederzeit damit rechnen, daß man ein oder zwei Kinder hat, die supergut funktionieren und eines, das vom ersten Moment an alle auf die Probe stellt. Um dieses Kind wird eine Mutter immer kämpfen: und manche Männer sind nichts anderes als schwierige Kinder - da hat die Psychologie leider keine Theorien und auch keine Empfehlungen dafür anzubieten. Da hilft - wie beim Kind auch - nur die Liebe.

Über die man im übrigen gar nicht frei verfügen kann - das wäre schön, wenn das möglich wäre, viele hätten ihr Leben dafür gegeben.

Antwort auf:
wenn sich ein typ in unserem kleinhirn eingenistet hat, ist (zu diesem zeitpunkt) kein platz für einen anderen da. wir haben ihm schon lange (nur für uns allein) die treue geschworen und bemerken nicht, dass er uns gar nicht sieht.


Das ist allerdings nicht frauentypisch, sondern Sucht in der Definition von Shakir: manchmal endet es im Stalken und Stimmen hören - aber auch hier Finger weg von zuviel Küchenpsychologie: ein schönes Beispiel ist die Geschichte der Adele H. (Original: L’Histoire d’Adèle H.) von François Truffaut aus dem Jahr 1975. Die Handlung beruht auf dem Tagebuch der jüngsten Tochter Victor Hugos, die im Film von Isabelle Adjani gespielt wird. Oder Camille Claudel , die auch von Adjani gespielt wird, sie muß wissen, warum sie solche Rollen so meisterhaft spielt. Wer viel begabt ist, der leidet auch mehr als andere.

Was ist schon normal? Und wie verrückt ist Normalität? Man muß sich nur dieses Gesicht ansehen und sich fragen, ob sie wirklich die Wahl hatte Rodin zu lieben oder aber "vernünftig" zu sein: in der Therapie - in der geschlossenen Anstalt - hat sie keinen Meißel mehr angerührt, mehr als 30 Jahre lang und bis zu ihrem Tod. Wenn alles erklärt und alles therapiert wird, werden wir zu einer Gesellschaft von Zombies - die Ränder sind mehr gefährdet als die Mitte, die sich immer zu behaupten weiß. Die Sensitiven mehr als die Robusten und was wäre die Welt ohne die knapp am Verrücktwerden vorbeischrammenden Sensitiven?



Original geschrieben von: Katrin
wir erinnern uns, was uns an ihm gefiel. vielleicht sein mut dinge auszusprechen, die sich andere nicht einmal getrauen zu denken, vielleicht seine stärke, die unbillen des lebens zu ertragen, oder seine romantische arder, sein art, die dinge zu erkennen und sie auf den punkt zu bringen, seine intellegenz oder den spaß, den wir gemeinsam hatten. dann stellen wir (wie schon 1000 mal vorher) fest, dass wir (noch immer) der meinung sind, dass wir das perfekte paar wären (wären!!!), trotzdem haben wir das gefühl, nichts mehr machen zu können, was das ruder noch rumreißt.


Das ist ja eine richtige Liebeserklärung und sie hat nichts damit zu tun, daß "wir Frauen" zu nachsichtig, zu bettelnd um Liebe sind, um Anerkennung oder zuviel vergeblich kämpfen. Das ist das Dilemma, daß kaum jemand weiß, wofür er geliebt wird und das was Du da oben beschreibst, womöglich an sich selbst sogar ablehnt oder haßt. Niemand ist das perfekte Paar, es gibt unperfekte Paare, die sind absolut perfekt: wer will das schon wissen? Deshalb gehen hier unter dieser Rubrik ja auch alle Beratungsaktivitäten so an der Sache vorbei und sagen mehr über den Berater aus als über den zu Beratenden.

Das - so nehme ich an - ist auch das Ziel dieser (konstruierten) Postinganfragen.

Original geschrieben von: Katrin
dann ist der zeitpunkt gekommen, an dem wir eine entscheidung fällen. egal, wie sie ausfällt, sie ist immer richtig, denn in dem augenblick, in dem wir sie fällen, haben wir das gefühl, dass es so in ordnung ist. mit den folgen werden wir dann leben. diese entscheidung war genau in diesem augenblick richtig. später werden wir neue entscheidungen fällen. Wir werden uns auch immer wieder fragen, ob es nicht eine andere lösung gegeben hätte.
(wir frauen neigen dazu, alles zu hinterfragen und brauchen eigentlich nur die eine gewissheit, dass wir ihm wichtig sind.)


Das ist die Phase, in der man sich selbst versucht gut zuzureden: und so klingt dieser Teil Deines Postings auch. Man überlebt Liebeskummer nur, wenn man ihn einfach geschehen läßt - der Wille ist zwar ein machtvolles Instrument, den Liebeskummer zwingt er nicht in die Knie. Oder wie Robert Frost es sagt: “In three words I can sum up everything I’ve learned about life. It goes on.”

Und weil das ziemlich hart ist, etwas Versöhnlicheres, was hilft den Zweck zu heilen:

Man muß Geduld haben,
gegen das Ungelöste im Herzen
und versuchen die Fragen selber lieb zu haben
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben
Wenn man die Fragen lebt
lebt man vielleicht allmählich
ohne es zu merken
eines fremden Tages
in die Antwort hinein*.

Es gibt kein Recht auf Liebe und auch keines darauf, daß man das perfekte Paar wäre und nun die Liebe sich gefälligst einzustellen hat: das hilft immer sich das einzugestehen - daß man dieses eine Mal nichts in der Hand hat und auch nicht dafür kann, daß man nichts mehr in der Hand hat.

Original geschrieben von: Katrin
(wir frauen neigen dazu, alles zu hinterfragen und brauchen eigentlich nur die eine gewissheit, dass wir ihm wichtig sind.)


Das ganze Leben ist ein ständiger Kampf um Anerkennung und jede funktionierende Gesellschaft hat dafür ihre eigenen Codes und Rituale entwickelt: dazu zählen auch Sitten und Gebräuche, bei denen man wenigstens die Chance hat, zu erkennen, was man tun muß, um anerkannt zu werden. Egal wie sinnlos sie einem bei näherer Betrachtung erscheinen mögen: sie dienen letzten Endes dazu Anerkennung zu verteilen, Absolution und Entlastung. Ständig selbst nach dem richtigen Weg suchen zu müssen ist die Hölle: dann schafft sich jeder seine eigenen Regeln und legt sie dabei so hoch an, so idealistisch, so wenig am Menschen orientiert, daß er sie nicht erreichen kann.

Besser hat man es da, wenn man weiß, an was man sich halten muß und der andere es auch tut: einer der Gründe, warum ein gläubiges Paar mehr Ruhe und Frieden finden kann als ein ungläubiges - aber das hier ist ja kein Religions-Thread, sondern ein Ratgeberthread mit den 10 goldenen Regeln zum garantierten Unglücklichwerden. Wenn beide Amish sind, beide Juden, beide Muslime, beide Evangelikale, haben sie schonmal einen Kodex gemeinsam und eine höhere Instanz, die sie im Zweifelsfall als Schiedspruch benützen können - weil zwei bei einem Streit ja immer einer zu wenig ist: ohne den Dritten landen wir alle bei " Wer hat Angst vor Virginia Woolf ".

Leider kann man sich das nicht selbst backen, wenn es auch immer wieder versucht wird: dafür ist jeder einzelne und auch die Psychologie nicht groß genug - zum Einen. Zum Anderen leidet ein Bauhaus-System - egal ob aus der Psychologie oder aus Religionen - immer daran, daß der andere es noch abstruser und noch weniger verbindlich findet als ein gemeinsamer Kodex aus einer jahrtausendelangen Tradition: niemand ist gerne der erste, der der Dumme ist.

"Man schläft halt nicht mit jedem Dahergelaufenen", beispielsweise ist schonmal so ein Spruch über den man trefflich streiten kann: nicht aber, wenn man gläubiger Muslim gläubiger Jude oder gläubiger Amish ist.

Original geschrieben von: katrin
manchmal ist es auch gut, größe zu zeigen und ihm ein angebot zu machen, dass ihn schlechtweg erschlägt (im positiven sinne). niemand gibt dir die garantie, dass es ein happy end in DIESER beziehung gibt.


Ein Angebot , das man nicht ablehnen kann? Du weißt, wie das ausgeht: der Pate stirbt. Wenn man so etwas in Erwägung zieht, ist man nicht weit vom Totschlag entfernt: es hat etwas viel zu Verzweifeltes - Liebe kann man weder einklagen noch erzwingen, niemand hat ein Recht auf Liebe.

Original geschrieben von: Katrin
warum ich shakirs spruch gewählt habe? Weil der nicht nur für süchtige gilt, sondern auf das gesamte leben zutrifft. wenn du das gefühl hast, dich selbst aufgeben zu müssen, dann ist der letzte zeitpunkt gekommen, um eine entscheidung zu fällen, sonst versinkst du in selbstmitleid, hoffnungslosigkeit, taubheit. das ist keine liebe der welt wert.


Das wirklich schlimme daran ist, daß nicht keine Liebe es wert ist, sondern daß man dann nicht mehr liebenswert ist. Der einzige Weg raus ist mittendurch.

Es lohnt sich immer über alles zu reden und sei es hier in diesem Forum.

Josi

* wie immer, wenn Trost benötigt ist, Rilke: "was abfallen soll, wird abfallen, was bleiben soll, wird bleiben" oder "Was hast Du gegen das Schwere".