katrin, Danke für deinen tollen beitrag - ich glaub es ist der beste den ich bisher in diesem beschneidungthread gelesen habe. daumen3

da geben sich menschen als weltoffen und modern und verabscheuen zu tiefst alles althergebrachte und traditionelle. da wird alles kritisiert und bemängelt was mit kultur, tradition, religion zu tun hat und sind nicht offen dafür, die andere kultur, die anderen traditionen, den anderen glauben einfach nur hinzunehmen.

aber gerade dies ist keine weltoffenheit und auch keine modernität oder gar rationale gebildheit, denn als rationaler, (ganzheitlich) gebildeter moderner und weltoffener mensch, kann ich es einfach akzeptieren, dass es lebenweisen und -konzepte, weltanschauungen und vorstellungen gibt, die nicht meiner entsprechen und auch nicht entsprechen müssen!
ich muss die nicht selber leben und auch gar nicht nachvollziehen können, sondern sie einfach als vielfalt der menschheit betrachten. die verschiedenen kulturen mit deren gebräuchen, traditionen, anschauungen und alles was dazugehört als die natürliche vielfalt der erde, der menscheit, der natur zu betrachten und zu akzeptieren!

was anderes ist es für mich, wenn es wirklich bräuche gibt, die tatsächliche schäden anrichten und dem menschen etwas grundlegendes berauben. bei frauenbeschneidungen zum beispiel ist es das wert sie in frage zu stellen. da geht es um viel mehr als um ein stück haut - da gehts um die identität, die verletzbarkeit, um gesundheitliche komplikationen, oft auch um menschenleben und vieles mehr.

es gibt sicherlich auch traditionen, die verändert werden oder aufgegeben werden können.
aber nicht jede tradition muss angeprangert werden, die nicht den eigenen vorstellungen entspricht.

da wird geredet von zähne abschleifen und ausschlagen usw usf... aber ganz erhlich? mir ist es auch egal, wenn menschen sich die zähne abschleifen, sich halsringe anlegen, sich etwas in die haut einbrennen lassen, ohrläpchen oder was auch sonst durchtrennen, lippenteller (oder wie heißen die noch?) getragen werden oder was sonst auch immer.
muss ICH denn alles verstehen können damit es für ANDERE sinnhaftigkeit besitzt? kann nicht einfach etwas für andere sinnhaft und wichtig sein, wenn es es für mich nicht ist? ich sehe es einfach als die vielfalt dieser welt, dieser erde und der menschheit an. das ist ja so schön, dass es so viele verschiedene kulturen gibt!

und der vermeintlich moderne westler sagt, kultur und vielfalt sei ja recht, aber könnte man nicht dies oder das modifizieren oder verwerfen? - ohne zu sehen, dass alles so ineinander greift , das eine unauflöslich mit dem anderem ist, das eine ausdruck des anderen... seine eigene kulturlogkeit will er den anderen aufdrücken.
(vermeintlich) frei und entbunden von allen zwängen und bräuchen, will er seine weltanschaung den anderen aufdrücken, denn er begreift sich als das non plus ultra der menschheit.

najib schreibt von stammeszugehörigkeit. in vielen kulturen wird diese stammeszugehörigkeit eben durch bräuche und riten (mit-)geschaffen. in der westlichen welt konnten wir uns weitgehenst von solchen riten befreien, geschworen wird nun auf rationaliät und modernität...
aber wo ist das gefühl der stammeszugehörigkeit geblieben und der natürliche trieb diese zu (re-)produzieren? stattdessem schaut der westmensch verachtlich auf die anderen und kritisiert deren kultur, weil er denkt sie seien nichts wert weil er ja selber keine mehr (oder nur mehr zusammenhangslose fragmente davon) hat.

warum prangern genau die, in deren eigenen gesellschaft beschneidung nichtmal praktiziert wird derart die beschneidung an? ihr selber seid ja nicht "bedroht" davon und auch nicht eure nachfahren!
warum müssen, sich ausgerechnet die, die selbst nicht betroffen davon sind in die sache einmischen und schreien, dass dies doch nicht vertretbar sei?

müssen nicht die, die selbst davon betroffen sind sich selbst zur wehr setzen, wenn sie es als falsch erachten? eine gesellschaft WIRD nicht entwickelt, sie entwickelt SICH SELBST und wenn eine gesellschaft die männlichen nachkommen beschneidet, dann ist das alleinig ihre gesellschaftliche norm und allein ihr recht sie zu modifizieren oder eben aufrecht zu erhalten.

die, die die beschneidung so kritisieren, sollten doch zb mal männer in ganz marokko befragen oder muslimische männer in deutschland, ob sie sich geschädigt fühlen durch diesen brauch. wenn ja dann wäre es IHR recht, sich dagegen aufzulehnen und sich gegen den brauch einzusetzen. wahrscheinlicher ist es aber, dass die befragten sich es andersherum nicht vorstellen können und sich fragen, wie man es nur "mit" aushält. nur würde es ihnen nie einfallen, alle anderen zu bedrängen. sowie sie generell nicht dem "rest der welt" ihre weltanschauungen audrücken wollen.. oder hat schon einmal jemand erlebt, dass jemand mit halsringen, lippentellern oder beschneidungen missioniert?