Hallo Choppy,

ich habe vor längerem eine Geschichte gehört, daß der marokkanische König seinerzeit die 200.000 Judensterne, die die Deutschen nach Marokko mitgebracht hatten, um weitere 20.000 aufzustocken gebeten hat: 20.000 ist die Anzahl derjenigen Mitglieder der königlichen Familie, die dann ebenfalls einen Judenstern tragen würde - was dazu geführt hat, daß gar keine Judensterne ausgegeben wurden und niemand gezwungen war sich selbst zu stigmatisieren.

So die Legende, die für mich fast zu schön ist, um wahr zu sein. Habe dazu jetzt auch nur das hier gefunden

Antwort auf:
König Mohammed V. verhinderte die Deportation marrokanischer Juden in deutsche Konzentrationslager und stellte sich 1940 gegen einen Erlass Vichy-Frankreichs, der das Tragen des Gelben Sterns für jüdische Marokkaner vorsah. Quelle: http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=1818&stayInsideTree=1&backlink=pogrom.php?id=57


Aber was heißt hier "nur"? Verhindert zu haben, daß ausgeliefert wird, daß jedes Land in das die Deutschen einmarschiert sind, seine eigene mordlustige Meute von der Leine läßt und einfängt, was einzufangen ist: das ist mehr als man erwarten konnte in den damaligen Zeiten. Außer Bulgarien ist mir kein Land bekannt, dem es gelungen wäre, zu widerstehen: zu verlockend, zu verführerisch waren die schnellen, hastigen Möglichkeiten ganz ohne Eigenleistung nicht nur die Juden los zu werden, sondern gleich auch noch auf sehr einfache Weise reich.

Meine persönliche Beobachtung ist deshalb auch eine andere (allerdings war ich auch in Palästina und von dort kenne ich exakt die hier geposteten Zitate sehr gut, auch in sehr gebildeten, bürgerlichen, wohlhabenden Kreisen): in Marokko ist die Israel-Polemik nur eine dünne Schicht - macht man sich die Mühe und erklärt einem Marokkaner, daß eigentlich wir Deutschen an den Schlamassel mit Israel schuld seien, daß eigentlich wir als Deutsche es sind (hochanständig, sauber, effizient), die ihnen das eingebrockt haben und noch dazu etwas, was völlig sinnlos ist, überhaupt jeder Rationalität entbehrt, also irre war und irre ist - hat man sehr schnell aufmerksame Zuhörer auf seiner Seite. Und früher oder später wird jeder Marokkaner nachdenklich schon alleine deshalb, weil kein Marokkaner Streit oder kontroverse Diskussionen aussstehen kann: wer nicht völlig vernagelt ist, kann das nutzen und weist darauf hin, daß Marokko hier eine große Ausnahme darstellt, dem Shaytan nicht willig gefolgt ist, sondern sich darauf besonnen hat, was Menschen Menschen antun sollten und was ganz sicher nicht.

Eine interessante Beobachtung habe ich in Claude Lanzmanns Erinnerungen "Der patagonische Hase" gefunden: es war ihm gelungen einige der übelsten Täter ausfindig zu machen und zum Reden zu bewegen ("habe ich ihre grandiose logistische Leistung bei der Organisation der Judendeportation parallel zu den Wehrmachtstransporten recherchiert etc."). Deren Frauen seien jedoch ohne Ausnahme keifende Matronen/Mannweiber gewesen, denen gegenüber diese Männer "lammfromm" gewesen seien.

Der Schrecken von Buchenwald, von Warschau, von Auschwitz, von Treblinka: lammfromm zu Hause bei einer Megäre. Da haben die Psychologen noch jahrtausendelang damit zu tun, das aufzuklären: das Buch ist sehr zu empfehlen, auch ein Besuch mit dem eigenen Mann in Dachau, wenn nicht gar in Auschwitz und immer dabei sagen "schau mal, das waren wir DEUTSCHE und DESHALB habt ihr jetzt dieses Problem".

Josi

Sehr zu empfehlen von Claude Lanzmann (ganz ohne Horrorbilder, nur Interviews): Shoa , aber auch Warum Israel? und im vorletzten Spiegel war ein Interview mit einem Syrer (oder einem Libyer?), der schrieb, daß Israel "toll" sei: wenn man kann, packt man seinen Mann mal in einem Flieger und fliegt mit ihm nicht nach Mallorca (dorthin kann man auch, aber dort wird es jetzt für Marokkaner sehr jüdisch, ich meine: sehr rassistisch), sondern nach Tel Aviv, nach Jerusalem und an den See Genezareth in einen Kibbuz.

Den Vater meiner Kinder habe ich kennengelernt als er auf Kibbuz-Urlaub in Deutschland war: er ist kein Jude, sondern Kroate, aber ich habe jahrelang alles gewußt, was in Israel geschieht, es war mir mindestens so nahe wie Marokko heute.