Hallo Merlina und Choppy,

schöne Beiträge könnt ihr schreiben: man kann sie gar nicht lange genug lesen. Und gerne mehr von diesen hübschen Geschichten aus dem prallen Leben mit euren Männern (gerne auch Ex-Männer).

Nun noch etwas zur Shahada und der islamischen Heirat:

wir sind damals an einen alten Imam geraten, der absolut keine Lust auf Spielchen hatte - das, was Borgwart oder Kathi beschreibt, wäre bei ihm absolut undenkbar gewesen. Es war derselbe Imam, der erklärt hat, daß er bei Eheproblemen vierzehn Tage benötigt, wenn beide zu ihm kommen und ein halbes Jahr, wenn nur die Frau zu ihm kommt. Spätestens dann wäre jedoch jedes Problem gelöst (gerne gebe ich seine Adresse weiter).

Bei uns ging gar nichts mit "mal eben für 300 Dirham die Shahada sprechen" und das wars dann. Wir hatten zuerst eine Vorbereitung, die dreimal einen Vormittag lang gedauert hat. Dabei ist alles besprochen worden, was beide Partner auf dem Herzen hatten. Der Imam hat erklärt, daß er niemanden verheiratet, der keinen in allen Punkten gemeinsam durchgesprochenen und von beiden akzeptierten Ehevertrag vorbereitet hätte. Mir hat er geduldig und in aller Ausführlichkeit erklärt, daß und was ich von meinem Mann im Ehevertrag alles verlangen könne - das könnten auch völlig belanglose oder absurde Dinge sein.

Solange mein Mann freiwillig und ohne erpresst worden zu sein, zustimmt, gilt, was gemeinsam vereinbart worden ist. Als Beispiel hat er das Zigarettenrauchen angeführt: ich könnte verlangen, daß mein Mann nicht mehr raucht. Er hat mich dann aufgeklärt, daß er das so aufnehmen würde, wenn ich es so wünsche: es sei dann aber nicht so, daß ich meinem Mann verbieten könne zu rauchen, ich könnte mich dann aber scheiden lassen ohne einen weiteren Grund nennen zu müssen als den:

"er raucht wieder, obwohl er im Ehevertrag unterschrieben hat, daß er nicht mehr rauchen würde".

Und könnte dann trotzdem die Morgengabe behalten.

Es wurde auch das Problem einer Zweitfrau angesprochen (die Zweitfrau bin ja ich, also eine Dritt- oder Viertfrau): er hat mir erklärt, daß es im Islam nicht möglich ist, seinem Partner eine weitere Frau zu untersagen, eine solche Vereinbarung wäre nicht gültig (ähnliche Klauseln gibt es bei uns auch: ein Verzicht auf Unterhalt für Kinder darf nicht in einem Ehevertrag vereinbart werden). Was ich jedoch festhalten kann und wir beide vereinbaren können, ist eine Scheidung, so er sich eine weitere Frau nehmen würde. Außerdem könnte ich auch in diesem Fall verlangen, daß die Morgengabe nicht zurückgegeben werden muß.

Dem Imam war wichtig, daß wir keine Vereinbarungen treffen, die wir nicht bis zum Ende durchdacht hatten: was passiert, wenn ich vorher sterbe, was wenn mein Mann vor mir stirbt. Welche Kinder aus welchen Ehen haben welche Ansprüche und gegen wen. Wer ist versorgungsberechtigt und wer versorgungsverplichtet und was sind die Konsequenzen, wenn der Vertrag von einer Seite gebrochen oder aufgekündigt wird. Hier würde auch der Cafehausbesuch von Koschla hingehören, von dem Najib gesagt hat, daß mindestens zwei Nächte pro Woche für die Ehefrau reserviert sein müssen: man kann auch reinschreiben drei Nächte oder alle zwei Monate zwei Tage und zwei Nächte ohne einmal aufzustehen durchmachen - egal was, solange der andere zustimmt, gilt es. Nichts soll einem so banal vorkommen, daß man es nicht regeln sollte: das war seine stetige Ermutigung.

Im Laufe dieser Vorbereitungen hat er uns gut beobachten können. Ihm war sehr schnell klar (mit seinem lebenserfahrenen Blick auf unzählige Ehen, Geburten und Beerdigungen), was wem wichtig ist und wie man es formulieren kann, daß es für beide paßt und niemand übervorteilt wird: schnelle Zustimmung hat er grundsätzlich abgelehnt, es sollte darüber nocheinmal geschlafen werden. Auch bei der Formulierung war er besser als jeder Familienrechtler jemals hätte sein können und alles in allem war der ständige Rückgriff auf das was im Koran steht, was im Islam üblich ist und wie es ausgelegt wird, auch ein Vorgang, der dem ganzen Procedere etwas Allgemeingültiges, Würdiges gegeben hat. Von Unernst konnte in diesem Zusammenhang keine Rede mehr sein, auch nicht von einem versteckten Überkreuzen der Finger hinter dem Rücken beim Sprechen der Shahada: er hätte es gesehen und gemerkt.

Und hätte es abgelehnt, uns zu trauen.

Bei der islamischen Trauung selbst (an einem Freitag in der Moschee) wurde unserem Alter und unseren beiden Leben angemessen eine sehr berührende, strenge, aber auch diesem Bund zustimmende Rede gehalten (selten hat mich jemand in so kurzer Zeit so treffend erkannt und charakterisieren können, auch was den Kern unserer Verbindung ausmacht): ich hätte die Unterschrift unter die Papiere von diesem Imam nicht bekommen, wir wären nicht islamisch verheiratet, wenn es da auch nur den geringsten Zweifel gegeben hätte - und ich habe ordentlich geschwitzt, bin mir öfters regelrecht ertappt vorgekommen, aber auch bestärkt und bestätigt. Wie nach einer bestandenen Prüfung und nun auf eine Weise verbunden, die uns gemäßer war als eine kitschige Hochzeit als wären wir nochmal jung.

Später habe ich dann eine ähnliche Situation in der Familie meines Mannes erlebt (aber erst nach der islamischen Hochzeit): eine der alten Schwestern, die eigentlich schon ganz vergeistigt ist (solche alten Frauen gibt es nur in Marokko: das Gesicht hell wie der Mond, die Falten weggewischt und eine Autoriät, die alle verstummen läßt - bis man einen Engel durch den Raum schweben hört). Wir wurden von ihr bei einer großen Trauergesellschaft an einem heißen Sommerabend zu ihr gerufen, haben uns vor ihre Füsse setzen müssen, einer rechts und einer links und haben uns eine Ansprache angehört, die in nichts dem nachstand, was der Imam bei der Hochzeit gepredigt hatte.

Der Inhalt war in beiden Fällen ähnlich: man legt also nicht einen, sondern zwei Eide ab - vor der Gemeinschaft der muslimischen Gläubigen und vor der Familie des Partners. Und betrügt beide - so man es nicht ernst meint und am meisten betrügt man sich selbst.

Josi