Hallo Borgward,

Ich erlaube mir mal die Passagen im Text zu kopieren, unter denen ich den freien Willen erkenne. Dass er von bestimmten Faktoren abhängig sein kann verstehe ich. Aber einen völlig willenlosen Menschen, der nur aufgrund seiner Anlage und Umwelt entsprechend handelt erkenne ich nicht, es stellt sich ja auch immer noch die Frage wie sich abweichendes Verhalten erklärt?

„Eine weitere Sozialisationstheorie stammt von Kohlberg, der ein sechsstufiges Modell der Moralentwicklung konzipiert hat. Bei einer Person auf der niedrigsten Moralstufe bestimmen die materiellen Folgen einer Handlung, ob sie als gut oder schlecht angesehen wird. Mögliche Folgen für andere Menschen werden in Entscheidungsprozessen nicht berücksichtigt, die Perspektive ist egozentrisch. Auf der höchsten Moralstufe hingegen treffen Personen ihre Moralurteile auf Grund frei gewählter Grundsätze. Sie orientieren sich an universellen moralischen und ethischen Prinzipien der Gerechtigkeit, insbesondere an den Menschenrechten, am kategorischen Imperativ und an der Achtung vor der Würde des Menschen. Kohlberg nimmt an, dass das erreichte Niveau hinsichtlich der Moralentwicklung relevant ist für "moralisches Handeln". Dieses ist gleichbedeutend mit dem Widerstand gegen Versuchungen, die aus dem Konflikt zwischen Bedürfnissen und Gewissen resultieren.“


„Ein rational handelnder Mensch wird Kosten und Nutzen von Handlungen abwägen und deshalb in der Regel nicht kriminell handeln. Werden allerdings von einer Person die kurzfristig zu erreichenden Vorteile überbetont und die langfristig anfallenden Kosten kaum berücksichtigt, ist delinquentes Handeln wahrscheinlicher als bei einer Person mit realistischer Nutzeneinschätzung. Die Fähigkeit, auch langfristige Kostenaspekte in Überlegungen einzubeziehen, wird als "Selbstkontrolle" bezeichnet. Eine Person mit ausgeprägter Selbstkontrolle ist demnach in der Lage, auf unmittelbare aufwandslose Befriedigungen verzichten zu können, wenn sie mit einer gewissen Verzögerung auch negative Effekte mit sich bringen.“

„Für die Erklärung krimineller Handlungen und Interaktionen mit Kontrollorganen greifen die Autoren auf ein Karrieremodell zurück, in das psychologische Motivationstheorien, die Anomietheorie, lerntheoretische und kontrolltheoretische Ansätze, utilitaristische Kriminalitätstheorien und Labelingtheorien einfließen. In diesem Ansatz ist Kriminalität somit kein Konstrukt wie in radikalen labelingtheoretischen Ansätzen, sondern etwas real Existierendes, das Ursachen in der Person und Umgebung hat. Eine Person, so wird postuliert, hat Handlungsmotive und setzt diese auf Grund der Einschätzung von subjektiven und objektiven Möglichkeiten in die Tat um. Sie handelt kriminell, wenn erstens entsprechende Motive vorliegen, zweitens die Einschätzung einer Realisierung günstig ausfällt und drittens soziale Kontrollmaßnahmen neutralisiert werden können. Nach einer Entdeckung durch Kontrollaktionen folgt eine Etikettierung als Krimineller - mit entsprechenden Konsequenzen für die Entwicklung krimineller Karrieren.“

„Die handlungsrelevanten Faktoren für den kriminellen Akt sind vor allem die Ziele, Mittel, Werte und Mängellagen des Handelnden.“


Demnach wird der Mensch als produktiv realitätsverarbeitendes Subjekt gesehen, das in eine komplexe Umwelt eingebunden ist. Zur Reduzierung der Komplexität, zur Verarbeitung der Informationen und zur Auswahl von subjektiv Wichtigem werden Stereotypen sowie Normen und Werte verwendet - das sind Faktoren, die von der strukturellen Verortung des Handelnden abhängig sind. Diese "Filter" beeinflussen nicht nur das Ergebnis der Informationsverarbeitung, sondern sind auch Selektionsfaktoren für die Auswahl von Handlungszielen und von Mitteln zur Zielerreichung. Aus der Vielfalt wahrgenommener Ziele und Mittel muss vor jeder Handlung eine Auswahl getroffen werden. Durch Werte können wichtige von unwichtigen Handlungszielen unterschieden und durch Normen können akzeptierte von nicht akzeptierten Handlungsmitteln abgegrenzt werden. Jede Handlung ist sowohl das Ergebnis der Wahrnehmung der Situation als auch der Auswahl von Handlungszielen und Handlungsmitteln.