Ich denke, die Ursachen für die Emigration sind vielfältig, so vielfältig wie die Menschen.
Der Eine hat die Korruption und Vetterleswirtschaft satt.
Der Nächste hat nichts gelernt und hofft aufs goldene Europa.
Ein Anderer möchte eine gute Zukunft für seine Kinder.

In Marokko gibt es viele Gründe für die momentane Situation. Ich kann natürlich nur als Laie sprechen. Es beginnt bereits mit der Schulbildung. Zu große Klassen, zu niedriges Niveau im College und Gymnasium. Zuviele machen das Abitur und studieren dann. Anschließend finden sie keine Arbeit, weil es zuviele Hochschulabsolventen gibt. Viele Eltern, die nicht lesen und schreiben können, die vielleicht kein Verständnis für die Schule haben und die Kinder nicht unterstützen und auch nicht fördern können, weil sie Analpheten sind.
Ich selbst kann mir das nur so erklären, dass die armen Leute zwar nicht zufrieden sind, aber die Situation häufig als gottgegegen ertragen. Es ist einerseits bewundernswert, wie sie wirklich schwierige finanzielle Situationen meistern, wie sie ärmlichste Wohnverhältnisse ertragen und trotz alldem ihre Fröhlichkeit nicht verlieren und Gott noch dafür danken, was sie haben. Oder habt ihr schon mal ohne eine Toilette überleben können und zu sechst mit fast erwachsenen Kindern in einem Raum gelebt? Es gibt hier reiche Bauern, die haben so eine Art Knechte, lassen sie in einer Baracke wohnen ohne Toilette ( können doch im Kuhstall oder auf den Acker gehen). Dieses Feudaldenken ist immer noch weit verbreitet. Und was sollen diese armen Leute dann machen, außer sich in ihr Schicksal fügen und es ertragen? Sie kommen i.d.R. aus kinderreichen Familien, in denen es keine Ausbildung gibt und sie haben keinerlei finanziellen Rückhalt, um sich eine gute Zukunft aufzubauen. Man darf das nicht mit Europa vergleichen, wo wirklich jeder die gleichen Chancen hat, obwohl ja das Klagen in Europa nicht aufhört, wie schlecht es ihnen geht. Das aktuelle Klagelied gilt den Benzinpreisen. Nun ja.

Andererseits bewegt sich auch nichts, wenn man sich in sein Schicksal ergibt.
Aber- darf man sich über so etwas aufregen? Ich finde das schwierig.

Dann die Frage des Arbeitsrechts. Wer von den Kritikern weiß, wie es wirklich auf dem Arbeitsmarkt aussieht? Da gibt es Hochschulabsolventen unter den besten 10, aber trotzdem bekommen vorher Kinder von einflussreichen Personen die Stellen, die eigentlich ihnen zustünden.
Ein Kellner verdient 1000 DH glaube ich, lass es etwas mehr sein, plus Trinkgeld. Wieviel wird das sein? Vielleicht nochmal 1500 DH. Er ist im Normalfall weder kranken- noch rentenversichert. Das heißt,er ernährt von 3000 DH eine Familie und bezahlt den Arzt selbst, wenn etwas ist. Ein Krankenhausaufenthalt kann nur mit Schulden finanziert werden und reißt ein tiefes Loch in die Haushaltskasse.
Viele Handwerker sind Tagelöhner. Sie warten in den Cafes auf Arbeit. Einen Tag haben sie Arbeit ( ca 100 DH am Tag, wenn ein Meister, ein Helfer 70 oder 80 DH), einen anderen Tag eben nicht. Man kann selbst ausrechnen, wie es ihm geht, wenn er an 20 Tagen Arbeit hat.
Ich habe auch gehört, dass es kaum Kündigungsschutz gibt. Selbst nach Jahren der Beschäftigung gibt es keine Festverträge, sondern Du kannst jeden Tag gekündigt werden.

Viele Frauen machen nebenher kleine Hilfsarbeiten wie Borten oder Knöpfe für die Djellabas oder gehen putzen.

Jetzt sag, latino, wie können diese Schwierigkeiten gelöst werden? Der König, den Du glaube ich nicht magst, müsste alles auf einmal machen. Es müssten ein Arbeitsrecht geben, ein besseres SChulsystem, ein Ausbildungssystem mit IHK. wie kann man das bewerkstelligen? Ich glaube nicht, dass es schnell gelöst werden kann. Sicherlich würden auch viele Politiker und Lobbyisten solche Neuerungen blockieren.

Wenn nun ein Marokkaner ( wie ein Freund von uns), der klug, strebsam und korrekt ist, hört, dass es in Deutschland, Österreich, Schweiz mit rechten Dingen zugeht, dass man relativ gerecht behandelt wird und weniger Vetterleswirtschaft herrscht, wenn er eine reelle Chance sieht, dass sich Fleiß und Ehrlichkeit bezahlt machen, dann will er dorthin. Das ist doch klar.
Ein anderer, der weniger fleißig und korrekt ist, will vielleicht ein schlaueres Leben führen und tut dies anhand einer Europäerin, die von romantischer Liebe träumt ( die sie in der Regel von einem nüchternen Deutschen nicht bekommt), die er bezirzt.
Es gibt tausend unterschiedliche Fälle, das macht es ja so schwierig, zu urteilen. Wer mag schon BEtrüger und Faulenzer? Wohl keiner.
Natürlich ist es richtig, dass wahrscheinlich die Leute hier bleiben würden, wenn es andere Perspektiven gäbe.
Wusstet ihr, dass der deutsche Staat sogar neue Einwanderung wünscht? Das deutsche Volk schrumpft, weil zu wenig "Gebärmaschinen zur Befruchtung geprügelt werden" wie ethomas so zartfühlend äußerte und deshalb wird eine Aufstockung benötigt. Die Sozialleistungen nimmt man wohl in Kauf und rechnet mit der nächsten Generation.
Vielleicht wünscht auch Marokko mehr Auswanderung? Wer weiß? Es gibt viele junge Leute und die Gastarbeiter greifen Marokko enorm unter die Arme durch die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland.

Also wie gesagt, ich spreche hier nur als Laie und gebe das wider, was ich erlebe und von den Leuten höre.