Original geschrieben von: Koschla
Hallo Alwinchen,

nein, Du hast mich gründlich "mistverstanden". Bei meinem Posting habe ich Bezug auf die Eröffnung des Threads genommen, wo Annely meinte, sie störe es, dass Marokkaner in Deutschland häufig unter sich bleiben und dass Deutsche im Ausland sich mehr um Integration bemühen. Hier habe ich die Unterschiede in den Kulturen dargelegt und wollte sagen: wenn man nicht in einem Land LEBT, kann man es nicht beurteilen oder nur bruchstückhaft. Ich lebe aber hier und darf eine andere, in Teilen bessere, in Teilen schlechtere Gesellschaft kennenlernen, was eine große Chance zur Erweiterung des Horizonts ist. Dieses Kennenlernen und Eintauchen ist aber nicht immer so leicht, wie man es sich vorstellt, wenn man mit seinem marokkanischen Mann in Deutschland lebt. Ich sage immer: Urlaub ist nicht Leben. Ich verstehe jetzt eben auch besser, dass Marokkaner sich eventuell eher marokkanische Freunde suchen. Dazu habe ich das Beispiel mit den Höflichkeitsregeln der Gesellschaft hergenommen. Nach meiner Erfahrung tun sich Marokkaner oder allgemein Araber schwer mit der deutschen Direktheit und unserer Art, alles gleich zu bewerten und zu kritisieren. Araber versuchen immer, höflich zu bleiben und den anderen zu respektieren, auch sprachlich. Und weil es solche Unterschiede gibt, bleiben sie häufig eher unter sich. Ich selbst habe auch fast nur deutsche Freundinnen, aber nicht, weil ich Deutsche besser finde, sondern weil uns vieles verbindet- die Sprache, die Kultur und viele deutsche Angewohnheiten, die einem erst auffallen, wenn man eben nicht mehr in Deutschland lebt. Ich wollte auch ein bisschen die Kritik "entschuldigen", die Annely ansprach, wenn ihr Mann sagt, in Deutschland sei dies oder jenes schlecht oder schlechter als in Marokko. Wenn man im Ausland lebt, dann wird man vielleicht patriotischer und alles Vertraute erscheint einem in einem rosaroten Licht. Auch wenns nicht so ist. Selbst ich habe schon in dieser Weise Kritik geübt- was überhaupt nicht gut ist, aber verständlich, weil man sich fremd im neuen Land fühlt. So geht es den Marokkanern in Deutschland. Sie sehnen sich nach dem Vertrauten. Plötzlich erscheint dem Marokkaner der alltägliche Minztee, das Poulet au citron, die alltäglichen frischen Baguettes, das alltägliche Männercafe, das alltägliche Hammam, der Moscheebesuch, die allgemeine Höflichkeit als herrlich und verlockend. Man muss nur mal ein Jahr im Ausland leben, um das zu verstehen. Für dieses Verständnis habe ich geworben und erwähnt, dass ich das früher auch nicht habe nachvollziehen können.
Unterdrückt bin ich nicht, aber danke für Dein Mitleid. Vielleicht hast Du das so verstanden, weil ich sagte, dass ich nicht mit fremden Männern spreche. Naja, das stimmt so auch nicht ganz. Klar haben wir viele Bekannte und klar spricht man im täglichen Leben auch mit Männern. Aber es ist doch so in Marokko: Frauen werden nun mal gerne angegraben und da steht meiner halt nicht drauf. Kann man ja auch verstehen. Kann man auch respektieren finde ich.
Die arabischen Höflichkeitsregeln befolge ich nur außerhalb und mit fremden Menschen. Natürlich äußere ich mich wie ich möchte im Gespräch mit meinem Mann und der Familie. Ich habe mich auch nicht aufgegeben grin Aber im Tanktop laufe ich hier natürlich nicht herum. Wenn Du schon mal in Marokko warst, wirst Du auch verstehen warum. Wenn man einen Minirock tragen möchte, kann man hier eher nicht leben. Wenn Du dies als Unterdrückung ansiehst, ja dann bin ich schon unterdrückt cool
Wenn man jemanden liebt, dann sollte man auch seine Wünsche respektieren, soweit man das kann. Ohne Verbiegen. Du wünschst Dir sicher auch, dass Dein Partner Deine Wünsche respektiert. Und so respektiere ich, was meinem Mann wichtig ist, soweit es mir möglich ist. Das heißt nicht, dass ich mich verschleiern muss oder einen Maulkorb trage.

Zu Deinem Nachtrag: natürlich ist nicht alles "supi und heile Welt", um Dich zu zitieren. Nirgendwo ist das so, denn wo Menschen sind, da gibt es unterschiedliche Ansichten, die irgendwie friedlich zusammengebracht werden müssen. Dazu bedarf es einiger Anstrengung, sei es in Europa oder in Afrika. Wenn man nur und ausschließlich nach seiner eigenen Facon leben möchte, dann muss man allein bleiben. Auch das hat gewiss Vorteile. Und auch Nachteile wie wir alle wissen.
Was ich in meinem Posting sagen wollte ist, dass alles im Leben ein Prozess ist, der bewältigt werden muss und mehr oder weniger schnell geht. Heile Welt gibts nur im Fernsehen. Das andere heißt Leben.
Und Doofe gibt es überall. Mit denen muss man sich ja nicht umgeben.

Herzliche Grüße
Koschla


Hallo Koschla, finde deine Ansicht super, gut auf den Punkt gebracht daumen1