Liebe Merlina,

das, was Du schreibst kenne ich aus Malaga gut. Man muß jedoch jederzeit wehrhaft sein und ich beglückwünsche Dich zu Deiner Zivilcourage.

Zum Untergang des Abendlandes

Vor kurzem hat mich in einem Posting von Najib irritiert, daß irgendetwas "stochastisch" sein sollte und so bin ich auf Umwegen auf Nassim Nicholas Taleb's "Schwarzen Schwan" gestossen, der zufällig auch noch exakt in mein derzeitiges Studienobjekt "wie rette ich mein Vermögen vor dem Untergang des Abendlandes" gepaßt hat.

Hier ein paar Fundstücke für Afulkis These der Bedrohung der Mittelmeerkulturen durch den Kapitalismus zufällig herausgegriffen:

Antwort auf:
"..Die Mittelmeerkulturen entwickelten im Laufe der Zeit alle ein Dogma gegen Schulden. Ein römisches Sprichwort lautet: Felix qui nihil debet - glücklich der, der nichts schuldet...Wir haben schon aus der Zeit der Babylonier Dokumente, die die üblen Folgen von Schulden zeigen; die Religionen des Nahen Ostens verboten es, Schulden zu machen. Daraus schliesse ich, dass Religion und Tradition auch dazu dienten, Verbote durchzusetzen, um die Menschen einfach vor ihrer eigenen Arroganz zu schützen. Weshalb? Schulden beinhalten eine starke Aussage über die Zukunft und einen hohen Grad des Vertrauens in Vorhersagen...Derzeit lernen wir in Wirtschaftsinstitutionen uns Geld zu leihen, im Widerspruch zu allen historischen Traditionen..."


Der bevorstehende Zusammenbruch eines aufgeblasenen Dinosauriers oder Schulden AIDS

Der zentrale Punkt, für den die alten Lehrer eintreten, ist die Benutzung religiöser Begriffe, von Dogmen (Regeln, an die man sich halten muß, auch wenn man sie nicht versteht), nicht von Kerygmen (Regeln, die man verstehen kann und deren Zweck einem klar ist). Das war in gewisser Weiese die Überlegung hinter dem Epilogismus-Argument der medizinischen Empiriker in der Levante nach der Klassik, die als Einzige den Skeptizismus mit der Entscheidungsfindung in der realen Welt verschmolzen.

Antwort auf:
In den letzten 2500 Jahren, aus denen uns schriftliche Aufzeichnungen vorliegen, haben nur Narren und Platoniker (und noch schlimmer, die Leute, die bei Zentralbanken in leitender Funktion arbeiten) an konstruierte Utopias geglaubt


Was lernen wir daraus:

1. Daß Afulki recht hat, wenn er Länder mit intakten alten Dogmen (mache keine Schulden, betrüge nicht Deine Ehefrau, ehre Deine Eltern) bedroht sieht durch einen auf einem antisoziales Schneeballsystem beruhenden Verfolgungswahn namens Globalisierung, Optimierung, Gewinnmaximierung - Boni und Wettgewinnen.

2. Wenn der europäische Kontinent zu kippen beginnt, werden die vereinzelten Menschen, denen man weisgemacht hat, daß Mobilität alles wäre, daß Familie ein Klotz am Bein und Kinder ein Verarmungsrisiko sind, feststellen, daß sich in diesen fragilen und instabilen Strukturen nur Schädlinge gut halten können und sich darüberhinaus in Windeseile ausbreiten werden: das wird das Ende des Giganten Europa und Amerika sein und ein straff organisierter chinesischer und/oder brasilianisch/indischer Militär wird die Reste einsammeln und sie in Ketten in die Sklaverei schicken.

Etwas zu schwarz/weiß? Kann sein - aber nichts kann derzeit zu schwarz/weiß sein, um das zu beschreiben, was sich hierzulande zusammenbraut (und keiner hören und keiner sehen will).

Warum Länder wie Marokko eine Chance haben

Nicht nur die noch lebendigen Dogmen des Islam machen Marokko widerstandsfähig,
Antwort auf:
"Was für Muslime sind wir?" - Diese Frage stellt die französisch-sprachige Wochenzeitschrift "Telquel" und hat aus diesem Anlass mehr als 1100 Marokkaner in einer repräsentativen Umfrage zu ihren religiösen Einstellungen befragt. Die Studie führte das Magazin in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der König Abdulaziz al-Saud-Stiftung durch.

Die Umfrage zeigt, dass sich Marokkaner in erster Linie über ihre Religion definieren, sich also zunächst als Muslim und dann erst als Marokkaner sehen. Erst dann folgen laut der Studie die Selbstdefinitionen als Araber, Berber oder Afrikaner. "Die Mehrheit der Marokkaner betrachtet die islamische Religion als überlegene Religion. Die muslimische Identität ist die dominierende Identität in unserer Bevölkerung", so die Studie. Nur 14% der befragten Marokkaner erklärten, die Religion sei Privatsache, die überwiegende Mehrheit ist der Ansicht, die Religion solle auch weiterhin eine dominierende Rolle in der marokkanischen Gesellschaft spielen.

73% der Befragten gaben an, täglich zu beten. In der Altersgruppe der 18 bis 24-Jährigen liegt dieser Wert mit 41% am Niedrigsten. Hier gaben zudem 22% der Umfrageteilnehmer aus dieser Altersgruppe an, gar nicht zu beten. 8% der Marokkaner gehen demnach 5 mal täglich zum Beten in die Moschee. 72% der Befragten gaben an zum Freitagsgebet in die Moschee zu gehen, auch hier lag der Wert unter den 18 bis 24-Jährigen mit 35% am Niedrigsten. Trotzdem erklärten 56% der Befragten die heutige junge Generation sei besser über den Islam informiert als vorherige Generationen.

Zum Gebot des Fastens während des Ramadan erklärten 60% der Befragten, dass jemand der dieses Gebot nicht befolge nicht länger als Muslim betrachtet werden könne, 28% sind gegenteiliger Ansicht. 44% der Marokkaner sind der Meinung, jemand der während des Ramadan nicht faste müsse bestraft werden, 41% halten die Entscheidung darüber für die Privatsache eines jeden Einzelnen.

auch die mangelnde Grösse, die Unorganisiertheit, das Nichtlangfristig-Denkenwollen, die Flexibilität und die kleinen Einheiten: auf kleinen Inseln gibt es pro Quadratmeter mehr Artenvielfalt als in grossen Ländern, sie sind deshalb robuster gegen Schädlinge, können ausweichen, sich auf andere Qualtitäten verlegen, anpassen - ich kenne keinen Marokkaner, der nicht in wenigstens 5 Berufen (und 5 Sprachen) sich irgendein Zubrot verdienen könnte und keine Familie, die nicht noch ein Brot und Olivenöl übrig hätte, für wen auch immer.

Antwort auf:
Nochmal Taleb: "...Kein einziger der Leute, die uns weismachen wollen, dass wir "drei Mahlzeiten" am Tag brauchen und uns "beim Essen Mässigung auferlegen" müssen, hat empirisch überprüft, ob das tatsächlich gesünder ist als periodische Fastenzeiten, auf die grosse Festmähler folgen. Das Problem hat eine Dimension, die in den Bereichen der Wissenschaftssoziologie fällt. Der Wissenschaftsautor Gary Taubes hat mich davon überzeugt, dass die Empfehlungen im Hinblick auf die Ernährung mehrheitlich im Widerspruch zu den Fakten stehen. Er wusste aus Jäger-Beute-Modellen, daß alle Populationen Fülle- und Hungerperioden durchmachen. Das bedeutete, daß wir Menschen darauf angelegt sein mussten, extremen Hunger und extremen Überfluss zu erfahren..."


Doch die Religionen des Nahen Ostens (Judentum, Islam und orthodoxes Christentum) wussten das natürlich (sie wussten ja auch, dass man keine Schulden machen darf), und deshalb gab es dort Fastentage.

Josi