Guten Morgen Afulki,

derzeit sollte man sich zuallererst um sein Geld kümmern, wenn man in EURO-Land lebt: trotzdem hier ein Text über die Westsahara aus der Quelle von Wikileaks (1.350 Depeschen aus Rabat und Casblanca: die Lektüre lohnt sich) veröffentlicht in der gedruckten FAZ vom 04.12.2010, Nr. 283 / Seite 6:

Amerikanische Diplomaten in Rabat und Casablanca haben in ihren Berichten für das Washingtoner State Department auf eine "institutionelle Korruption" in Marokko aufmerksam gemacht, die von König Mohammed VI. bis zur Armee reichen soll. Die Streitkräfte wiederum werden, wie von Wikileaks verbreitete und am Freitag von der Zeitung "El País" nachgedruckte Dokumente zeigen, wegen Infiltration radikaler Islamisten als die potentiell größte Bedrohung für die Monarchie in dem nordafrikanischen Land dargestellt. Derweil reagierte die marokkanische Regierung auf Kritik des Europäischen Parlaments und der spanischen Cortes an den jüngsten Zusammenstößen der Westsahara mit der Ankündigung, dass jetzt "die gesamten Beziehungen mit Spanien in allen Bereichen überprüft" würden.

Das marokkanische Parlament begann am Donnerstag mit der "Überprüfung" des Verhältnisses zu Spanien, ohne dass zunächst klar wurde, ob wie vor neun Jahren bei dem letzten Konflikt um die Petersilien-Insel konkrete Repressalien folgen sollen. Damals hatte Rabat aus Verärgerung über den konservativen Ministerpräsidenten José María Aznar, den Vorgänger des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero, Handelsboykottmaßnahmen mit einer Kündigung des Fischereiabkommens verbunden. Das spanische Parlament hatte am Mittwoch einmütig eine vergleichsweise milde Resolution verabschiedet, in der die gewaltsame Räumung eines Protestlagers in der Westsahara Anfang November - ohne Marokko beim Namen zu nennen - kritisiert wurde. Ähnlich hatte sich kurz davor das Europäische Parlament in einer Entschließung geäußert.

Regierungssprecher Khalid Naciri sprach daraufhin von "inakzeptabel feindseligen antimarokkanischen Aussagen". Das spanische Abgeordnetenhaus habe sich implizit "mit den Gegnern des Königreichs solidarisiert", anstatt den Behörden zu "ihrer Weisheit und ihrem Verantwortungsbewusstsein" bei dem Umgang mit den Saharauis zu gratulieren. Deshalb würde nun in einer "außerordentlichen Sitzung" des Parlaments über das Verhältnis mit Spanien beraten. Nach Darstellung Rabats sind bei den Zusammenstößen im November elf Angehörige der Sicherheitskräfte getötet worden. Unklar ist bislang, wie viele Opfer es auf der anderen Seite gab. In einem neuerlichen Beschwichtigungsversuch veröffentlichte das Madrider Außenministerium eine Erklärung, in der es heißt, dass die spanische Regierung "alle Kommunikationskanäle offenhalten und die bestmöglichen Beziehungen" mit dem Nachbarland beibehalten wolle.


Ohne weiter in die Tiefe gehen zu wollen, fällt schon nach der ersten Lektüre auf, daß es für den König Mohammed VI. eine Gefahr darstellt, eine bis an die Zähne bewaffnete Streitmacht außerhalb der täglichen Beobachtung in der Westsahara und weitab vom Schuß unter Kontrolle zu halten: er sie deshalb gut überwachen lässt, weiträumig korrumpiert und im übrigen gerade nicht besonders extensiv mit Waffen ausstattet, darüberhinaus die Moscheen im Auge behält.

Die marokkanischen Streitkräfte werden ebenfalls als korrupt, schlecht ausgebildet und radikalismusanfällig porträtiert. Nach den Erfahrungen mit zwei gescheiterten Staatsstreichversuchen gegen Mohammeds Vater Hassan in den siebziger Jahren würden sie im Palast unverändert als "die größte potentielle Bedrohung für die Krone" angesehen. Mehr als die Hälfte der auf 218 000 Mann geschätzten Armee sei in der Westsahara stationiert. Dort würden vor allem ihre Kommandeure ruhiggestellt, indem man sie durch Militärverträge oder auch Beteiligungen bei Fischerei und Bodenschätzen nebenbei hohe Summen Geldes verdienen lasse. Nach den Terroranschlägen von Casablanca im Jahr 2003 habe man Verbindungen zwischen Islamistenzellen und Soldaten aufgedeckt. Die Soldaten und Offiziere würden seitdem scharf überwacht. In den Kasernen gebe es keine Moscheen, die Moscheen in der Nähe würden kontrolliert.

Das könnte erklären, warum es 11 Opfer unter den Polizisten und nicht unter den "Aufständischen" gegeben hat, es könnte aber auch erklären, warum Algerien sich auf diese weitab gelegene Region kapriziert, die Unterstützung von Spanien sucht und es sich um einen gezielten, von langer Hand vorbereiteten Militär-Putsch handeln könnte, den Algerien gemeinsam mit dem marokkanischen Militär im Auge hat.

Wer Jugoslawien, den Kosovo, Kroatien und Serbien zitiert, sollte nie die Rolle des Militärs in diesem Konflikt vergessen und die alten Bündnis-Partner Deutschland, England und Frankreich, die die eigentlichen Akteure in diesem angeblichen Bürgerkrieg waren (die Sorgen von König Mohammed VI teile ich deshalb voll und ganz).

Jetzt aber zurück zum hiesigen EURO-Desaster.

Josi