Liebe Elvire,

mit dem Thema "Marokko in die EU" haben die 3.500 EUR netto deshalb zu tun, weil der marokkanische Staat mithilfe der Weltbank exakt dieser galoppierenden Staatsverschuldung Einhalt geboten hat - ganz im Gegensatz zu Deutschland: weshalb die Bankrottprognosen für Marokko bzw. Deutschland nocheinmal nach oben bzw. nach unten korrigiert werden müssen.

Ich kann nichts dafür, daß Dich die gute Position von Marokko was die Staatsverschuldung angeht, unvorbereitet getroffen hat: wie man an Najib sehen kann (dem man keine Marokko-Ressentiments vorwerfen kann) muß man sich auch als ausgewiesener Marokko-Optimist immer wieder vergewissern ob eigene Annahmen immer noch zutreffen: wie zum Beispiel die, daß man sich die Staatsfinanzen von Marokko besser nicht näher anschauen sollte - wozu Dolphin die Vorlage (ebenfalls rein subjektiv, von Dir aber nicht moniert) geliefert hatte: zum mindesten dann, wenn diese Annahmen relevant sein sollen für eine Aufnahme in die EU.

Wir haben in Deutschland das Pech, keinen König zu haben, dem sein gesamtes - hoffentlich noch recht langes - Leben, zur Verfügung steht, um diejenigen Dissidentenmeinungen ignorieren zu können, die aus keiner anderen Quelle gespeist werden als dem Entzug der o.a. Pfründe: ein Luxus, den sich eine Bundesregierung nicht leisten kann. Bei näherer Betrachtung speist sich die gesamte von Dir zitierte Presse und auch der Verein, dem Du angehörst, aus der Quelle dieser entmachteten Funktionäre, die nichts lieber hätten als Verhältnisse "wie in Deutschland" auch in Marokko. Nur heisst es dann: Liberalisierung, Säkularisierung und Demokratie und wenn es ganz schlimm kommt "Zivilgesellschaft" und "Gendermainstreaming".

Zu den 3.500 EUR netto kommen im übrigen noch eine komfortable Krankenversicherung kostenlos obendrauf, die jedem Arzt und Krankenhaus die Dollarzeichen in die Augen treiben (ich mache die monatlichen Abrechnungen), zusätzlich 1350 EUR netto monatlich aus der Pflegeversicherung, darüberhinaus eine Kriegsversehrtenzusatzrente und eine Steuerrückerstattung, die problemlos dadurch erreicht werden kann, daß zahlreiche gemeinnützige Stiftungen von Parteifreunden und ehemaligen Kollegen unterstützt werden (obwohl sie alles andere als neutral sind und geistig eher eine schlagende Verbindung, denn gemeinnützig).

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Zitat: Prof. Bernd Raffelhüschen (Mitglied der Rürup-Kommission und Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Universität Freiburg) fordert, dass man in die Schuldendiskussion auch die verdeckten Schulden miteinbeziehen muss. Denn neben den offenliegenden Schulden (im Fachjargon explizite Verschuldung genannt), gibt es leider auch noch die versteckten Schulden (implizite Verschuldung). Diese ergeben sich aus der Höhe der zukünftigen (und weitgehend festgeschriebenen) staatlichen Verpflichtungen, wie z.B. Renten-, Zusatzversorgungen und Pensionszahlungen. So werden sämtliche Staatsdiener direkt aus der Staatskasse bzw. aus dem laufenden Haushalt bezahlt. Steigende Versorgungsempfänger – vor allem pensionierte Beamte – sorgen somit automatisch für ein größeres Haushaltsloch und höhere Staatsschulden, die dann von der derzeit noch impliziten Verschuldung zur expliziten Verschuldung mutieren.

Dazu kommt der Demographiefaktor. Höheres Alter bringt längere Leistungen der Rentenversicherungen, höheres Alter bringt eine signifikante Zunahme der Alterskrankheiten. Die Altersdemenz wird in 20 Jahren dreimal so häufig anzutreffen sein wie heute. Die Pflegeversicherung ist eine tickende Zeitbombe, weil sie die erforderlichen Leistungen mit dem jetzigen Beitragsniveau nicht erfüllen kann. Und dies alles bei einer abnehmenden Zahl von Einzahlern in Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung". Zitat Ende


Man kann nun darüber diskutieren, wie sehr sich ein Beamter in aktiven Zeiten aufgeopfert haben mag (es gibt auch die Mindermeinung aus dem besagten Freundeskreis, daß es sich eher um ein "Hochpupsen" mit automatischer Höherstufung gehandelt hätte, denn um einen Knochenjob): rein haushaltstechnisch handelt es sich um exorbitante Schulden, denen keinerlei Leistungen für die aktuellen Haushaltsbedürfnisse eines Staates bzw. einer Kommune gegenüberstehen und darüberhinaus um Schulden, die sich regelmässig verdoppeln - für einen Privathaushalt der Zeitpunkt an dem man Privatinsolvenz anmelden müsste.

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Zitat: "Beamtenpensionen sprengen die Haushalte"

Die Pensionsansprüche von Beamten explodieren. Droht den Staatsdienern eine schmerzhafte Reform? Wahrscheinlicher sind steigende Steuern und höhere Schulden. Staatsdiener werden zur Gefahr für die Etats. Für die Verwaltungsexpertin Gisela Färber ist die Lage der Beamtenversorgung „so alarmierend wie die Finanzkrise“. In einer noch unveröffentlichten Studie der Hans-Böckler-Stiftung hat Färber die kommenden Belastungen berechnet. Ihr Ergebnis: Würde der Staat jetzt schon ernsthaft Vorsorge bis 2050 treffen, müsste er rund 970 Milliarden Euro zurücklegen- und das, so Färber, sei noch konservativ gerechnet.

Für den Staat bestehen zwei Alternativen: Kürzung der Altersbezüge der Beamten oder Wahrnehmung der im Grundgesetz verankerten Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten. Was gut wäre für Pensionäre, wäre schlecht für die Allgemeinheit. Denn hielte sich der Staat an sein Versorgungsversprechen, müssten die öffentlichen Kassen die Pensionäre durch Kredite finanzieren, was steigende Steuern und wachsende Schulden zur Folge hätte. Reformen würden hingegen auf enormen Widerstand der mächtigen Beamtenlobby treffen. Schon heute kosten die Pensionen der verbeamteten Ruheständler den Bund jährlich über zwei Milliarden Euro und ihre Zahl soll in den kommenden 30 Jahren um knapp 38 Prozent steigen. Der Staat baut jedoch darauf, dass Wirtschaftsleistung und Steuereinnahmen steigen, um den Finanzbedarf zu decken. Nachhaltige Vorsorge existiert nur in Ansätzen, ab 2017 sollen jährlich 500 Millionen Euro aus einer Rücklage fließen und seit 2007 gibt es einen zusätzlichen Fonds, der jedoch nur für künftige Pensionäre aufkommen. Die Lage zeigt sich dramatischer bei den Ländern, die mit 1,2 Millionen Staatsdienern den Großteil der Beamten beschäftigen". Zitat Ende


Auf der angegebenen Webseite finden sich dann auch sämtliche Artikel zum Thema "Pensionsverschuldung toppt sogar noch die Finanzkrise" und auch alle relevanten Zahlen, Daten und Fakten. Ich vermisse im übrigen in Deinem Post, einen über die an Idiosynkrasie grenzende Gereiztheit mich persönlich betreffenden Informationsgehalt: denn daß eigene Beobachtungen auch zu passablen Prognosen führen können ( das Prinzip Fuzzy-Logik) weiß ich, seitdem ich den Meister Lotfi Zadeh selbst in Berkeley besucht habe und verzichte seitdem - relativ selbstbewußt - auf flächendeckendes Name- und Mediendropping: es sei denn, ich stünde vor Gericht - was hier manche vielleicht mir wünschen mögen, es sich aber immer noch um ein schlichtes Diskussionsforum im Internet handelt.

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Zitat: Einen ziemlich großen Teil kommunaler Schulden machen die Pensionszusagen der deutschen Städte an ihre Beamten aus. Die Situation droht sich noch zu verschlimmern, denn ab 2015 gehen die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Pension und die Politiker haben dafür nicht vorgesorgt. Das Geld, das sie dafür seit 40 Jahren hätten zurücklegen müssen, haben sie ausgegeben. Eine noch unveröffentlichte Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig und der Commerzbank zeigt, dass sich bis 2035 die kommunalen Pensionslasten auf 6,2 Milliarden Euro mehr als verdoppeln werden. Ausreichend gespart wird auch jetzt fast nirgends. „Die Orientierung auf die jährlichen Ausgaben verhindert, dass man sich mit langfristigen Konzepten und dem Aufbau eines Kapitalstocks in den Kommunen beschäftigt“ so die Leipziger Wissenschaftler. Bisher tauchten die zukünftigen Pensionsverbindlichkeiten nicht in der kommunalen Rechnungslegung auf, nun gehen viele Städte zum Verfahren der Doppik, eine Art betriebswirtschaftlicher Bilanzierung, über. Dort wird für alle sichtbar, wie viel die Stadtväter in der Vergangenheit für Pensionen zurückgelegt haben, oder eben nicht. Denn die meisten haben jahrzehntelang mehr ausgegeben als sie an Steuern eingenommen haben. Zitat Ende.


Fazit: Marokko Du hast es gut. Auch wenn Du nicht in die EU aufgenommen wirst (oder gerade deshalb).

Josi