Original geschrieben von: Najib

Antwort auf:
Wenn es darum geht, die Nichtmuslime an der Nase herumzuführen, gibt eine sehr große Eintracht unter den Muslimen.


einige nichtmuslime mischen da aber auch ganz kräftig mit.



Hallo Najib,

in diesem Punkt stimme ich Dir völlig zu! Wenn es darum geht, bestimmte, positive ideologische Sichtweisen über den Islam zu verbreiten, steht eine bestimmte Spezies von Nichtmuslime an vorderster Front.

Das erste was aus dem Mund dieser Leute kommt ist der Satz: "DEN Islam gibt es nicht", was natürlich in gewisser Weise eine Binsenweisheit ist.

Wenn man sie aber dann darauf hinweißt, dass es den sunnitischen Islam gibt, der natürlich nicht uniform ist, der aber auf einer sehr breiten Basis gemeinsamer Grundaussagen aufbaut, werden sie meist sehr dünnlippig.

Wenn man dann noch erklärt, dass man findet, das Sunnitentum habe sehr konsequent die Aussagen des Korans systematisiert und durch die Sunna komplettiert, beginnen sie meist böse zu werden.

Wenn man dann noch darauf hinweist dass 90% aller Muslime Sunniten sind, wird man meist "als schlimmer als die islamischen Fundamentalisten" oder ähnlich, abqualifiziert.

Diese Leute pflegen nämlich das Bild von einem superbunten, total vielfältigen Islam, bei dem jeder ganz nach Lust und Laune sich seinen persönlichen Privat-Islam zusammenbastelt.

Solche privaten Islam-Bastler gibt es, aber sie sind die Ausnahme und nicht die Regel.

Die organisierte Islamlobby und die "der-Islam-ist-ja-so-bunt"-Fraktion stellen sich dann hin und sagen beispielsweise: "der Islam verbietet Zwangsheiraten", was natürlich im Widerspruch zu der Aussage steht, das der Islam so extrem vielfältig ist, dass man eigentlich gar nichts über ihn sagen kann.

Wenn man dann sagt, dass es im klassischen Fiqh die Rechtsfigur der "wilayat al-idschbar fi-n-nikah" (Heiratsvormundschaft mit der Berechtigung die Braut in die Ehe zu zwingen) gibt, werden sie meist bösartig.

Du hast Recht, Najib, bei diesem Spiel sind die Nichtmuslime mindestens so schlimm wie die Muslime.

Original geschrieben von: Najib

woher kommt eigentlich das intime wissen was in den muslimen wirklich vorgeht und was nur für die aussendarstellung ist?


Ich halte mich da an eine Regel, die in der islamischen Welt weiter verbreitet ist als unter Europäern, besonders unterlinksgrünen Ideologen: ich beurteile die Menschen nicht nach dem, was sie lauthals und demonstrativ erklären, sondern danach, was sie tun.

Da finde ich dann, dass, abgesehen von einigen sehr Mutigen und Aufgeklärten, die Masse der Muslime die orthodoxen Lehren stillschweigend oder aktiv billigt.

Es gibt so gut wie keine Muslime, die aus der sunnitischen Orthodoxie austreten um muslimischen Reformgemeinden zu bilden, die mit all den Ungeheuerlichkeiten der klassischen Scharia aufzuräumen, auch nicht in der westlichen Diaspora, wo das relativ leicht möglich wäre.

Im Judentum gibt es die verschiedensten Strömungen, ultra-orthodox, orthodox, konservativ, reform/liberal, reconstructionist, die in sich noch weiter unterteilt sind. Diese Strömungen sind gut organisiert und quantifizierbar. Jeder kann sich da das Judentum raussuchen und es organisiert ausleben, das er will.

Im Christentum sieht es etwas anders aus, weil das Christentum nicht so tief ins persönliche Leben eingreift wie Judentum und Islam, wo man täglich mehrmals bestimmte Gebete verrichten muss, wo rituelle Reinheit, die in beiden Religionen übrigens gleich, nämlich "tahara" heißt, eine große Rolle spielt, wo das Verhältnis der Geschlechter zueinander klar geregelt ist, und wo Speise- und Konsumgebote und –verbote einzuhalten sind.

Aber auch das Christentum hat verschieden doch recht unterschiedliche Formen und Konfessionen von extrem streng bis extrem liberal.

Wenn also die Masse der Muslime ernsthaft, und nicht nur aus Opportunismus liberal eingestellt wäre, würde auch ein organisierter liberaler Islam entstehen. Das ist aber nicht der Fall.

Die angeblich liberalen "Reformmuslime", die sich als solche anpreisen, sind meist Mogelpackungen, wie die Ahmadis, die weder Muslime noch Reformer sind, oder sie treiben ein doppeltes Spiel, wie Tariq Ramadan, oder sie sie sind ehrlich und aufrichtig, wie Nasr Hamid Abu Zaid oder Bassam Tibi, aber dafür Figuren ganz am Rande des Sunnitentums, die keinen wirklichen Einfluss haben.

Puh, das ist schon wieder ein ganz langer Text geworden, obwohl ich nur auf die Hälfte Deines Beitrags geantwortet habe, Najib, sieh mir das bitte nach!

Viele Grüße

Gu Lalman