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Mohammed VI. bricht in Marokko mit Traditionen und mit den Islamisten. Ob der Umbau der Gesellschaft wirklich gelingt, wird auch in den Gerichtssälen entschieden.
Ein Besuch im Familiengericht von Tanger


Richter Hamid Fadli hat es eilig. Es ist schon 14 Uhr an diesem Mittwochnachmittag, gleich wird der Muezzin zum Gebet rufen und noch immer liegt ein beeindruckend hoher Stapel nicht verlesener Urteile auf seinem mächtigen Holztisch.

Den schmucklosen, gut 200 Quadratmeter großen Saal im Familiengericht zu Tanger füllen die rund 40 wartenden Menschen nur halb. Frauen und Männer, nur zwei Kinder. Neonlicht flackert an der Decke und verleiht dem Geschehen etwas Surreales. Den Richter, seine drei Beisitzerinnen und die Menschen auf den Sitzbänken eint, dass sie alle traurig, fast deprimiert dreinschauen. Es ist heute der Tag, an dem Richter Fadli Ehen trennt. Grund für Erleichterung vielleicht, aber sicher keiner zur Freude.

"In der Sache Chadija gegen Hisham Benjelloun (*)", ruft der Enddreißiger mit dem schütteren schwarzen Haar und der durchdringenden, autoritären Stimme in den Saal. Chadija löst sich zögerlich aus der Menge und tritt aus der vierten Bankreihe zum Richtertisch. Hisham, ihr Noch-Ehemann, ist nicht erschienen. Richter Fadli verkündet: "Die Ehe wird mit sofortiger Wirkung geschieden, das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter wird der Mutter übertragen, die während der Ehe angehäuften Güter werden geteilt." Akte geschlossen, nächster Fall.

Ein scheues Lächeln huscht über das Gesicht der Frau mit dem blond gefärbten Haar, das sie offen trägt. Ihre schlanken Beine stecken in engen Jeans, darüber fällt eine gemusterte, dreiviertellange Lederjacke. Man sieht ihr den Triumph an, den sie über die Gesetzmäßigkeiten einer patriarchalischen Gesellschaft errungen hat: Nicht nur konnte sie die Scheidung erwirken, es gelang ihr obendrein noch, das Sorgerecht für ihre Tochter durchzusetzen. Weder das eine noch das andere wäre vor fünf Jahren denkbar gewesen. ...
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