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Marokkos mutige Frauen #89262
03/12/08 02:10 PM
03/12/08 02:10 PM
Joined: Nov 2008
Posts: 186
Akouda/Sousse, TN
Uwe_Wassenberg Offline OP
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Uwe_Wassenberg  Offline OP
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Akouda/Sousse, TN
Artikel gefunden in der Welt Online

Amina war stolz, als sie zum ersten Mal mit ihren Broschüren durch die Straßen ging. Sie wollte den Mädchen im Viertel erklären, was die Moudawana ist, Marokkos seit 2004 geltendes Frauen- und Familienrecht. Noch immer stehen der 23-Jährigen Schreck und Enttäuschung im Gesicht geschrieben. "Sie haben mich angeschrien", erzählt die Studentin mit klarer Stimme. ",Hör auf damit!', haben sie gesagt. ,Sonst finden wir keinen Mann mehr, der uns heiraten will.'"
Amina lebt in Sidi Bernoussi, einem verarmten Stadtteil am Rand von Casablanca. Seit ein paar Monaten ist sie bei Intilaka, einem Verein von Jugendlichen, die Aufklärungsarbeit machen, zum Beispiel eben über die Moudawana. Was Amina in Sidi Bernoussi bei ihren Aktionen erlebt, steht exemplarisch für ganz Marokko. Für ein Land im Umbruch, in dem jene auf massiven Widerstand stoßen, die eine in vielerlei Hinsicht extrem traditionelle, teilweise mittelalterliche Weltanschauung hinter sich lassen und den Anschluss an die Moderne schaffen wollen.
Der erste Name, der in diesem Zusammenhang fällt, ist der des Königs. 1999 übernahm Mohammed VI. die Macht von seinem verstorbenen Vater. Vor vier Jahren setzte er gegen den - noch immer anhaltenden - Widerstand der Islamisten das neue Familienrecht durch. Seither haben in kaum einem islamischen Land Frauen so viele Rechte wie in Marokko. Die Familie steht nun gleichberechtigt unter der Verantwortung beider Eltern. Der Mann kann nicht mehr einfach die Scheidung einreichen und seine Frau ihrem Schicksal überlassen; umgekehrt ist es endlich auch den Frauen möglich, ihre Männer zu verlassen. Das Heiratsalter liegt nun bei 18 Jahren; die Braut kann eine Ehe ohne die Einwilligung eines männlichen Verwandten eingehen. Und Polygamie ist nur in Ausnahmefällen und mit richterlicher Genehmigung erlaubt.
Najia Zirari kann sich noch gut erinnern, wie 1985 die allererste Frauengruppe Marokkos gegründet wurde. "Die letzten zehn Jahre waren ein Riesenschritt nach vorn", sagt die Feministin, die Projekte der deutschen Entwicklungsagentur GTZ betreut. "Aber es muss noch sehr viel passieren."
Wie viel noch passieren muss, das hat Rabia Ghanib im wahrsten Sinne am eigenen Leib erfahren. Vor zwei Jahren, mit 23, wurde sie schwanger, von ihrem Verlobten. Doch der ließ Rabia sitzen. Ihre Familie verstieß sie. "Ich dachte, mein Leben hört auf", erzählt sie. Denn obgleich Marokkos König und seine Regierung den Frauen mehr Rechte gegeben haben - ledige Frauen mit Kind zählen weiter zu den Ausgestoßenen. Und sie werden hart bestraft, eine Frau mit einem unehelichen Kind wird vor Gericht wegen Prostitution verklagt. Vor allem auf dem Land, so berichtet Frauenrechtlerin Zirari, säße eine unbekannte, aber sehr hohe Zahl Frauen mit ihren Neugeborenen oft monatelang hinter Gittern. Und die anschließende "Freiheit" ist nicht viel besser: Betteln oder Prostitution sind die einzigen Mittel zum Überleben.
Die junge Rabia hat Glück gehabt. Das Frauenhaus Insaf in Casablanca nahm die verzweifelte Marokkanerin auf. Das Kind, der kleine Wissal, das einst ihr Unglück war, ist bereits zwei Jahre alt. Rabia arbeitet jetzt bei Insaf, wo sie eine Ausbildung als Kinderpflegerin gemacht hat. Anfangs, sagt Rabia, konnte sie ihren Sohn nicht lieben. Aber jetzt habe ihr Leben wieder einen Sinn. Und auch zu ihren Schwestern habe sie endlich wieder Kontakt, sagt Rabia glücklich.
Nabila Tbeur bedauert, dass Rabia nur eine Ausnahme ist. "Das Einzige, was die Frauen wollen, ist, dass ihr Kind vom Vater anerkannt wird. Und vielleicht noch, dass ihre Familien sie wieder aufnehmen", sagt die Leiterin von Insaf, und der Frust steht ihr im Gesicht geschrieben. Die Ausbildungsstelle, die ihnen das Frauenhaus vermittelt, ließen viele nach kurzer Zeit wieder sausen, so Tbeur.
Denn das Leben vieler Marokkanerinnen ist der neuen Moudawana zum Trotz von strenger Tradition geprägt. Daran ändert auch nichts, dass Mohammed VI. vor drei Jahren das offizielle Amt der Mourchidate einführte, eines weiblichen Imam - eine Sensation in der islamischen Welt. Zuvorderst ging es dem König dabei um die Institutionalisierung der Religionslehre, und damit um Kontrolle. Denn seit den Anschlägen islamistischer Extremisten in Casablanca 2003 verharrt das Land in Angst vor dem Terror der Fanatiker. Beinahe jeden Monat nimmt die Polizei Verdächtige fest.
Zugleich aber wollte der König Frauen in die Moscheen bringen, die anderen Frauen die friedliebende Lehre des Korans vermitteln. Frauen wie Fatima-Zahra Salhi. Die 28-Jährige blickt schüchtern unter ihrem dunkelgrünen Kopftuch hervor. Sie ist stolz, "die Arbeit des Propheten" in einem Gebetshaus in Rabat ausüben zu können. Und dass die Frauen mit ihr jemanden haben, dem sie ihr Herz ausschütten können, was sie bei einem Mann nie täten.
Auch viele Mädchen kommen zu Fatima-Zahra. Die Mourchidate berät sie "spirituell", erklärt die Fastenregeln, manchmal gibt sie auch Rat in einer konkreten Lebenssituation. "Aber Verhütung ist nicht mein Thema", sagt sie. Und wenn sich eine schwangere Frau an sie wendet? Dann rate sie zur Abtreibung, wenn die werdende Mutter keinen Ausweg sehe und noch nicht über den vierten Monat hinaus sei. "Der Druck der Gesellschaft auf nicht verheiratete Mütter ist einfach zu groß", meint die Mourchidate. Und fügt hinzu: "Die Moudawana hat nichts wirklich Neues gebracht."

Quelle: Welt Online
http://www.welt.de/welt_print/article2813788/Marokkos-mutige-Frauen.html

Re: Marokkos mutige Frauen [Re: Uwe_Wassenberg] #89268
03/12/08 11:05 PM
03/12/08 11:05 PM
Joined: Nov 2008
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Süddeutschland
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Mogador52 Offline
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Mogador52  Offline
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Joined: Nov 2008
Posts: 3,538
Süddeutschland
Hallo Uwe,

du stellst wirklich interessante sozialkritische Berichte und
Quellen ins Forum. Natürlich bleibt dem Normalreisenden oft der
Einblick verwehrt.Sprachprobleme und tiefverwurzelte Traditionen
spielen da eine grosse Rolle. Marokko ist nicht Europa.

Aber wenn ich mit Herzen nach Marokko oder in
andere muslimische Länder reise, gehören diese Gedanken auch dazu. Um Land und Leute besser zu verstehen.

Das wollte ich mal kundtun.

Vielen Dank

Gabriele


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