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Der Urtext des Koran #82070
08/11/07 06:26 PM
08/11/07 06:26 PM
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Youssef Alami Offline OP
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Potsdamer Forscher gehen den antiken Spuren im Islam nach. Aus frühen koranischen Handschriften lässt sich etwas über die Menschen und die Geisteswelt in den Kindertagen der Weltreligion erfahren.

Anfang des 7. Jahrhunderts versammelte Muhammad seine Anhänger in Mekka und Medina um sich. Auf seinen Botschaften begründete sich eine neue Weltreligion, der Islam. Der Koran, die Heilige Schrift der Muslime, ist historisch eine Mitschrift der Gespräche Muhammads zu seiner Urgemeinde. Aus frühen koranischen Handschriften lässt sich etwas über die Menschen und die Geisteswelt in den Kindertagen der Weltreligion erfahren. Eben das versucht derzeit in Potsdam die Arbeitsstelle „Corpus Coranicum“ der Berlin Brandenburgischen Akademie. Betrachtet wird hier der vorkanonische Koran, die ältesten Handschriften. Die Fragen der Forscher richten sich an die Zuhörer in der spätantiken Welt: Wer waren sie? Wie haben sich ihnen die neuen Ideen vermittelt? Wie hat sich der neue Diskurs in ihre Gedankenwelt eingeschrieben?

Die Urgemeinde war um 610 kein unbeschriebenes Blatt. Man teilte eine Welterfahrung, zu der Judentum und Christentum gehörten. Im Umfeld des Propheten gab es Vorstellungen von einem Gott oder von Jesus, man hatte gehört von Abraham und Moses, hatte Begriffe von Gesetz oder Jüngstem Gericht. Um ein neues Paradigma aufzustellen, musste sich der neue Text „an den Traditionen abarbeiten“, sagt die Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth, die das Projekt leitet. Wer neue Ideen in die Welt trägt und verstanden werden will, muss das Vorwissen seines Auditoriums berücksichtigen.

„Wir wollen ein kulturelles Lexikon der ersten Hörer ausloten“, beschreibt Nicolai Sinai, einer der beiden Arbeitsstellenleiter, die Tätigkeit. Dazu gehört zunächst einmal das Zusammentragen von noch vorhandenen ältesten Koranmanuskripten. Sie werden in einer digitalen Datenbank dokumentiert, begleitet von einer Umschrift in ein einheitliches arabisches Zeichensystem und einer Übersetzung ins Deutsche.

Parallel dazu beschäftigt man sich mit dem Kontext der Koranhandschriften. Die Wissenschaftler wollen den einzelnen Versen aus den Suren des Korans christlich-jüdische Texttraditionen, sogenannte „Intertexte“, zur Seite stellen. Die arabischen, griechischen oder hebräischen Texte sind sich strukturell in ihrer Form, im Reim oder den auftauchenden Begriffen ähnlich. Das dokumentiert, welche Vorstellungen präsent waren und wie sich die theologische Richtung verändert. So taucht zum Beispiel der Name Jesus im Koran als Relikt jüdisch-christlicher Tradition auf, aber er wird dort verhandelt als Sohn der Maria (Isa ibn Mariara) und nicht mehr als Sohn Gottes, wie ihn die spätantike Welt kannte.

In einem dritten Schritt wird der Text der Koranfrühschriften von den Mitarbeitern des Corpus Coranicum historisch-kritisch kommentiert. Es geht dabei nicht um einen Kommentar zu Glaubensinhalten, sondern um Form, grammatikalische Besonderheiten, literarische Gestalt der einzelnen Koranverse, um Chronologie oder konkrete Bezüge.

Dieser Umgang mit dem Koran ist eine Methode, mit der in der europäischen Welt längst schon an biblische Frühtexte oder jüdische Texttraditionen herangegangen wird. Der Koran aber wurde hierzulande bislang hauptsächlich als „Text der Muslime“ gelesen. Indem man den vorkanonischen Koran nun auch als Text seiner Zeit lese, wolle man ihn „in Europa unterbringen“, sagt der Philologe Michael Marx. „Eine Abgrenzung des Korans und seiner Geschichte von den Wurzeln europäischer Geschichte macht keinen Sinn.“

Für islamische Koranforscher sei dies nicht so problematisch, wie es auf den ersten Blick erscheine, betonen die Wissenschaftler. „Hier passiert nichts völlig Neues“, sagt Nicolai Sinai. Weil ihre Forschung Glaubensinhalte nicht berühre und weil sie etwa bei der Dokumentation der Lesartenlektüre auf die Expertise islamischer Kollegen angewiesen seien, gäbe es im Gegenteil sogar Anknüpfungspunkte zur klassischen islamischen Kommentarliteratur. Das bereits in Marokko, Beirut, Istanbul oder im Iran auf Konferenzen vorgestellte Vorhaben sei dort bisher wohlwollend bis neutral aufgenommen worden.

Bettina Mittelstraß

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 08.11.2007)

Re: Der Urtext des Koran [Re: Youssef Alami] #82073
09/11/07 03:40 AM
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Elvire Offline
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Süddeutschland
Guten Abend,

erste Ergebnisse sollen im Jahr 2009 im Netz zugänglich sein, das gesamte Unterfangen ist auf 18 Jahre ausgelegt.

@ Joussef
Neben dem von dir geposteten Artikel im "Tagesspiegel" hat u. a. auch "Frankfurter Rundschau" das Thema aufgegriffen und noch ausführlicher darüber berichtet.



Corpus Coranicum
Die Hochzeit der Philologie
In Potsdam wird intensiv an einem umfassenden Corpus Coranicum gearbeitet
VON ARNO WIDMANN

Am Ende der Antike steht der Traktat des Martianus Capella "Über die Hochzeit des Merkur mit der Philologie". Es handelt sich um einen Versuch einer systematischen Darstellung alles dessen, was man wissen, und der Methoden, wie man Wissen erlangen kann.
usw.

URL: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1238591






Corpus Coranicum – Textdokumentation und Kommentar zum Koran

Das Vorhaben "Corpus Coranicum" beinhaltet zwei weitgehend unbearbeitete Felder der Koranforschung: (1) die Dokumentation des Korantextes in seiner handschriftlichen und mündlichen Überlieferungsgestalt und (2) einen umfassenden Kommentar, der den Text im Rahmen seines historischen Entstehungskontextes auslegt. Da das Schriftsystem früher Koranmanuskripte zum Teil mehrdeutig ist (etwa durch das Fehlen von Vokalzeichen oder konsonantenunterscheidenden Diakritika), empfiehlt sich eine strikte Trennung zwischen handschriftlichem Befund einerseits und den mündlich überlieferten Lesungen des Textes andererseits. Die Textdokumentation soll deshalb beide Überlieferungswege dokumentieren und gegenüberstellen.
Der geplante Kommentar wird den Koran aus diachroner Perspektive in den Blick nehmen, als ein im Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren gewachsenes Textkorpus, das formale und inhaltliche Differenzen aufweist und in dem frühere Texte durch spätere Rückbezüge und Ergänzungen aus- und umgedeutet werden. Der Kommentar beruht darüberhinaus auf einer umfassenden Heranziehung jüdisch-christlicher Intertexte und betrachtet den Text des Korans als ein Dokument der spätantiken Welt. „Corpus Coranicum“ befindet sich derzeit in einer Sondierungs- und Aufbauphase; eine Internetveröffentlichung der ersten Ergebnisse ist für 2009 geplant.

entnommen aus: Berlin - Brandenburgische Akademie der Wissenschaften


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