LKA warnt vor Trick: Au-Pair-Mädchen plötzlich verschwunden
München - Die Freude war groß: Nach wochenlangen Recherchen im Internet hatte Familie G. aus dem Landkreis Ebersberg endlich ein Au-pair-Mädchen gefunden. Die 20-jährige Hanane E. aus Kenitra/Marokko. "Sie hat unseren Anforderungen total entsprochen", erzählt Ornella G. (36), berufstätig und Mutter von zwei kleinen Kindern. Auch ihr Mann Walter (37), technischer Leiter eines Büros, erinnert sich: "Es hatte alles gepasst." Nach regem E-Mail-Kontakt, in dem Hanane sich ausführlich vorgestellt und auch Fotos von sich geschickt hat, veranlasst Familie G. die notwendigen Formalitäten. Damit Hanane möglichst bald das Visum erhält, schreibt Familie G. einen offiziellen Einladungsbrief an die Deutsche Botschaft in Marokko.
Wenige Tage später lernen Ornella und Walter G. die Familie H. kennen, die ebenfalls mit zwei Kindern im Landkreis lebt und übers Internet ein Au-pair-Mädchen gesucht und gefunden hat: Karima (22) aus Marokko. Als sich die beiden Familien austauschen, werden sie stutzig: "Wir haben festgestellt, dass die letzte Mail, die von Hanane gekommen ist, identisch ist mit der, die Karima an die Familie H. geschickt hat", berichtet Ornella G.
Die gleichen Sätze, die gleichen Rechtschreibfehler: "Gerne möchte ich als Au-pair bei Ihnen, ich finde Sie sehr nett", "Als Kindergärtnerin habe ich Erste Hilfe Untericht gelmacht", "Ich bin Moslim, aber ich praktisiere nicht meine Religion". Gleich am nächsten Tag rufen Ornella G. und Andrea H. bei der Ausländerbehörde im Landratsamt Ebersberg an.
Sachgebietsleiter Augustinus Meusel bestätigt: "Bei Au-pair-Mädchen aus Marokko ist Vorsicht geboten. Es besteht die Gefahr, dass sich die Mädchen ein Visum erschleichen und dann, wenn sie in Deutschland sind, nach einiger Zeit spurlos verschwinden." Familie G. und Familie H., die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollen - "aus Angst vor möglichen muslimischen Terroristen, man weiß ja nicht, was dahinter steckt" - haben sofort den Kontakt zu Hanane und Karima abgebrochen.
"Ja, uns sind solche Fälle bekannt", bestätigt Roland Weiß vom Landeskriminalamt (LKA). Er ist Sachgebietsleiter für Schleusungskriminalität und Ausländerrecht. Weiß berichtet von Mädchen aus Marokko, die mit gültigem Visum als Au-pair einreisen und wenige Wochen später verschwinden. Der jüngste Fall geschah in Rheinland-Pfalz: "Das 22-jährige Mädchen war 14 Tage bei seiner Gastfamilie und dann plötzlich weg." Die Ermittler stellten fest, dass die junge Frau mehrmals heimlich vom Festnetz der Gastfamilie mit Marokko telefoniert hatte. "Unsere Dolmetscher haben bei den Nummern angerufen und ihnen wurde erzählt, dass das Mädchen jetzt in Frankfurt sei und es ihm gut gehe", berichtet Weiß. Das war das Letzte, was die Ermittler von der 22-Jährigen in Erfahrung bringen konnten.
Mädchen zahlen viel für Vermittlerdienste
Manche junge Frauen aus Marokko, die sich über Internet-Agenturen als Au-pair bewerben, zahlen viel Geld für die Vermittlerdienste, deren einziges Ziel es ist, ein Visum zu erhalten. "Es gibt Aussagen, dass die Mädchen bis zu 5000 Dollar an Agenturen zahlen", berichtet Roland Weiß vom LKA. Nachdem die Au-pair-Vermittlung erfolgreich war, die Gastfamilie den entsprechenden Antrag an die Deutsche Botschaft gestellt hat und dort das Visum ausgestellt worden ist, kommen die Mädchen zunächst zur Gastfamilie, um nach einigen Wochen zu verschwinden.
Wohin? "In vielen Fällen spricht einiges dafür, dass die jungen Frauen in Frankreich landen", sagt Weiß. Dort würden die meisten von ihnen im Rotlichtmilieu landen, denn: "Man muss davon ausgehen, dass die Frauen hoch verschuldet sind und schnell Geld verdienen müssen." Ob die jungen Frauen freiwillig oder unter Zwang untertauchen, das konnten die Ermittler bislang nicht feststellen.
Die Gastfamilie in Deutschland bleibt in solchen Fällen rat- und ahnungslos zurück und stellt Vermisstenanzeige bei der Polizei. "Als uns die Ausländerbehörde vor Au-pair-Mädchen aus Marokko gewarnt hat, hatten wir sofort Angst, dass wir als Gastfamilie zur Verantwortung gezogen werden, wenn ein Mädchen verschwindet", sagt Ornella G. Auch wollten sich die beiden Familien keinen weiteren Ungewissheiten aussetzen, wie etwa dem plötzlichen Besuch von Verwandten oder Bekannten aus Marokko, "die uns dann vielleicht bedrohen".
ARMIN RÖSL, Quelle:
hier