Freitag 21. Februar 2003, 08:02 Uhr
Rot-Grün empört über Merkels Kritik an Schröder in US-Blatt


Washington/Berlin (dpa) - Die Kritik von CDU-Chefin Angela Merkel am Anti-Kriegs-Kurs der Bundesregierung in einer US-Zeitung ist bei Rot-Grün auf Empörung gestoßen. SPD und Grüne warfen Merkel vor, die eigene Regierung im Ausland zu diffamieren und damit gegen demokratische Grundregeln zu verstoßen.

In einem Kommentar in der «Washington Post» unter dem Titel «Schröder spricht nicht für alle Deutschen» hatte Merkel dem Kanzler vorgehalten, einen Sonderweg beschritten zu haben. Damit habe er die «wichtigste Lehre der deutschen Politik» aus Wahlkampfmotiven beiseite gewischt. Die Partei- und Unions-Fraktionschefin reist kommende Woche in die USA und wird dort mit Vertretern der US- Regierung zusammentreffen.

SPD-Fraktionschef Franz Müntefering erklärte, Merkel bereite ihre USA-Reise «mit einer Diffamierung der eigenen Regierung und einem Bückling gegenüber der US-Administration vor». SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte, Merkel schade dem Ansehen Deutschlands und verstoße gegen die Grundregel, die eigene Regierung im Ausland «nicht madig zu machen».

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der «Märkischen Allgemeinen»: «Diese Anbiederei Frau Merkels ist nicht nur geschmacklos, sie fügt dem Ansehen Deutschlands auch schweren Schaden zu.» Die Politische Geschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, sagte, Merkel erkläre mit ihrer Aussage das Völkerrecht und das Grundgesetz für obsolet. Merkel hatte in ihrem Gastkommentar einen Krieg «als letztes Mittel» verteidigt.

Kritik an dem Beitrag wies die CDU-Chefin zurück. Der Artikel sei «wohl überlegt», sagte sie der Zeitung «Die Welt» (Freitag). CDU- Generalsekretär Laurenz Meyer meinte, SPD und Grüne könnten «offensichtlich die Wahrheit nicht vertragen». «Es wäre eigentlich Aufgabe der Regierung, das von Schröder mutwillig zerschlagene Porzellan zu kitten», erklärte Meyer.

Auch der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion Friedbert Pflüger nahm Merkel in Schutz. Münteferings Kritik, Merkel mache einen «Bückling» vor der US-Administration, bezeichnete Pflüger im «Kölner Stadt-Anzeiger» als «ungehörig». «Die Regierung Schröder wird das alte Vertrauen zu den Vereinigten Staaten nicht wiederherstellen können», meinte er.

CDU-Chefin Angela Merkel hat ihre in der US-Presse geäußerte Kritik am Irak-Kurs der Bundesregierung verteidigt. Der Beitrag in der "Washington Post" sei "wohl überlegt" gewesen, sagte sie der "Welt". Die Anmaßung liege nicht bei ihr, sondern bei Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der den Eindruck erweckt habe, mit seinem Irak-Kurs für ganz Deutschland zu sprechen. Mehrere CDU-Politiker nahmen Merkel für ihr Vorgehen, das SPD und Grüne als geschmacklos und liebedienerisch kritisiert hatten, in Schutz.

Die CDU-Vorsitzende reist am Sonntag nach Washington, wo sie Anfang nächster Woche unter anderem mit Vizepräsident Dick Cheney, der Nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice sowie Vize-Außenminister Richard Armitage zusammentrifft. Eine Serie solch hochrangiger Begegnungen ist für eine ausländische Oppositionspolitikerin ungewöhnlich. In der "Washington Post" warf sie dem Kanzler vor, aus ANZEIGE

wahlkampftaktischen Gründen einen Eckpfeiler der deutschen Außenpolitik zerstört zu haben, nämlich dass Deutschland keine Sonderwege einschlagen solle.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ermunterte Merkel, bei ihrem USA-Besuch vor Ort offene Kritik an Schröders Politik zu äußern. "Es ist von außerordentlicher Bedeutung für die nationalen Interessen Deutschlands, dass die Amerikaner spüren, nicht alle Deutschen sind der Meinung Gerhard Schröders", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Nur das werde die Bereitschaft vieler Amerikaner aufrecht erhalten, Deutschland auch künftig noch als wichtigen Partner zu betrachten. "Das ist ein Dienst an Deutschland", sagte Koch.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger, nahm Merkel ebenfalls in Schutz. "Es ist wichtig, dass wir uns nicht transatlantisch beschimpfen", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer erklärte am Donnerstagabend in Berlin: "SPD und Grüne können offensichtlich die Wahrheit nicht ertragen."


ar