Gefährliche Überfahrt in eine vermeintlich
bessere Welt
Tausende Flüchtlinge aus Afrika kommen in
Schlauchbooten nach Spanien - Küstenwache
überfordert
An der Küste Südspaniens wurden innerhalb von
drei Tagen rund 1000 Armutsflüchtlinge aus
Afrika aufgegriffen - so viele wie noch nie.
Während seiner abenteuerlichen Flucht übers
Mittelmeer nach Spanien wurde der Marokkaner
Karim gleich zweimal zur Kasse gebeten. Erst
knöpfte ihm die marokkanische Menschenmafia
umgerechnet rund 800 Euro ab - für die
lebensgefährliche Schlauchbootfahrt über die
Meerenge von Gibraltar.
Kaum angekommen an der spanischen Küste fiel
der 39-Jährige dann spanischen
Menschenhändlern in die Hände: Sie brachten
ihn in einem Lieferwagen zu einem
landwirtschaftlichen Betrieb im Hinterland und
forderten dafür noch einmal 1500 Euro. Als
Karim sich weigerte, setzten ihm die modernen
Sklavenhändler den Revolver an den Kopf - die
Polizei rettete wenig später den
marokkanischen Einwanderer vor der angedrohten
Hinrichtung.
Karim durfte in Spanien bleiben, weil er bei
der Zerschlagung der Menschenhändlerbande mit
der Polizei zusammenarbeitete. Die meisten
seiner Landsleute, die Spaniens Grenzer dieser
Tage gleich zu hunderten an den südlichen
Stränden auffischen, werden hingegen umgehend
in ihre Heimat zurückgeschickt.
Innerhalb von drei Tagen wurden rund 1000
afrikanische Armutsflüchtlinge an den
andalusischen und kanarischen Küsten
aufgegriffen. Spanien erlebt an seinen
Wassergrenzen gerade die größte
Flüchtlingsinvasion aller Zeiten - die
Grenzpolizei kann angesichts dieser
Menschenflut nur einen Bruchteil der Illegalen
stoppen. Die Zahl der im Jahr 2000
aufgegriffenen 15 000 Flüchtlinge könnte sich
dieses Jahr verdoppeln. Ganze Flotten von
kleinen motorisierten Schlauchbooten legen
derzeit von der marokkanischen Küste ab, um in
nächtlicher mehrstündiger Fahrt ihre
Menschenfracht an Spaniens Stränden abzuladen.
Die meisten kommen an der von Afrika aus
greifbar nahen Felsenküste Tarifas an, die
weniger als 15 Kilometer von Marokko entfernt
ist. Doch im Katz-und-Maus-Spiel mit der
spanischen Küstenwacht versuchen die
Boatpeople zunehmend, die Mittelmeerstrände
der Costa del Sol bei Marbella, Malaga und
Almeria zu erreichen. Auch an den
Atlantikstränden von Cadiz und den Kanarischen
Inseln werden immer mehr Illegale angetrieben.
Die Aufnahme- und Abschiebezentren des Landes
sind völlig überfüllt. Die meisten Boatpeople
kommen aus Marokko, wo es der junge König
Mohammed VI. auch zwei Jahre nach seinem
Amtsantritt nicht schaffte, das
nordafrikanische Land aus seinem
wirtschaftlichen und politischen Stillstand zu
manövrieren.
Die Massenflucht seiner Landsleute komme
Marokkos König nicht ungelegen, schreibt die
dortige Presse. Die gigantische
Auswanderungsbewegung der Unzufriedenen diene
dem Land als soziales Ventil, vermindere die
Gefahr des Aufruhrs und sei ganz nebenbei eine
einträgliche Devisenquelle für das arme
Königreich. Im eigenen Land wird Marokkos
König beschuldigt, seine Sicherheitskräfte
mischten beim Menschenschmuggel mit.
Mohammed VI. schiebt die Verantwortung
hingegen auf die EU: Bereits vor Jahren habe
Marokko mit der EU eine bessere Überwachung
der Küsten vereinbart, die von europäischer
Finanzhilfe begleitet werden sollte. Wir
machten, was wir machen sollten, aber wir
sahen bis heute nichts von den Versprechen
Europas.
Ein Bericht von
WAZ-Korrespondent
Ralph Schulze
Quelle:
http://www.waz.de/free/waz.archiv.set-000.html