deutsche leiDkultur
#38994
30/10/00 05:56 PM
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ist das kein thema für dieses forum?
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Re: deutsche leiDkultur
#38996
30/10/00 08:57 PM
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Aziz, ich will mal nicht so sein und das Thema versuchen anzuschieben! Wann schickst Du die Literaturliste? Wann erscheinst Du im KREATIVHAUS? Oder schickst Du wieder Späher vor? LACH DOCH MAL!!! Gruss: Peter.
'Berliner Ztg:' Datum: 22.06.1998 Ressort: Feuilleton Autor: Jörg Schönbohm
Die letzte Utopie der Linken wird auch scheitern Die multikulturelle Utopie Fortsetzung von Seite 9
-----Mit der Aufgabe der Leitkultur, auf deren Entwicklungen und historischen Erfahrungen unsere heutige Verfassung beruht, würde notwendig eine Relativierung der Wertbestände verbunden sein. Eine "multikulturelle Gesellschaft" würde eine Werte-Beliebigkeit mit ungeahnten Risiken nach sich ziehen. Die deutsche Linke suggeriert, daß eine großzügige Zuwanderung von Ausländern ohne eine massive politische Veränderung unseres Gemeinwesens denkbar wäre. Ein ungezügelter Migrationszustrom führt zur Nichtintegration und der Entwicklung von Parallelgesellschaften: Die verbindenden Wertbestände lösten sich auf und verlagerten sich an den Rand der Gesellschaft. Es ist naiv und politisch fahrlässig, sich eine "multikulturelle Gesellschaft" ohne die Gefahr tiefgreifender Verwerfungen zu denken.
Das Vorhandensein eines Konsenses über die Leitkultur ist eine Voraussetzung für den inneren Frieden in Deutschland; dies besonders vor dem Hintergrund der auf Europa und besonders Deutschland lastenden Migrationswanderungen. Dabei gilt es auch zu bedenken, daß mit der Entstehung der politischen Union in Europa für alle Mitgliedsstaaten verbindlich geltende Regelungen im Bereich des Ausländerrechts geschaffen werden sollten. Ein deutscher Sonderweg wie immer wieder gefordert wäre die falsche Antwort auf die europäische Einigung.
Es gibt eine kritische Größe der Zuwanderung, deren Grenze schwankt, weil sie von sozialen und wirtschaftlichen Umständen abhängt. Dies zeigt sich gerade in Metropolen wie Berlin, in denen ein unkontrollierter Zuzug von Ausländern, zumal wenn Sprachkenntnisse fehlen, zu Ghettobildungen führen. Eine erfolgreiche Integrationspolitik ist daher ohne den Einsatz von verfassungsrechtlich und gesetzlich legitimierten Steuerungselementen nicht denkbar.
Der Weg der Verantwortung kann nur heißen: kulturelle Vielfalt auf der Basis des Grundgesetzes, das heißt Kulturpluralismus statt Multikulturalismus, Wertbestimmtheit statt Wertrelativismus. Kultureller Pluralismus beinhaltet die Chance der offenen Gesellschaft, die Freisetzung aller unterschiedlichen kulturellen Kräfte kreativ auf das Gemeinwohl bezogen zu nutzen. Dies gelingt dann, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen, trotz aller legitimen Differenzen und Konflikte, ein gemeinsam tragendes politisches Ethos ausgebildet haben. Die Internationalität der deutschen Hauptstadt muß auf diesem Fundament ruhen.
Weder die Assimilierung ausländischer Mitbürger noch die Förderung von Parallelgesellschaften innerhalb der deutschen Kultur können das Ziel sein, sondern einzig Integration in unsere politische Kultur. Keine funktionierende Gesellschaft, auch nicht die deutsche, kommt dabei ohne die prägende Kraft seiner Leitkultur aus.
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Re: deutsche leiDkultur
#38997
30/10/00 09:07 PM
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P.S. Nur noch 1 Satz von mir: Ich habe mich über den Autor, der jetzt in Brdbg. ist, schon seinerzeit, als er noch in Berlin war, bis 'zum Herzschlag' aufgeregt! Peter.
Will aber die Disk. um Himmels Willen nicht beeinflussen!
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Re: deutsche leiDkultur
#39002
31/10/00 01:07 AM
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Hi 'Funkenmariechen',
wenn Du MIR das mal wünschen würdest, wie Du's für Rainer (Beamter!) tust!
Warst Du denn nun endlich in der Ausstellung??? Wenn ja: erzähl' sofort! Bitte!
Fang' doch endlich an mit Deiner 'heimlichen Liebe' Aziz zu diskutieren! Mehr als den 'Knochen' hinzuwerfen kann ich doch wahrlich nicht tun!
LACHST DU jetzt wieder??????
Dein 'Klassenkamerad': Der 'SCHWARZE PETER', der jetzt endlich zur 'Halloween-VOR-Party' geht.
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Re: deutsche leiDkultur
#39005
31/10/00 11:08 AM
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ich meine das bayerische wahlprodukt, von beckstein konzepiert und von den jungen wilden, öffentlichkeitswirksam gemacht: die deutsche Leitkultur, die ich in der form wie sie jetzt politisch verkauft wird,als LEIDKULTUR betrachte.wann hat es jemals in der geschichte dieses landes eine deutsche leitkultur gegeben? ist mit dem begriff ausschliesslich die kultur der Etablierten in diesem lande gemeint? was macht man da mit der deutschen streitkutur? aziz
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Re: deutsche leiDkultur
#39009
31/10/00 02:18 PM
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Hallao MARIE, ich will nicht gross stören, geb’ aber dafür als Entschädigung unten noch was ein: - hast Du gar keinen Humor??? - Ausstellung: In Münster; näheres vgl. ‘laudatio’ an Dich beim ‘Funkenmar.’ im Kreativhaus; Berliner Presse hat mittelgross berichtet - ‘geschafft’, ‘Glückwunsch’, ‘Neid’: wenn Du freischaff. Planungsbüros u. andere Verpfltg. hast, hast Du eigentl. ‘nen ‘24-Std. Arbeitstag’! und manchmal ‘garnix’ Sichtbares geschafft! Dazu beglückwünschen??? Allerdings kannst Du Dir den Tag freier in der Zeit etc. strukturieren. Oder Neid auf Beamte? Ich bin KEIN Beamter. Mit Guenter: das war doch ein ‘Klasse’-Dialog!? So long, Peter (Dein schlampiger Klassenkamerad). P.S. Sieh’, Aziz steht schon direkt hinter Dir! Hat schon ‘Sorgenfalten’ auf der Stirn!
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Re: deutsche leiDkultur
#39010
31/10/00 02:21 PM
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Datum: 10.07.1998 (Berliner Zeitung) Ressort: Politik Autor: Gustav Seibt Die CSU verkennt Bayerns Leitkultur
Bayern hat kein Ausländerproblem. In München haben sich 23 Prozent nichtdeutsche Bürger der bayerischen Leitkultur ausgezeichnet angepaßt, bis hin zum Gebrauch der süddeutschen Mundart und dem starken Bierverzehr. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es dort eine vieltausendköpfige italienische Kolonie, deren Kontinuität nie unterbrochen war, die in den bayerischen Hofadel vordrang und seit den fünfziger Jahren durch regen Zuzug aus Süditalien vermehrt wird. Jugoslawen und Türken leben unbehelligt in bayerischen Groß- und Kleinstädten, durchaus nicht ghettoisiert, sondern über alle Viertel verteilt. In der Nachkriegszeit hat Bayern klag- und reibungslos mehrere Millionen sudetendeutscher Vertriebener integriert; sie bilden den fünften "Stamm" des Landes, neben Altbayern, Oberpfälzern, Schwaben und Franken. Vor allem aber gibt es für Ausländer in Bayern kein Sicherheitsproblem. Anders als in Brandenburg gilt der Rechtsstaat und mit ihm Schutz von Leib und Leben. Skins gibt es im Unterschied zum deutschen Norden kaum, von Ausschreitungen und Schlägereien ist seit Jahren nichts zu hören gewesen. Die ausgezeichnete und ehrpusselig auf ihre Unabhängigkeit achtende bayerische Justiz rigoroser ausgebildet als in jedem anderen Bundesland würde andernfalls mit verläßlicher Strenge durchgreifen. Vor diesem Hintergrund wirkt die Entscheidung der CSU, Ausländerfragen in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs zu stellen, zynisch und widerwärtig. Hier wird mit einem absichtsvoll aufgebauschten Angstthema der grelle Effekt gesucht. Das zeigt, wie sehr der CSU der Erfolg der DVU in Sachsen-Anhalt in die Knochen gefahren ist. Seit Monaten läßt die bayerische Regierungspartei keine Gelegenheit aus, um dem rechten Rand zu schmeicheln. Da wird gegen die Tschechische Republik geschossen; da wird der jugendliche türkische Serienkriminelle "Mehmet" mit Aplomb ausgewiesen, da werden Schönbohms Forderungen nach Deutschunterricht für integrationswillige Ausländer aufgegriffen, und es werden mit Hinweisen auf die Arbeitslosigkeit und eine kaum noch spürbare Wohnungsnot Fristen für die Osterweiterung der Europäischen Union verlangt. Die CSU sieht sich, daran kann kein Zweifel bestehen, vor einer Schicksalswahl. Sie muß ihre bayerische Vorrangstellung aller Wahrscheinlichkeit nach auch gegen starke Einbußen der christdemokratischen Bundespartei behaupten. Wie defätistisch die Lage offenbar auch in der CSU gesehen wird, hat jüngst der unglückselige Generalsekretär Protzner ausgeplaudert, als er von der Möglichkeit der Tolerierung einer SPD-Minderheitsregierung im Bund sprach. In der Tat hätte die CSU von einer Großen Koalition und einem weiteren Verschwimmen der Grenzen zwischen den Volksparteien mehr zu befürchten als die CDU. Sie würde an Kontur verlieren, vor allem wäre sie nicht mehr unentbehrlich. Ihre bayerischen Wähler würden so auch das Gefühl verlieren, daß diese Partei die Sonderinteressen des ganzen Freistaats beim Bund vertritt. Warum nicht in dieser Lage einmal für eine andere Partei stimmen? Daher versucht die CSU krampfhaft, ihre Eigenständigkeit zu beweisen. Sie hat sich auf ein Wahlergebnis über 50 Prozent festgelegt. Die CSU, die das Leben in Bayern bis in feine Verästelungen beherrscht, übrigens effizient und wirtschaftlich erfolgreich regiert, glaubt sich der breiten konservativen Mitte sicher. Die wenigen Prozente, um die sie für ihr Wahlziel bangen muß, sieht sie auf der Rechten. Darauf stellt sie sich ein, und sie nimmt dafür eine Verletzung des bayerischen Rufs im übrigen Deutschland in Kauf. Ob die CSU richtig rechnet, ist weniger sicher, als es von außen scheinen mag. Die bayerischen Gastwirte haben sich bereits darüber beschwert, daß die Abschiebepolitik des protestantischen Innenministers ihnen unentbehrliche, durch Deutsche nicht zu ersetzende Arbeitskräfte raube. Die Grünen treffen mit ihrem Plakat "Beckstein würde auch Jesus abschieben" einen Nerv der katholischen Bevölkerung, die erzkonservativ, aber nicht deutschnational denkt. Die CSU hat in diesem Jahr besonders wenige Frauen zur Wahl aufgestellt. Vielleicht muß sie sich bald von einer Frau, der bayerischen SPD-Vorsitzenden Schmidt, tolerieren lassen.
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Re: deutsche leiDkultur
#39012
31/10/00 06:41 PM
31/10/00 06:41 PM
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weil es inzwischen mode ist, eigene meinung nicht zu sagen und sich hinter zeitungsartikeln zu stecken, hier ist ein anderer artikel. Goethes Tiegel
"Deutsche Leitkultur": Zum Phänomen einer Subkultur: Von Christian Thomas
Man muss mit einem Male an den trefflichen Hermann und die tapfere Dorothea denken. Ein wenig Goethe-Gedenkarbeit leistet immer Gutes. Es geht um unseren Klassikerprimus, eine Leitfigur der CDU immer schon, auch zuletzt, in ihrem jüngsten Kulturkampf. Man muss nur ein wenig Goethes Hermann und Dorothea studieren, um zu ahnen, dass Friedrich Merz, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, kein großer Goethe-Leser ist. Ist der CDU-Hoffnungsträger kein Kenner des Klassikers Der Mann, mit seiner ganzen Vorbildfunktion,kein Bildungsbürger?
In der von dem Manager Merz ausgelösten Debatte über die "deutsche Leitkultur" ist der Begriff der Kultur bereits nicht mehr wiederzuerkennen. Untergepflügt durch aggressive Ahnungslosigkeit, verschüttet durch mangelnde Bildung, verscharrt durch schlichte Demagogie? Wie auch immer: In der Debatte um die "Leitkultur" hat die Vorstellung, die die Republik von der Kultur hat, bereits Schaden genommen.
Das Hegemoniestreben der CDU auf dem Feld der politischen Semantik und nationalen Ehre ist rücksichtslos. Daher erinnere man sich: Kultur - das ist von allem Anfang an, zum Beispiel noch vor Gründung der CDU oder auch noch bevor der Gedanke an den Untergang des Abendlandes erstmals aufkam, die Bleibe des Nicht-Normativen, die Heimat des Heterogenen, die Garantie anerkannter Mannigfaltigkeit. Das Asyl, das die Kultur bietet, ist die gewöhnliche Vielfalt und, über alle bornierten Bestrebungen einer aggressiven Subkultur hinaus, vielleicht sogar die kunstvolle Vielheit.
Goethes Sound
Kultur, so wiederum die Light-Version der zur Zeit sehr aufgeregten Debatte, ist das tolerierte Nebeneinander von Bratwurststand und Kebabbude. Aber um vielleicht ein wiederholtes Mal an Goethe zu erinnern, auf den sich zur Zeit die Innendekorateure einer "deutschen Kultur" so viel einbilden: Goethes Epos Hermann und Dorothea, vor 200 Jahren entstanden, seitdem Kanon, wurde vom deutsche Bildungsbürger wie nur wenige Werke sonst im Bücherschrank aufbewahrt, wodurch immerhin der Geschichte der Konfrontation der bodenständigen Bürger mit den Heimatlosen, dem "traurigen Zug der armen Vertriebnen", ein Aufenthaltsrecht gewährt wurde. Hochaktuell war das Thema. Las sich so: blühendes deutsches Städtchen - aber schwer gefährdet.Zuwandererprobleme. Ausländerintegration.
Der brave oder selbstgefällige Diskurs hat Hermann und Dorothea als Einpassung in die Idylle gelesen, einen brisanten Stoff, in dem es neben den hartherzigen Protagonisten einer deutschen Mentalität vor Fremden wimmelte, in der die berühmten deutschen Interessen von der heillosen Zumutung der Französischen Revolution erschüttert wurden. Am Ende wurde im "epischen Tiegel" (Goethe) seines Werks alles harmonisiert, wurde der politische Status quo beschworen, bürgerliche Selbstzufriedenheit gefeiert, ein geordnetes kleines Leben besungen - was niemals dermaßen betörend für den deutschen Bildungsbürger geklungen hätte, wenn Goethe, eine der beiden Leitfiguren der Weimarer Klassik längst, nichtdem heißen Wunsch nach Idylle ein besonderes Fundament unterlegt hätte. Wichtig war - neudeutsch - Goethes Sound. Goethe coverte das Versmaß eines Ausländers. Das Metrum eines Griechen. Zum Leidwesen der CDU wird man feststellen müssen: Dieseso urdeutsche Epos beruht auf den Hexametern Homers.
Deutsche Leitkultur? Angesichts der politischen Botschaft des Epos - sie ist dürftig - wird Friedrich Merz natürlich ein tiefes Behagen empfinden; die kulturellen Dimensionen begreifend, denn sie sind ungeheuer vielfältig, müsste ihm schwindelig werden. So überhaupt müsste ihm zumute sein angesichts des Werks von Goethe, diesem "Tiegel" der Weltkulturen, einem Schmelztiegel des Multikulturellen - vielleicht darf man so sagen: einem Melting-pot avant la lettre.
Goethes Tiegel umstehend kann man lernen, dass der Begriff der "deutschen Leitkultur" eine Fiktion darstellt. Bisher wusste man: Der deutsche Bildungsbürger hatte einen Kanon im Kopf. Seit kurzem lernt man dazu: Die neue Managergeneration zumal in der CDU denkt in Normen. Der Fundamentalismus der CDU liest seine eigene Fiktion nicht kulturell, sondern vulgär - letztendlich ökonomisch, im Sinne von Leitwährung.
Nun also am deutschen DIN-Wesen soll die Kultur genesen. Mit der Fiktion wird erneut ein Phantom beschworen, einmal mehr der Begriff von der deutschen Identität heimgeholt. Eingemeindet werden nicht zuletzt solche der Vokabel Leitkultur sinn- und sachverwandten Begriffe wie "Überfremdung" oder "durchrasste Gesellschaft". Die Vorstellung richtet ihre Anstrengungen auf die Kontrolle homogener Verhältnisse. Hinter dieser Kontrollinstanz steht bereits parat der Gedanke an die "deutsche Schicksalsgemeinschaft". Denn hinter der Fiktion steht eine Strategie, die die nächste Eskalationsstufe bereits im Blick hat: nicht nur den Wahlkampf, sondern den verschärften Begriff.
Wie auch immer die Vokabel in nächster Zukunft lauten mag: Sie ist auch ein Kampfbegriff im parteipolitischen Handgemenge, der gegen die Sozialdemokratie aufgebaut wird, seitdem diese in den 90-er Jahren, von der Union dabei weitgehend unbehelligt, den Begriff der Nation hin- und hergewendet hat. Der Begriff der Leitkultur ist die Light-Variante zu dem etwas verstaubten Begriff der Nation. Beide aktivieren einen Thesaurus des patriotischen Selbstverwirklichungsmilieus, ein Juste Milieu der Selbstfindung, im Kleinen wie im Großen. Noch einmal ein wenig "Nationalidylle" spielen, wie einst bei Hermann und Dorothea. Dabei ist der Begriff insofern eine geschickte Erfindung, weil ihm das schrille Beschwörungstremolo von Vokabeln wie "deutschnationale Gesinnung" oder "geistig-moralische Wende" abgeht. Das war mal. Das kommt so nie wieder.
Ehemaliges Erweckungspathos des Bildungsbürgers ist abgelöst worden durch die kalte Funktionalität einer Managergeneration. Zur Dämonisierung taugt die Fiktion gleichwohl. Mit ihr wird die Kultur zu einer mythischen Gestalt, erhoben in den Rang einer ewigen Norm. Die Eigentlichkeit "deutscher Leitkultur" als neuer Souverän, umspielt von Unheils-Pathos und apokalyptischen Abendlandvisionen - all die Standards aus dem Geisterreich der konservativen Kulturkritik hat die CDU/CSU, haben Merz und zuletzt Goppel, Koch und Stoiber aktualisiert.
Das Update, von solchen Techniken konnten CDU/CSU dann doch nicht absehen, hat funktioniert. Und der Begriff wird den deutschen Bürger, nicht nur den Vertreter des Stammtischs, unter gewaltigen Druck setzen. Er ist ein Stressfaktor, der, unter zivilisatorischen Aspekten, enorme Ansprüche erhebt. Wenn der Begriff zündet, initiiert er eine Debatte, in der die Gesellschaft wieder zurücktritt gegenüber dem Volk. Und die Republik gegenüber dem Vaterland, auf dass der gefühlige Konsens und der aggressive Dünkel gegenüber dem Anderen wieder die politische Kultur in Deutschland dominiere.
Der Begriff der "deutschen Leitkultur", darin ist er mit dem der deutschen Nation vollkommen symmetrisch, soll geradezu naturhaft erscheinen. Eine empirische Begründung wird man der Vorstellung ebensowenig verleihen können wie übrigens - siehe Kant, tatsächlich ein Leitbild - eine ästhetische. Der Phantombegriff erhebt die - fiktive - deutsche Identität, das - so berüchtigte - deutsche Wesen in den Rang einer sozialen Sicherheitsgarantie. Mit ihm sollen Verlust-Ängste kompensiert werden. Und Kompensation war immer schon tatsächlich ein Phänomen in der deutschen Kulturgeschichte.
In der Subkultur
Wie unsicher muss eigentlich ein tv-augenscheinlich so selbstsicherer Mensch wie Merz sein, um diesen ungeheuren Bedarf an Selbstfindung zu haben. Und wie instabil, ja labil muss die CDU/CSU sein, um ein solches Selbstverteidigungsprogramm gleich einer ganzen Republik zuzumuten? Aber was folgt daraus? Man sollte den Schwesterparteien, auf ihrem Selbsterfahrungstrip zur "deutschen Leitkultur", einen Therapiekurs in irgendeinem Kreativhaus schenken. Vielleicht dort wird die Partei eine Erfahrung machen, die zum eisernen Bestand einer jeden Subkultur gehört: Diese ist, wenn es um die Versorgung des eigenen Milieus geht, von einem beträchtlichem, ja aggressiven Abgrenzungsbedürfnis.
Aus dem Mafia-Epos wissen wir: In der sizilianischen Subkultur New Yorks richtet sich die erste Energie auf die Beschaffung von Wohnungen. Aus dem englischen Film wissen wir: Für die Westindis unter den Londoner Brokern beginnt die Begünstigung der eigenen Leute bei der Kapitalbeschaffung. Aus Deutschland, so hören wir jetzt aus den Zentralen von CDU und CSU, richtet sich das Selbstversorgungssystem auf die Beschaffung von Wählerstimmen.
Gar in Hermann und Dorothea lesen wir: Die Subkultur ist von einem beträchtlichen Fundamentalismus. Auch die CDU/CSU ist eine Subkultur. Die Partei hat sich das zwar noch nicht eingestanden, aber in ihrer aggressiven Selbstbehauptungsstrategie der Republik kund getan.
Frankfurter Rundschau 2000 Erscheinungsdatum 31.10.2000
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Re: deutsche leiDkultur
#39013
31/10/00 11:23 PM
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