Der Marokkanische Verein für die Tamazight-Kultur und Soziales ist ein eingetragener Verein zur Pflege und Förderung der berberischen Sprache und Kultur des Rif. Der Verein besteht seit ca. 7 Jahren. Er ist der einzige Kulturverein in Deutschland, der gezielt Berber aus dem Rif anspricht. Hingegen haben die in Deutschland lebenden Masiren aus Algerien ein halbes Dutzend Tamazight-Vereine gegründet, obwohl sie den marokkanischen Masiren zahlenmäßig weit unterlegen sind.
Das Rif ist ein Gebiet, das sich entlang der marokkanischen Nordküste erstreckt. Seine Bewohner sind überwiegend Berber, die Ureinwohner Nordafrikas . Die Sprache der Berber ist das ”Tamazight” (gesprochen: /Thamasirt/). Die Berber selbst nennen sich ”Imazighen” (/Imasiren/). Auch wir wollen fortan die Selbstbezeichnung der Berber benutzen. Der Berber ist der ”Masire” und die Berberin die ”Masirin”. Den Namen ”Berber” lehnen wir wegen seines abfälligen Beiklangs ab und hoffen, daß sich die uns genehmere Bezeichnung irgendwann in der deutschen Hochsprache durchsetzt (zur Entstehung dieses Begriffs vgl. M. Tilmatine: ”Zum Wortpaar »Berber« - »Amazigh«: ein Beitrag zur terminologischen Vereinheitlichung und Klärung eines nicht lexikalisierten Terminus”, in: Muttersprache 1/95, S. 18-23).
Die Rif-Masiren sind ein Volk mit einer ausgeprägten Migranten-Tradition. Zigtausende sind im Zuge der Gastarbeiteranwerbung in das westeuropäische Ausland gezogen. Allein in Deutschland leben heute annähernd 80.000 Marokkaner rifischer Abstammung, zum Teil bereits in der dritten Generation.
Ursprung und Antrieb der Vereinsarbeit ist das Erwachen einer Bewegung, welche die Wiederbelebung und Erneuerung der masirischen Kultur zum Ziel hat. Die Bewegung trifft jedoch gerade unter Masiren häufig auf massive Ablehnung.
Weil viele Masiren unsere Bemühungen als Rückfall in vorislamische Zeiten ansehen, glauben sie, daß die Bewegung religionsfeindliche Absichten bergen müsse.
Andere wiederum schämen sich ihrer Abstammung und wollen ihr Masirischsein verleugnen. Sie sind der Auffassung, daß das Masirentum primitiv und letztendlich zum Untergang verurteilt sei.
Eine weitere Gruppe schließlich glaubt, daß masirisches Engagement von vornherein gegen die Integrität des Königreiches Marokko gerichtet sein müsse. Weil sie staatliche Verfolgung befürchten, ziehen sie sich in die innere Immigration zurück.
Der Marokkanische Verein für die Tamazight-Kultur und Soziales e. V. will mit den falschen Vorstellungen aufräumen und endlich für einen unverstellten Blick auf das Masirentum sorgen.
Es sei klargestellt: Das bloße ethnische Bekenntnis ist nicht zwangsläufig islamfeindlich . Die göttliche Offenbarung, der heilige Qur’an, auf den der Islam aufbaut, enthält eindeutige Aussagen, wonach die Erhaltung der angestammten Sprache und Kultur sogar angemahnt wird. So heißt es in der Sure Al-Rum, Vers 23: ”Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen, ... eines seiner Wunderzeichen ist die Schöpfung des Himmels und der Erde und die Verschiedenheit eurer Sprachen und Farben; wahrlich, dies ist ein Zeichen für die ganze Welt.”
Die Kultur der Masiren ist auch nicht primitiv. Ihr unglaublicher Reichtum und ihre historischen Leistungen werden nur nicht angemessen gewürdigt oder sind schlicht in Vergessenheit geraten. Die Geringschätzung des Masirentums gründet sich folglich auf bloße Unwissenheit.
Im übrigen unterstützt der marokkanische Staat mittlerweile die masirische Kulturbewegung. Seine Majestät König Hassan II. persönlich hat sogar die baldige Unterrichtung des Tamazight an den Schulen angekündigt. Die Vorstellung von staatlicher Mißbilligung ist also unbegründet (vgl. Le Monde (franz. Zeitung) v. 24. und 26.08.1994 und Al-Alam (marokk. Zeitung) v. 22.08.1994).
Die Grundsätze unserer Arbeit sind:
Der Verein beschränkt sich auf reine Kulturarbeit. Er hat nicht im geringsten politische Ambitionen. Deshalb sind Personen unerwünscht, die den Verein als Plattform für politische Agitation mißbrauchen.
Der Verein bekennt sich zum Islam. Wer den Verein benutzt, um gotteslästerliche Bemerkungen zu verbreiten oder den Islam schlechthin zu diffamieren, ist unerwünscht. In der Satzung ist verankert, daß dem Islam ein besonderer Schutz gebührt.
Der Verein vertritt die Ansicht, daß das Masirentum einen beträchtlichen Anteil an der gesamtmarokkanischen Kulturlandschaft, Bevölkerungsstruktur und Geschichte darstellt. Wir müssen uns deswegen als Masiren und als Marokkaner gleichermaßen ansehen.
Natürlich stimmt weiterhin traurig, daß die Masiren sich oft fremder Sprachen bedienen, wenn sie sich schriftlich äußern. Wenn wir die Masiren jedoch nicht endlich dazu übergehen, ihre Sprache zu verschriften und ihren Wortschatz zu modernisieren, wird sie früher oder später endgültig einer offiziellen Sprache geopfert werden.
Zwar existieren in Marokko und Algerien zahlreiche Kulturvereine mit regen Aktivitäten; nichtsdestotrotz ist das unverfälschte Masirentum, das mit seiner Sprache steht und fällt, auf dem Rückzug, denn Masirisch gilt in diesen Ländern noch immer nicht als Amtssprache. Angesichts der Verbreitung des Masirischen von fast 50% in Marokko und immerhin 30% in Algerien (offizielle Angaben) wird dies den elementaren kulturellen Bedürfnisse einer breiten Bevölkerungsschicht nicht gerecht.
Dieser Mißstand macht die Aktivisten der Tamazight-Bewegung betroffen und dennoch betonen wir mit Nachdruck, daß wir mit unseren arabischsprachigen Landsleuten friedlich und gleichberechtigt zusammenleben wollen. Gleichzeitig wollen wir sie daran erinnern, daß sie wir nicht nur eine gemeinsame Religion haben, sondern auch - und das wird leider oft vergessen - eine gemeinsame Abstammung.
Fakt ist nämlich: Die allermeisten Menschen in Nordafrika, die sich gerne als Araber definieren, sind in Wirklichkeit Masiren . Eine solche Aussage muß den arabischsprachigen Nordafrikaner stutzig machen.
Die Ausbreitung der arabischen Sprache täuscht aber über das wirkliche Verhältnis der Masiren und Araber hinweg. Der Blutanteil der Araber an der Gesamtbevölkerung ist verschwindend gering. Während zahlreiche moderne Autoren der Auffassung sind, daß insgesamt nicht mehr als 200.000 Araber nach Nordafrika gekommen seien, erreichen andere Schätzungen, die sicherlich übertrieben sind, zwei Millionen. Diese Schätzung hat ihren Ursprung in der Meinung, daß alle Stämme, die sich selbst von einem arabischen Vorfahren herleiten, auch arabischen Ursprungs seien, wie z. B. die Ulad Settut in der östlichen Rif-Region. Tatsächlich aber ist Nordafrika das Land der falschen Stammbäume. Demnach ist das Gebiet, das sprachlich arabisch geworden ist, nicht unbedingt auch von Arabern bewohnt.
"Echte" Araber sitzen allenfalls in der Westwüste Ägyptens und in Libyen; das geht aus ihren somatischen Merkmalen, ihren Sitten und Gebräuchen sowie ihrer Sprache hervor. In Ägypten und Libyen werden arabische Dialekte gesprochen, deren neuarabisches Lautsystem intakt ist. In Tunesien, Algerien und Marokko herrscht dagegen das Maghrebinisch-Arabische vor, dessen masirisches Substrat in der Laut- und Wortbildung, im Wortschatz und Satzbau deutlich hervortritt.
Die Grenze zwischen dem wirklichen Arabisch, das heißt das von Arabern gesprochen wird, und dem "Tamazight mit arabischen Wörtern" fällt ungefähr mit der libysch-tunesischen Grenze zusammen. Östlich davon gibt es eine arabische Bevölkerung, im Westen indes ist die Bevölkerung masirisch, und ihrer Sprache kann es auf Schritt und Tritt angemerkt werden, daß sie aus dem Tamazight "übersetzt".
In Marokko ist bei der arabisch sprechenden Bevölkerung der masirische Einfluß besonders deutlich. So gelten masirische Nomina mit dem Artikel auch im Arabischen als determiniert; ein Wort wie atay kann daher nicht den arabischen Artikel annehmen, also nicht "el" atay, da es schon an sich "der Tee" bedeutet. Wortbildungen wie tanejjart "Tischlerei" oder tabennayt "Maurerei" folgen einem masirischen Muster. In manchen Gebieten wird der masirische Genitivpartikel n "von" verwendet. Das Verbum bildet die masirische Dauerform, z. B.: qa imced "er hat sich gekämmt" bzw. "er ist gekämmt" gegenüber qa imecced "er kämmt sich andauernd" bzw. "er kämmt sich gerade".
Die arabischsprachigen Nordafrikaner als "Araber" zu bezeichnen ist also schlichtweg falsch. Wir müssen die Arabophonen darüber aufklären, daß sie die Kinder und Enkel von Masiren sind, im Grunde also selbst Masiren sind, die lediglich ihre Sprache vergessen haben. Auf diese Weise können die Tamazightsprachigen die Arabophonen für die Akzeptanz ihrer Eigenarten gewinnen.
Der MVTKS e. V. will nunmehr das Masirentum der Gegenwart reflektieren, gleichzeitig seine uralten Wurzeln freilegen und ihnen reichlich Pflege angedeihen lassen. Wir wollen uns am hehren Klang unserer Sprache erfreuen und uns an der erhabenen Schönheit der rifischen Berge ergötzen; wir wollen den Legenden und Erzählungen unserer Ahnen lauschen und nach ihren Liedern fröhlich tanzen.
Angesichts der bestürzenden Ahnungslosigkeit über das Masirentum unter den Masiren selbst ist der Aufklärungsbedarf immens. Der Marokkanische Verein für die Tamazight-Kultur und Soziales e. V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, die dringliche Aufklärungsarbeit zu leisten.
Dabei hoffen wir, bei Ihnen auf reges Interesse zu stoßen, und wünschen uns eine fruchtbare Zusammenarbeit.
http://www.mvtks.de