aus dem heutigen Weser-Kurier:


"Weinfest" in Marokko unerwünscht

MEKNES. Die Tische sind mit Weintrauben dekoriert, auf den Weinfässern brennen Kerzen, und die Musik spielt: Es ist Weinfest im marokkanischen Meknes. Doch "Weinfest" darf sich die Veranstaltung in der Stadt am Fuße des Atlasgebirges nicht nennen. Denn Meknes ist nicht nur das Zentrum der Weinproduktion in dem nordafrikanischen Land, sondern auch eine Hochburg von Islamisten. Der Bürgermeister und sein Vize sind strenge Moslems - und denen ist Alkohol ein Graus. Das Weinfest findet trotzdem als "Festival der Rebstöcke" statt."Vorsicht, das ist ein Fest der Weinstöcke und nicht des Weines!", warnte Mehdi Bouchaara, der stellvertretende Chef der größten marokkanischen Weinfirma vor der Veranstaltung. "Die größte Verwunderung und die meiste Kritik hat hervorgerufen, dass sie das Fest auf einen Freitag gelegt haben, den heiligen Tag der Moslems", schimpfte die Lokalzeitung "Attajdid". "Und die Tourismusbehörde begnügt sich nicht damit, eine Industrie zu unterstützen, die im Islam kategorisch verboten ist, sie organisiert sogar noch die Werbekampagne dafür."Bürgermeister Boubker Belkoura stellt klar: "Dieses Fest findet gegen den Willen meiner Partei statt." Er gehört der islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung an, die seit der jüngsten Parlamentswahl die zweitstärkste Kraft ist. Dennoch tolerierte er die lukrative Veranstaltung. Auch der Chef des Fremdenverkehrsamtes der Region, Mustapha Meskini, bedauert, dass das Weinfest "am Tag des Gebetes und dem Jahrestag der Rückkehr von König Mohammed dem V. aus dem Exil 1955" stattfand. Trotzdem sollen die "Rebstöcke" von nun an jedes Jahr ihren Festtag bekommen.Das Weinfest ist keine neue Erfindung. Bis 1956 wurde es regelmäßig gefeiert und zwar mehrere Tage lang. Nicht Islamisten brachten diese Tradition vor einem halben Jahrhundert zum Erliegen, sondern die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit ihrem Verbot, Weine zu mischen. "Damals produzierte das Königreich mehr als zwei Millionen Hektoliter Wein, der übers Mittelmeer verschifft wurde, um französischen Weinen mehr Fülle und Farbe zu geben. Es war eine Katastrophe, als das endete", sagt der Weinhändler Bouchaara.Erst in den 80er Jahren begann sich das Geschäft mit dem Wein wieder zu erholen. Heute produzieren die Winzer etwa 400 000 Hektoliter pro Jahr, das sind 33 Millionen Flaschen. Dreiviertel der Produktion ist Rotwein. Damit machen die Marokkaner einen Umsatz von umgerechnet 88 Millionen Euro. Auch der Staat verdient am Alkohol: Vergangenes Jahr brachte er 70 Millionen Euro Steuern ein.Nach marokkanischem Gesetz kann jeder, der sich in der Öffentlichkeit betrinkt, mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft werden. Lokalen ist es verboten, Alkohol an Moslems auszuschenken, also an fast alle Marokkaner, denn 98 Prozent von ihnen bekennen sich zum Islam. Andererseits trinken die Marokkaner laut einer in der unabhängigen Wochenzeitung "TelQuel" veröffentlichten Statistik 50 Millionen Liter alkoholische Getränke jährlich. In der Beliebtheitsskala kommen Bier und Wein damit gleich nach dem Tee und vor der Milch. "Das ist so scheinheilig", raunt ein marokkanischer Arzt auf dem Weinfest, auf dem sich Diplomaten aus aller Welt und Geschäftsleute zuprosteten.Von den vier Weinanbaugebieten in Marokko ist das um Meknes das größte. "Das allein schon ist ein Festival wert", sagt der Tourismusmann Meskini. Der Ärger um das diesjährige "Rebstockfest" scheint ihn nicht von seinen Plänen abzuhalten, mit dem Wein seiner Region noch mehr Touristen anzulocken: "Wir denken bereits daran, eine Tour durch die Weinkeller für Weinliebhaber anzubieten wie es das in Europa gibt."


Es ist schon alles gesagt! Nur noch nicht von allen. (Karl Valentin)